Erster Bundeswehr-Flug: Nur sieben Menschen aus Afghanistan gerettet

Ein Transportflugzeug vom Typ Airbus A400M beim Start.

Ein Transportflugzeug vom Typ Airbus A400M beim Start.

Berlin. Nach der faktischen Machtübernahme der Taliban in Afghanistan gab es in der Nacht einen erste Evakuierungsflug der Bundeswehr in Kabul. Wie das RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) aus dem Auswärtigen Amt erfahren hat, wurden dabei sieben Menschen aus Afghanistan gerettet. „Die geringe Zahl ist der Tatsache geschuldet, dass die Lage vor Ort äußerst instabil ist“, heißt es aus dem Auswärtigen Amt. Bis zur letzten Sekunde sei unklar gewesen, ob das Flugzeug der Bundeswehr überhaupt landen könne.

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Die Taliban kontrollierten die Zufahrtswege zum Flughafen in Kabul, heißt es aus dem Auswärtigen Amt. Eine Ausreise für deutsche Staatsbürger ist daher risikoreich, zumal die Taliban ab 21.00 Uhr eine Sperrstunde für das Land verhängt hatten. Der Krisenstab der Bundesregierung habe entschieden, aufgrund der instabilen Lage vor Ort zumindest die sieben Personen auszufliegen. Ob es sich dabei um deutsche Staatsangehörige oder afghanische Ortskräfte handelt, konnte das Auswärtige Amt zunächst nicht sagen.

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Deutschland bringt Soldaten nach Afghanistan

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer erklärte am Morgen, dass der erste Flug der Bundeswehr nach Kabul unter äußerst schwierigen Umständen erfolgt sei. „Wir haben eine sehr unübersichtliche, gefährliche, komplexe Situation am Flughafen, vor allen Dingen durch die Menschenmengen“, sagte die CDU-Politikerin am Dienstagmorgen im ARD-„Morgenmagazin“.

Evakuierungsflüge aus Kabul wieder aufgenommen
Chaos at Kabul airport as afghans try to leave capital People struggle to cross the boundary wall of Hamid Karzai International Airport to flee the country after rumors that foreign countries are evacuating people even without visas, after the Taliban over run of Kabul, Afghanistan, 16 August 2021. Kabul Afghanistan sabawoon-notitle210816_npzU9 PUBLICATIONxNOTxINxFRA Copyright: xSTRx

Nachdem am Montag auf dem Rollfeld des Flughafens Kabul hunderte Menschen standen, ist dieses nun geräumt worden, was das Ausfliegen von Menschen erleichtert.

„Wir haben es gestern geschafft, in einer wirklich halsbrecherischen Landung unsere Maschine zu Boden zu bringen. Wir haben vor allen Dingen Soldaten dorthin gebracht, die jetzt absichern, damit die Leute, die wir rausfliegen wollen, auch überhaupt die Möglichkeit haben, zum Flugzeug zu kommen. Das war gestern der Hauptauftrag“, so die Ministerin.

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Verteidigungsministerin zur Situation in Afghanistan: „Hatten nur ganz wenig Zeit“

„Wir haben jetzt alles über Nacht für die Evakuierung vorbereitet”, sagte die Ministerin weiter. „Die zweite Maschine wartet gerade auf die Freigabe der Amerikaner, dass sie nach Kabul aufbrechen kann, damit wir mit den Evakuierungen beginnen können.” Nach Angaben Kramp-Karrenbauers gibt es zwei Szenarien. Nach dem ersten könne der Flughafen nur für einen kurzen Zeitraum offengehalten werden. „Dafür haben wir auch sehr robuste Kräfte jetzt vor Ort und verstärken weiter.” Das zweite Szenario sei der Aufbau einer richtigen Luftbrücke. Dafür seien am Ende bis zu 600 Soldatinnen und Soldaten vorgesehen.

Die Ministerin kündigte zugleich eine Aufarbeitung der jüngsten Ereignisse an. „Es gibt vieles, was wir auch innerhalb der Nato aufarbeiten müssen. Es wird dann aber auch die Fragen an uns geben, inwieweit wir bereit sind, die Konsequenzen dann auch zu tragen, und inwieweit wir bereit sind, auch Maßnahmen zu ergreifen, die wir bisher den Amerikanern überlassen haben.”

Linke kritisiert „Listenwesen der Bundesregierung“

Kritik an dem Einsatz kam unter anderem von der Linkspartei und den Grünen. Die Linke warf der Bundesregierung übertriebene Bürokratie vor: „Dass die Bundeswehr bei ihrem ersten Rettungsflug nur sieben Menschen aus Kabul ausgeflogen hat, ist nicht nur unfassbar und unverantwortlich angesichts der vielen Menschen, die um ihr Leben bangen“, sagte die Parteivorsitzende Janine Wissler dem RND. „Selbst in der größten Not hält die Bundesregierung am Listenwesen fest. Gerettet wird nur, dessen oder deren Name auf einer Liste steht.“

Linken-Co-Chefin Janine Wissler

Linken-Co-Chefin Janine Wissler

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Wissler verwies auf die USA, die mit einem einzigen Flug einer Transportmaschine am Montag mehr als 600 Menschen ausgeflogen hätten: “Ich erwarte von der Bundesregierung unbürokratisches Handeln”, so die Linken-Chefin. “Die Evakuierung kommt viel zu spät, jetzt muss jeder Mensch, der gerettet werden kann, gerettet werden.”

Auch der Grünen-Außenpolitiker Reinhard Bütikofer zeigte sich schockiert, dass die Bundeswehr nur sieben Menschen, „die auf einer offiziellen Ausflugsliste standen“, in Sicherheit gebracht hat. „Ich bin fassungslos“, sagte Bütikofer dem RND. „Ich habe zur Kenntnis nehmen müssen, dass das Auswärtige Amt erklärt hat, dass aus bürokratischen Gründen nicht mehr als sieben Menschen auf diesem Flug sein konnten“, kritisierte der Europaabgeordnete. „Da fehlen mir die Worte.“ Das US-Militär habe 640 Menschen ausgeflogen, „ohne genau zu gucken, wer auf welcher offiziellen Liste stand“, so Bütikofer weiter.

Der Grünen-EU-Abgeordnete und Außenpolitiker Reinhard Bütikofer.

Der Grünen-EU-Abgeordnete und Außenpolitiker Reinhard Bütikofer.

Mit Blick auf den Abzug der deutschen Soldaten aus Afghanistan vor wenigen Wochen und der Rückführung von Material nach Deutschland fügte der Grünen-Politiker hinzu: „Die Bundeswehr hat erfolgreich 22 Paletten mit alkoholischen Getränken repatriiert.“ Diese Paletten sollten im Deutschen Historischen Museum ausgestellt werden, „weil sie ganz sicher einen zentralen Platz in der Erzählung über unser Engagement in Afghanistan einnehmen müssen“, sagte Bütikofer mit beißender Ironie.

In der Nacht auf Dienstag war das erste Bundeswehrflugzeug auf dem Flughafen der afghanischen Hauptstadt Kabul gelandet und hatte dort seinen Evakuierungseinsatz begonnen.

RND/dpa/scs/fra

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