„Der Tag“

Europas neues Sorgenkind: Macron

Einst wollte er ganz Europa reformieren, jetzt hat er Mühe, sich selbst im Sattel zu halten: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bei einem Fernsehauftritt zur umstrittenen Rentenreform am 22. März 2023.

Einst wollte er ganz Europa reformieren, jetzt hat er Mühe, sich selbst im Sattel zu halten: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bei einem Fernsehauftritt zur umstrittenen Rentenreform am 22. März 2023.

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

die 27 Staats- und Regierungschefinnen und ‑chefs der EU bilden ja eigentlich eine ziemlich große Runde. Bei ihrem heutigen Gipfel aber werden sie sich ausnahmsweise zusammen mal ungewöhnlich klein fühlen: Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres, ist in Brüssel zu Gast. Er will mit den Europäerinnen und Europäern über mehr sprechen als über Europa: über die Weltlage. Und die ist ungewöhnlich ernst.

Ukraine-Krise, Klimakrise, Flüchtlingskrise, dazu noch Inflation, Zinssteigerungen, wackelnde Banken: „Wie Autos bei einer Massenkarambolage“, sagte Guterres jüngst, türmten sich derzeit die weltweiten Probleme.

UN-Generalsekretär António Guterres, hier bei einer Rede in New York, ist heute zu Gast beim EU-Gipfel in Brüssel.

UN-Generalsekretär António Guterres, hier bei einer Rede in New York, ist heute zu Gast beim EU-Gipfel in Brüssel.

Der Blick aufs große Ganze könnte einen nützlichen Moment der Besinnung bewirken. Das wäre ein gutes Kontrastprogramm. Denn in Brüssel rücken einige heute mal wieder mit gesenkten Hörnern und beschränktem Gesichtsfeld an, um nationale Seltsamkeiten durchzufechten – die Deutschen zum Beispiel. Ihre späten und noch immer unverstandenen Interventionen beim Thema Verbrennungsmotor sind getrieben von unansehnlichen parteipolitischen Hahnenkämpfen. Lesen Sie dazu den Bericht von Kristina Dunz und Damir Fras über „Deutschland im Blockademodus“.

Le Pen sammelt wieder Punkte

Fast jede Europäerin und jeder Europäer findet, klarer Fall, das eigene Land superwichtig. In Europa bekommt eine Kultur der Kleinteiligkeit traditionell großen Raum. Das hat Charme, aber auch seine Tücken. Allzu oft gerät der Rest der Welt aus dem Blick.

Ein paar Zahlen rücken die Maßstäbe zurecht. Im Jahr 2010 machte die EU-Bevölkerung noch 7 Prozent der Weltbevölkerung aus. Für das Jahr 2060 wird den Europäern und Europäerinnen ein Anteil von nur noch 5 Prozent vorausgesagt. Schon diese Tendenz sollte es eigentlich nahelegen, den alten Kontinent auf neue Art zu organisieren, nicht zuletzt auf Feldern wie Verteidigung oder Klimaschutz, die sich nun mal beim besten Willen nicht durch nationale Alleingänge bearbeiten lassen.

Frankreichs führende Rechtspopulistin nimmt beim Thema Rentenreform den Präsidenten ins Visier: Marine Le Pen am 22. März 2023 in Paris.

Frankreichs führende Rechtspopulistin nimmt beim Thema Rentenreform den Präsidenten ins Visier: Marine Le Pen am 22. März 2023 in Paris.

Einer, der einst auszog, Europa zu reformieren, war Emmanuel Macron. Inzwischen hat der französische Präsident Mühe, sich auch nur selbst im nationalen Sattel zu halten. Populistische Aufwallungen von rechts und links haben ihm schon immer zu schaffen gemacht. Inzwischen aber macht sich ganz Europa Sorgen, wie es mal weitergehen soll in Frankreich. Ein Sieg rechter oder linker Extremistinnen und Extremisten in Paris bei der Präsidentschaftswahl 2027 wäre eine Katastrophe für ganz Europa.

Bei der letzten Wahl war die von Moskau jahrelang politisch und finanziell unterstützte Rechtspopulistin Marine Le Pen bereits stärker denn je. In diesen Tagen sammelt sie erneut kräftig Punkte – wegen der von Macron in allzu arroganter Manier durchgedrückten Rentenreform. Der Stil des oft ungestümen früheren Investmentbankers im Élysée-Palast, sein mangelnder Wille zum Zusammenführen und Vermitteln, bleibt ein Problem. Lesen Sie dazu den Kommentar unserer Paris-Korrespondentin Birgit Holzer.

Guterres wird den Europäerinnen und Europäern heute viel Wahres und auch Unbequemes sagen, ihnen wohl auch mehr Engagement abverlangen. In einem Punkt allerdings dürfen die Europäer und Europäerinnen reinen Herzens kontern: Bevor wir die Welt retten, müssen wir dummerweise erst mal Europa retten.

Wir wünschen Ihnen einen guten Start in diesen Tag,

Ihr Matthias Koch

Der Tag

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Zitat des Tages

Mesut Özil

Mesut Özil

Nach reiflicher Überlegung gebe ich meinen sofortigen Rücktritt vom Profifußball bekannt. Ich hatte das Privileg, fast 17 Jahre lang Profifußballer zu sein, und ich bin unglaublich dankbar für diese Gelegenheit. Aber in den letzten Wochen und Monaten, in denen ich auch einige Verletzungen erlitten habe, wurde es immer deutlicher, dass es Zeit ist, die große Bühne zu verlassen.

Mesut Özil,

Ex-Nationalspieler und Weltmeister 2014

Lesen Sie hier mehr über die Höhen und Tiefen in Özils Karriere.

 

Wer heute wichtig wird

Lloyd Austin, Verteidigungsminister der USA, muss heute Abend im Haushaltsausschuss des Repräsentantenhauses den Wehretat seiner Regierung verteidigen. In der Kammer geben neuerdings die Republikaner den Ton an und kritisieren die hohen Ausgaben für die Ukraine.

Lloyd Austin, Verteidigungsminister der USA, muss heute Abend im Haushaltsausschuss des Repräsentantenhauses den Wehretat seiner Regierung verteidigen. In der Kammer geben neuerdings die Republikaner den Ton an und kritisieren die hohen Ausgaben für die Ukraine.

 

Termine des Tages

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) erläutert um 14.30 Uhr den Stand der Dinge bei der von ihm geplanten Krankenhausreform. Zuvor berät in Berlin eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe über das Thema. Auch der Ärzteverband Marburger Bund will sich heute zu den Reformplänen äußern.

In Berlin berät heute das Präsidium des Deutschen Städtetages über die Unterbringung von Geflüchteten. Eine Pressekonferenz ist für 13 Uhr geplant.

 

Leseempfehlungen

Seit einem Jahr schrauben im brandenburgischen Grünheide rund 10 .000 Menschen an der Mobilität der Zukunft. Alle reden von einer Erfolgsstory. Doch wie steht es um die Arbeitsbedingungen in der Gigafactory von Tesla? Vor dem Arbeitsgericht gibt es Einblicke – Jan Sternberg berichtet (+).

Einst ist die Ampelkoalition als Fortschrittskoalition angetreten. Doch jetzt ist sie gerade dabei, beim Klimaschutz ihr Fortschrittsmantra der Lächerlichkeit preiszugeben. „Dabei braucht das Land gerade in diesen Krisenzeiten eine ernst zu nehmende Regierung, die vorangeht und die Menschen dabei mitnimmt“, mahnt Kristina Dunz im heutigen Leitartikel.

 

Aus unserem Netzwerk: Amazon in Not

Bei Rostock wollte Amazon ein Megalogistikzentrum aufbauen und 1000 neue Jobs schaffen. Doch mittlerweile wurde die Eröffnung auf Ende 2024 verschoben. Jetzt wächst die Sorge, dass der US-Konzern einen Rückzieher machen könnte. Denn Amazon muss sparen, berichtet die „Ostsee-Zeitung“ (+).

 

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