EU-Pläne für Atomkraft: Bundesregierung spricht klares Nein aus – „zu gefährlich“

Aus dem Kühlturm des Kernkraftwerks Grundremmingen steigt Dampf auf. (Archivbild) Mittlerweile ist Atommeiler vom Netz.

Aus dem Kühlturm des Kernkraftwerks Grundremmingen steigt Dampf auf. (Archivbild) Mittlerweile ist Atommeiler vom Netz.

Berlin/Brüssel. Die deutsche Bundesregierung will sich gegenüber der EU-Kommission klar gegen die Einstufung von Atomkraft als nachhaltige Investition positionieren. Das erklärte am Freitag die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann in Berlin. „Die Bundesregierung wird in ihrer Stellungnahme die feste Überzeugung vertreten, dass Kernenergie nicht als nachhaltig einzustufen ist. Wir halten die Technologie für zu gefährlich, und neben weiteren Gründen ist die Endlagerfrage weiterhin nicht geklärt“, sagte sie.

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Zur Einstufung von Gas gab es allerdings keine klare Position. Umweltverbände forderten die Bundesregierung am Freitag erneut auf, die EU-Pläne sowohl für Gas als auch für Atomkraft entschieden abzulehnen.

EU will Atomkraft und Gas als „grün“ deklarieren

Hintergrund ist der Vorschlag der EU-Kommission zur sogenannten Taxonomie, der vorsieht, dass Gas- und Atomkraftwerke unter bestimmten Voraussetzungen als „grüne“ Investitionen eingestuft werden sollen. Die Taxonomie definiert, welche Bereiche der Wirtschaft als klimafreundlich gelten. Bis zu diesem Freitag um Mitternacht konnten Deutschland und die 26 weiteren EU-Mitgliedstaaten zum Vorschlag der Kommission Stellung beziehen. Im Anschluss will die Kommission aus dem Entwurf einen offiziellen sogenannten delegierten Rechtsakt machen - und so den nächsten Schritt zur Umsetzung einleiten.

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Zur Einstufung von Gas bekräftigte Regierungssprecherin Hoffmann: „Grundsätzlich betrachtet die Bundesregierung Gas als eine Brückentechnologie.“ Deutschland hatte die Aufnahme von Gas in die Taxonomie in der Vergangenheit deutlich unterstützt.

Auf die Frage von Journalisten, ob eine Brückentechnologie nachhaltig sein könne, verwies Hoffmann auf die sich noch in Arbeit befindliche Stellungnahme der Bundesregierung. Laut Hoffmann sollte sie pünktlich bis Mitternacht nach Brüssel übermittelt werden.

Ob die Stellungnahme Deutschlands im Anschluss öffentlich einsehbar sein werde, ließ die Sprecherin offen. Mehrere Umweltverbände forderten die Bundesregierung auf, die Inhalte offenzulegen. „Es geht hier um Transparenz bei wichtigen Entscheidungen über den Klima- und Umweltschutz. Andernfalls verspielt die amtierende Bundesregierung ihre Glaubwürdigkeit“, heißt es in dem gemeinsamen Appell, den unter anderen Campact, der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) und die Deutsche Umwelthilfe veröffentlicht haben.

Verbände sehen in EU-Einstufung „falsche Anreize“

Die Verbände fordern seit Wochen, den umstrittenen EU-Entwurf zur Taxonomie zu stoppen, weil sie durch die Einstufung unter anderem „falsche Anreize“ und Nachteile für erneuerbare Energien befürchten.

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Doch das Stoppen könnte schwierig werden: Ein Sprecher der EU-Kommission erklärte am Freitag, dass die Brüsseler Behörde Rückmeldungen der EU-Länder dazu studieren und den Vorschlag „so schnell wie möglich“ offiziell annehmen wolle.

Nur eine Mehrheit von mindestens 20 Staaten oder der Abgeordneten im EU-Parlament könnte ihn stoppen - was sich derzeit nicht abzeichnet. Nach einer Recherche der dpa befürworten mindestens elf Mitgliedstaaten, darunter Frankreich, Polen und Ungarn, die Pläne ausdrücklich. Nur wenige Länder, etwa Österreich, Spanien und Dänemark, lehnen die geplanten Klassifizierungen ab. Österreich und Luxemburg erwägen sogar, dagegen zu klagen. Zu den Halbentschlossenen gehört Deutschland - wo es nur eine eindeutige Ablehnung zur Atomkraft gibt aber unterschiedliche Auffassungen zur Einstufung von Gaskraftwerken.

Scholz bekräftigt Bekenntnis der Bundesregierung zur Nutzung von Gas

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat das klare Bekenntnis der Bundesregierung zur Nutzung von Gas zur Stromerzeugung noch einmal deutlich bekräftigt. Es sei die „Festlegung des Koalitionsvertrages und die Meinung aller Mitglieder der Regierung auch, dass wir Gas brauchen“, sagte Scholz am Freitagabend nach der Kabinettsklausur in Berlin.

„Nachhaltige Atomkraft“: Wie blinkt die Ampel?
29.12.2021, Niedersachsen, Emmerthal: Dampf steigt aus den Kühltürmen des Atomkraftwerks Grohnde auf (Langzeitbelichtung). Das Atomkraftwerk Grohnde ist gerade abgeschalten worden. Foto: Julian Stratenschulte/dpa - Nutzung nur nach vertraglicher Vereinbarung ACHTUNG: Dieses Foto hat dpa bereits im Bildfunk gesendet. - Honorarfrei nur für Bezieher des Dienstes dpa-Nachrichten für Kinder +++ dpa-Nachrichten für Kinder +++

In der Frage, ob Deutschland moderne Atomkraftwerke als nachhaltig einstufen soll, ist die Bundesregierung sich uneinig.

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Bis zum deutlichen Fortschritt beim Ausbau erneuerbarer Energien und der Nutzung von grünem Wasserstoff werde Gas in der Übergangsphase „eine zusätzliche Rolle“ spielen, erklärte Scholz. Die Bundesregierung sei deshalb auch der Meinung, dass es „neue Investitionen“ in Gasenergie geben solle. Darüber gebe es zwischen SPD, Grünen und FDP „keine unterschiedlichen Sichtweisen“, bekräftigte der Bundeskanzler.

Umweltministerin Lemke gegen Einstufung von Gas als nachhaltig

Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) übte entgegen der bekannten Linie der Bundesregierung auch deutliche Kritik an der Einstufung von Gas. „Ich bin überzeugt, dass weder für Erdgas noch für Atomkraft die Einstufung als nachhaltig in der Taxonomie nötig ist“, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. Auch wenn Deutschland auf Erdgas für „einen kurzen Übergangszeitraum“ angewiesen sei, brauche es dafür kein Nachhaltigkeitssiegel auf EU-Ebene, erklärte sie.

Anders sieht das Lukas Köhler, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende des Koalitionspartners FDP. „Investitionen in Gas sind nachhaltig, wenn langfristig der Umstieg auf klimafreundlichen Wasserstoff sichergestellt ist“, sagte Köhler der dpa. Deutschland sei „gut beraten, zwischen Gas und Kernenergie zu unterscheiden“. Die Aufnahme von Gas in die sogenannte EU-Taxonomie sei auch eine Frage der Versorgungssicherheit. „Ohne einen massiven Zubau an Gaskraftwerken kann die Versorgungssicherheit nicht gewährleistet werden“, sagte Köhler.

Auch der Verband kommunaler Unternehmen warb für die Unterstützung künftiger Gaskraftwerke. „Diese Kraftwerke sichern vor allem den Ausbau der witterungsabhängigen Erneuerbaren Energien ab und ermöglichen damit auch den Kohleausstieg“, sagte VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing. Diese „Transformations-Kraftwerke“ in die EU-Taxonomie aufzunehmen, sei „im ureigensten Interesse Deutschlands“.

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RND/dpa

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