Fleischnamen für Veggieprodukte: EU-Parlament lehnt Verbot ab

Ein Schild „Veggie“ steht in Hamburg in einem Supermarkt auf einem Kühlregal mit vegetarischen Produkten.

Ein Schild „Veggie“ steht in Hamburg in einem Supermarkt auf einem Kühlregal mit vegetarischen Produkten.

Brüssel. Es ging um die Veggiewurst: Nach dem Willen des Europaparlaments sollen pflanzliche Fleischersatzprodukte auch weiterhin Bezeichnungen wie „Steak“, „Burger“ oder andere tierisch anmutenden Benennungen tragen dürfen. Das EU-Parlament lehnte am Freitag einen entsprechenden Gesetzesentwurf ab. Auch ein Kompromissentwurf, der eine deutlichere Kennzeichnung der Ersatzprodukte mit dem Vermerk „ohne Fleisch“ vorschlug, fiel durch.

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Das Votum über den Gesetzesvorschlag war Teil eines Berichts zur Gemeinsamen Agrarreform (GAP) der Europäischen Union, über die das Parlament in dieser Sitzungswoche abstimmt. Die EU-Abgeordneten entscheiden mit ihrem Votum über den Standpunkt des EU-Parlaments, mit dem es anschließend in die Verhandlungen mit EU-Rat und -Kommission geht. Rat und Kommission hatten zu der Thematik bisher keinen Vorschlag gemacht.

Während die pflanzliche Pelle der Tofuwurst unberührt bleibt, soll es der Entscheidung des EU-Parlaments zufolge aber Änderungen bei anderen Produkten geben: Der Gesetzentwurf für strengere Regeln für Milchalternativen erhielt eine Mehrheit von 386 zu 290 Stimmen. Bezeichnungen wie „Mandelmilch“ sind in der EU bereits verboten.

Vor allem Landwirtschaftsverbände hatten für Verbot der Fleischbezeichnungen geworben

Der Europäische Gerichtshof urteilte 2017, dass als Milch nur Erzeugnisse bezeichnet werden dürfen, die aus der „normalen Eutersekretion“ von Tieren gewonnen werden. Das Gleiche gilt für die Bezeichnungen von Milchfolgeprodukten als „Käse“ oder „Butter“. Der Gesetzentwurf sieht nun vor, dass auch beschreibende Ausdrücke wie „à la“, „Typ“ oder „Nachahmung“ nicht zugelassen werden sollen.

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Marco Contiero, EU-Direktor für Agrarpolitik bei der Umweltorganisation Greenpeace, nannte die Entscheidung für verschärfte Regeln für Milchersatzprodukte „schmachvoll“. Der Europäische Verbraucherverband (BEUC) schloss sich der Kritik an. Die Hoffnung liege nun darauf, dass sich der Gesetzesvorschlag bei den Verhandlungen mit dem EU-Rat nicht durchsetzen könne, teilte BEUC-Lebensmittelexpertin Camille Perrin mit. Der Verband lobte indes die Entscheidung gegen das Verbot von Fleischbezeichnungen für Veggieprodukte. Damit sei das EU-Parlament dem gesunden Menschenverstand gefolgt, so der Verband.

Einige EU-Parlamentarier hatten vor der Abstimmung die Diskussion über das Thema kritisiert. „Wir halten die ganze Debatte für völlig überflüssig“, sagte der FDP-EU-Abgeordnete Jan-Christoph Oetjen der Nachrichtenagentur dpa. „Wir sind überzeugt, dass sich der Bürger selbst ein Bild machen kann.“ Schließlich wisse der Verbraucher auch, dass man Scheuermilch nicht trinken könne, so Oetjen.

Vor allem Landwirtschaftsverbände hatten vorab massiv Werbung für das Verbot der Fleischbezeichnungen für Ersatzprodukte gemacht. Der EU-Landwirtschaftsverband (Copa-Cogeca) erklärte in einem Tweet, dass mit der Zulassung von Fleischbezeichnungen für pflanzenbasierte Alternativen die Büchse der Pandora geöffnet werde. Er sprach von einem Schaden für Landwirte und Konsumenten, die durch die unklaren Bezeichnungen verwirrt würden.

In Deutschland sind Fleischbezeichnungen für Pflanzenprodukte derzeit möglich

Der Deutsche Bauernverband (DBV) forderte „ehrliche“ Produktnamen für Ersatzprodukte. Dass für die pflanzlichen Alternativen Fleischbenennungen gewählt würden, bezeichnete DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken Anfang Oktober als „merkwürdige Form von Trittbrettfahrerei“. „Ein Marketing, mit dem das Original erst in Verruf gebracht und dann in der Bezeichnung kopiert wird, ist unlauter“, erklärte Krüsken.

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Es ginge nicht darum, den Veggiemarkt auszubremsen, betonte der Vorsitzende des Agrarausschusses des Europaparlaments, Norbert Lins (CDU), vor der Abstimmung. Er forderte jedoch Klarheit bei den Bezeichnungen. „Wir wollen die Bezeichnung ‚reiner‘ Fleischprodukte schützen, während das Ersatzprodukt für Fleischzubereitungen das Veggielabel führen sollte.“

Grünen-Europapolitiker Martin Häusling sah kein Risiko der Verwirrung für Konsumenten an den Kühlregalen. Er glaube nicht, dass es bei Veggieburgern und Burgern aus Fleisch zu Verwechslungen kommen könnte, so Häusling. Er befürchte eher, dass das EU-Parlament Gefahr laufe, damit in einer „zweiten Gurken-Verordnung“ zu enden. Die berühmt-berüchtigte – und mittlerweile wieder aufgehobene – Verordnung zur erlaubten Krümmung von Gurken wird von Kritikern gern als Beispiel für eine Überregulierung aus Brüssel genannt.

In Deutschland sind Fleischbezeichnungen für Pflanzenprodukte derzeit möglich. Voraussetzung dafür ist der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission zufolge, dass es eine Ähnlichkeit der Produkte gibt. Diese kann durch verschiedene Kriterien wie den Verwendungszweck, Konsistenz oder auch das Mundgefühl gegeben sein.

RND/dpa

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