Polen, Ungarn und Slowakei bleiben bei Verbot

Umstrittene Handelsbeschränkungen – EU verteidigt Ende von Getreideembargo

Ein Getreidelager in der Ukraine. (Archivfoto)

Ein Getreidelager in der Ukraine. (Archivfoto)

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Brüssel. Die EU-Kommission hat ihre Entscheidung für ein Ende der Handelsbeschränkungen für ukrainische Getreideprodukte verteidigt. „Wir brauchen außergewöhnliche Umstände, um diese Art von Beschränkungen zu rechtfertigen, und derzeit sehen wir, dass es keine Störung oder Verzerrung auf dem Markt dieser fünf Mitgliedstaaten gibt“, sagte EU-Kommissionsvize Valdis Dombrovskis am Samstag am Rande eines Treffens der EU-Finanzminister im spanischen Santiago de Compostela. Die Europäische Kommission werde die Situation weiter beobachten und bereit sein, auch Beschränkungen einzuführen, „wenn die Marktsituation dies rechtfertigt“.

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Die Brüsseler Behörde hatte am Freitagabend mitgeteilt, das Getreideembargo werde beendet. Die bisherigen Einschränkungen hatten es den östlichen EU-Mitgliedern Ungarn, Polen, Slowakei, Rumänien und Bulgarien erlaubt, den Handel mit Produkten wie Weizen, Mais, Raps oder Sonnenblumen aus der Ukraine auf ihren Märkten zu beschränken.

Polen, Ungarn und die Slowakei gaben nach der Entscheidung bekannt, dass sie auch ohne die Zustimmung Brüssels an Importbeschränkungen für bestimmte ukrainische Agrarprodukte festhalten wollen. Ungarn betonte ausdrücklich, der Transit ukrainischen Getreides bleibe aber erlaubt. Deutschland und andere EU-Länder hatten dieses Verhalten zuvor als unsolidarisch kritisiert. Bulgarien hatte eine Aufhebung der Importbeschränkungen bereits am Donnerstag beschlossen.

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Dombrovskis betonte, die Ukraine habe einem System zugestimmt, das einen Anstieg der Exporte in diese fünf Mitgliedstaaten verhindert. „Es gibt auch Elemente, die den Mitgliedsstaaten versichern, dass es nicht zu einem Anstieg der Importe aus der Ukraine kommen wird.“ Wichtig sei jetzt, dass alle konstruktiv zusammenarbeiten. Als erster Schritt müssten weitere Gespräche geführt werden: „Denn leider haben wir erst gestern eine Einigung über das Ausfuhrlizenzsystem für die Ukraine erzielt, also praktisch an dem Tag, an dem die Maßnahmen auslaufen sollten.“

Deutschland hatte die Maßnahmen in der Vergangenheit sehr kritisch gesehen. So hatte Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) in Brüssel immer wieder betont, dass Solidarität mit der Ukraine nicht nur versprochen, sondern auch gelebt werden müsse.

Lieferungen über das Schwarze Meer sind riskant

Noch am Donnerstag hatte sich der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba gegen die Beschränkungen stark gemacht. Keine Form der Aufrechterhaltung der Maßnahmen sei akzeptabel, schrieb Kuleba auf der Online-Plattform X (früher Twitter). Wegen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine konnten zeitweise keine Getreideexporte mehr über das Schwarze Meer aus der Ukraine auf den Weltmarkt gelangen. Auch derzeit sind Lieferungen über das Schwarze Meer riskant. Mitte Juli hatte Russland ein Abkommen über Getreidelieferungen ausgesetzt, obwohl es aus Sicht der Vereinten Nationen wichtig für die sichere Versorgung der Welt mit Lebensmitteln ist.

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Angesichts der Schwierigkeiten hatte die EU Handelswege etwa per Straße und Schiene zwischen der Ukraine und den Staaten der Europäischen Union ausgebaut. Landwirte aus östlichen EU-Ländern sahen sich infolgedessen jedoch großer Konkurrenz durch die stark gestiegenen Einfuhren ausgesetzt, woraufhin Länder wie Polen und Ungarn eigenständig den Import bestimmter Waren beschränkten. Die EU-Kommission hatte daraufhin eine einheitliche Regelung eingeführt und Anfang Juni beschlossen, die Einschränkungen bis zum 15. September zu verlängern.

Polen, Ungarn und die Slowakei bleiben bei Importverboten

Ungarn und die Slowakei haben sich dem Beispiel Polens angeschlossen und halten auch ohne die Zustimmung Brüssels an Importverboten für bestimmte ukrainische Agrarprodukte fest. Das gaben Ungarns Regierungssprecher Zoltan Kovacs und der kommissarisch amtierende slowakische Ministerpräsident Ludovit Odor am Freitagabend bekannt.

Ungarn „nimmt seine Angelegenheiten in die eigenen Hände, um die eigenen Bauern zu schützen“, zitierte Kovacs Ungarns Landwirtschaftsminister Istvan Nagy. Insgesamt sind 24 Produkte aus der Ukraine - neben Getreide unter anderem alle Fleischarten, Zucker, Gemüse und Wein - vom Importverbot betroffen, wie aus einer am Freitagabend im amtlichen Gesetzblatt in Budapest veröffentlichten Verordnung hervorgeht.

Der Transit ukrainischen Getreides durch Ungarn bleibe indes erlaubt, erklärte Landwirtschaftsminister Nagy den Angaben zufolge weiter. Die ungarischen Behörden würden die entsprechenden Ladungen versiegeln und deren Weitertransport überwachen.

Der parteilose slowakische Regierungschef Odor schrieb in einer auch der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Erklärung: „Die Europäische Kommission hat das Importverbot für vier Produkte aus der Ukraine inklusive Weizen nicht über den 15. September hinaus verlängert. Darum hat sich die Regierung für ein nationales Importverbot entschieden.“

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Das slowakische Verbot gelte bis zum Jahresende für Weizen, Mais, Raps und Sonnenblumensamen. „Wir müssen einen übermäßigen Druck auf den slowakischen Markt verhindern, um auch gegenüber den einheimischen Landwirten fair zu bleiben“, begründete Odor den Schritt seiner Regierung. Man werde aber mit der EU-Kommission und den anderen EU-Ländern „intensiv daran arbeiten, eine gesamteuropäische Lösung zu finden“.

RND/dpa

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