EU-Kommissare: Die Grünen dürften leer ausgehen

In Deutschland kamen die Grünen bei der Europawahl Ende Mai auf 20,5 Prozent der Stimmen.

In Deutschland kamen die Grünen bei der Europawahl Ende Mai auf 20,5 Prozent der Stimmen.

Brüssel. Philippe Lamberts gab sich selbstbewusst. Wenn man sich das Stimmgewicht der Grünen ansehe, dann entspreche das der Zahl von vier Kommissaren in der neuen EU-Kommission, sagte der Belgier am Tag nach der Wahl Ursula von der Leyens zur neuen Kommissionspräsidentin. Der Ko-Fraktionschef der Grünen im Europaparlament forderte deshalb unzweideutig: „Wenn sie uns wollen, müssen sie bezahlen.“

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Die Ansage war klar: Die Grünen, die bis auf wenige britische Abgeordnete gegen von der Leyen gestimmt hatten, wollen Posten in der neuen Kommission. Doch die Chancen stehen schlecht. Die Grünen dürften, obwohl sie zu den Gewinnern der Europa-Wahl gehören, am Ende leer ausgehen.

Grüne stimmten gegen von der Leyen

Das liegt nicht an von der Leyen. Die Deutsche weiß, dass sie die Grünen braucht, um ihre Politik im Europaparlament durchsetzen zu können. Sie würde deswegen einen Grünen-Kommissar in ihrem Team wohl willkommen heißen. Bei der Abstimmung am Dienstag vergangener Woche kam von der Leyen nur auf eine knappe Mehrheit. Zahlreiche Abgeordnete der Europäischen Volkspartei (EVP) und der Sozialdemokraten stimmten gegen sie. Für die Mehrheit sorgten die Stimmen polnischer Rechtsnationaler und italienischer Linkspopulisten.

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Es wäre eine Belastung für von der Leyen, wenn sie in ihrem neuen Amt dauerhaft auf die Stimmen von Europa-Skeptikern im Parlament angewiesen wäre. Dass sie die Grünen für sich gewinnen will, zeigt der Umstand, dass ein Gespräch der neuen Kommissionschefin mit den Fraktionschefs von EVP, Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen schon am vergangenen Dienstag stattfand – und nicht wie geplant nach der Sommerpause Anfang September. Über einen Grünen-Kommissar sei dabei allerdings nicht gesprochen worden, so Teilnehmer.

Nationale Regierungen nominieren Kommissare

Das hätte auch wenig Sinn gehabt: Denn die neue Kommissionspräsidentin kann nicht entscheiden, wen die nationalen Regierungen für das Brüsseler Kommissarskollegium nominieren. Normalerweise kommen Kandidatinnen und Kandidaten jener Parteien zum Zug, die die Regierung anführen oder an ihr beteiligt sind. Und da sieht es für die Grünen in Europa schlecht aus.

Einen Regierungschef stellen die Grünen in der EU nicht, und nur in drei EU-Ländern sind sie an der Regierung beteiligt. In Finnland haben sich die Sozialdemokraten allerdings bereits durchgesetzt. Sie wollen eine Sozialdemokratin nach Brüssel schicken. In Luxemburg gibt es eine Absprache in der Koalition, wonach ebenfalls ein Sozialdemokrat EU-Kommissar werden soll. In Schweden, so sagen es prominente Europa-Grüne, liefen noch Personalverhandlungen zwischen den Sozialdemokraten, die die Regierung führen, und den Juniorpartnern von den Grünen.

Grüne fordern mehr Klimaschutz

Auch Philippe Lamberts ist ein potenzieller Kandidat. Doch die Koalitionsverhandlungen für eine reguläre Regierung in Belgien ziehen sich. Völlig unklar ist, ob sie rechtzeitig vor Arbeitsbeginn der neuen EU-Kommission am 1. November zustande kommt und ob die belgischen Grünen daran beteiligt sein werden.

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Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass die Grünen keinen eigenen Kommissar in von der Leyens Team bekommen. Sie wollen die neue Kommissionspräsidentin jedoch unterstützen, wenn von der Leyen sich für mehr Klimaschutz, Seenotrettung und Rechtsstaatlichkeit in der EU einsetze.

Bei den Europa-Grünen beginnt zugleich die Phase der selbstkritischen Analyse. Der Chef der Europäischen Grünen-Partei, Reinhard Bütikofer, schreibt in seinem Blog "Bütis Woche", es sei vielleicht ein Fehler gewesen, "dass wir zu einseitig unsere inhaltlichen Forderungen in den Vordergrund stellten und nicht auch unseren Anspruch, an der verantwortlichen Umsetzung von Politik personell beteiligt zu werden, stark machten".

Von Damir Fras/RND

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