Erst Reformen, dann Mitgliedschaft

Gipfel mit Luftalarm: Selenskyj pocht auf EU-Beitritt

Wolodymyr Selenskyj (l.), Präsident der Ukraine, und Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, sprechen auf einer Pressekonferenz nach dem EU-Ukraine-Gipfel.

Wolodymyr Selenskyj (l.), Präsident der Ukraine, und Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, sprechen auf einer Pressekonferenz nach dem EU-Ukraine-Gipfel.

Erstmals fand ein EU-Gipfel in einem Kriegsgebiet statt, und er begann am Freitag mit einem landesweiten Luftalarm in der Ukraine. Russische Kampfbomber waren über Belarus aufgestiegen, die Ukrainerinnen und Ukrainer mussten in Luftschutzkellern und U-Bahnhöfen Schutz suchen. Alltag für die Menschen in Kiew, den jetzt auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und ihre 15 EU-Kommissarinnen und -Kommissare erlebten.

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„Wir sind hier, um zu zeigen, dass die EU nach wie vor fest an der Seite der Ukraine steht“, sagte von der Leyen am Freitagmorgen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bekräftigte bei der gemeinsamen Abschlusserklärung, die Beitrittsverhandlungen zwischen der EU und der Ukraine noch in diesem Jahr anzupacken. „Wir wollen in diesem Jahr mit den Gesprächen beginnen und sie im nächsten Jahr fortsetzen“, so Selenskyj. Er hoffe, dass die Ukraine bereits im kommenden Jahr Zugang zum europäischen Binnenmarkt erhalte, zumindest in einigen Bereichen. Bislang hat die Ukraine den Status eines Beitrittskandidaten. EU-Kommissionspräsidenten Ursula von der Leyen wollte keine zeitliche Perspektive nennen und beschwichtigte, es gebe keine starren Zeitplan.

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„Die Beitrittsverhandlungen sollten möglichst im nächsten Jahr aufgenommen und mit großer Ambition und Ernsthaftigkeit von allen Beteiligten geführt werden“, sagt der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Michael Roth, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Wie schnell die Ukraine dann tatsächlich EU-Mitglied werden kann, hängt von den konkreten Reformfortschritten, aber maßgeblich auch vom weiteren Kriegsverlauf ab.“

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Solange ein Ende dieses furchtbaren Krieges nicht absehbar ist, erscheine ein rascher EU-Beitritt kaum vorstellbar. Ähnlich äußerte sich die Co-Vorsitzende der Grünen/EFA-Fraktion im Europäischen Parlament, Terry Reintke: „Die EU sendet das starke Signal, dass die Tür für einen EU-Beitritt geöffnet ist“, sagte sie dem RND. Die Ukraine müsse aber den Weg der Reformen weiter verfolgen. FDP-Politiker Alexander Graf Lambsdorff betont, dass für alle Beitrittskandidaten die gleichen Regeln gelten. Die EU-Kommission müsse genau hinschauen, bevor die Beitrittsverhandlungen eröffnet werden, so Graf Lamsbdorff zum RND.

EU sagt weitere finanzielle Hilfe zu

Die EU erwartet von der Ukraine unter anderem eine verstärkte Bekämpfung der Korruption. Nur wenige Tage vor dem Gipfeltreffen wurden mehr als ein Dutzend ukrainische Beamte, mehrere Staatsanwälte und einer der Vizeverteidigungsminister nach Korruptionsvorwürfen verhaftet oder entlassen. Am Freitag ging der Inlandsgeheimdienst SSU gegen zwei Lebensmittelhändler vor, die den Staat bei der Versorgung von Soldaten um Millionen betrogen haben sollen. „Es ist ein gutes Zeichen, dass Korruptionsfälle aufgedeckt und strafrechtlich verfolgt werden“, sagt Reintke. „Die Bekämpfung von Korruption und die Reform der Justiz sollten nun im Fokus stehen.“

EU-Gipfeltreffen in Kiew: „Lassen uns vom Kreml nicht einschüchtern“
Ukrainian President Volodymyr Zelenskyy meets with European Commission President Ursula von der Leyen Ukrainian President Volodymyr Zelenskyy meets with European Commission President Ursula von der Leyen, February 2, 2023 in Kyiv, Ukraine. Zelenskyy hosted a delegation for a European Union summit meeting. Photo by PRESIDENT OF UKRAINE OFFICE apaimages Kyiv Kyiv Ukraine 020223_Kyiv_UPO_00 47 Copyright: xapaimagesxPRESIDENTxOFxUKRAINExOFFICExapaimagesx

Die Ukraine wäre lieber heute als morgen Mitglied der EU. Bei einem Gipfel in Kiew müssen die Gäste aus Brüssel allzu große Erwartungen dämpfen.

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Der zweite der sieben Punkte der EU, die von der Ukraine für eine Mitgliedschaft noch erfüllt werden müssen, wurde inzwischen aus Brüssel abgesegnet. „Wir wissen, dass noch ein langer Weg vor uns liegt“, sagt die ukrainische Abgeordnete Inna Sovsun dem RND. Sie sei selbst mit den Fortschritten in einigen Bereichen nicht zufrieden. „Der EU-Gipfel ist eine gute Erinnerung an die Regierung, dass man sich die EU-Mitgliedschaft nicht herbeiwünschen, sondern nur erarbeiten kann.“ Die Aussicht auf Verhandlungen über die EU-Mitgliedschaft sei ein Ansporn und es ermutige zu hören, dass die Ukraine eines Tages Teil der EU sein werde.

EU-Kommissionspräsidenten Ursula von der Leyen sagte der Ukraine weitere finanzielle, militärische und humanitäre Hilfe zu. Im Rahmen eines Aufbaupakets für die Ukraine sollen 150 Millionen Euro für den Wiederaufbau der Energieinfrastruktur, 145 Millionen Euro für humanitäre Hilfe und 305 Millionen Euro in die bilaterale Zusammenarbeit fließen. „Die zugesagte Unterstützung beim Wiederaufbau der von Russland zerstörten Energieinfrastruktur sowie die Ausweitung der EU-Ausbildungsmission für ukrainische Soldatinnen und Soldaten helfen der Ukraine ganz konkret“, sagt SPD-Außenpolitiker Roth.

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Bis zum 24. Februar 2023, dem Jahrestag des Großangriffs auf die Ukraine, soll das EU-Parlament zudem ein zehntes Sanktionspaket gegen Russland beschließen, kündigte von der Leyen an. Für Außenpolitiker Roth ist das „ein klares Signal an Wladimir Putin, dass die EU-Staaten weiterhin ge- und entschlossen hinter der Ukraine stehen“.

Von der Leyen hatte erklärt, dass sie unter anderem Technikprodukte sanktionieren will, die für die Produktion russischer Waffen verwendet werden können. Der CDU-Politiker David McAllister fordert, dass dieses neue Sanktionspaket russische Unternehmen stärker sanktionieren soll. „Im Fokus sollten dabei die Unternehmen aus Russland stehen, die – wie Lukoil und Rosatom – noch immer auf den Märkten der EU vertreten sind.“ Hoffnung setzt er auch auf den Preisdeckel für russische Mineralölprodukte wie Diesel und Kerosin, der noch diesen Sonntag in Kraft treten wird. „Dieser wird einen weiteren Schlag für die Kriegskasse des Kremls bedeuten“, ist sich McAllister sicher.

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