EU einigt sich: So soll der Rechtsstaatsmechanismus nun aussehen

Proteste in Warschau gegen eine deutliche Verschärfung des Abtreibungsverbots in Polen (Symbolfoto). Polen gilt als ein Staat, der es mit der Rechtsstaatlichkeit nicht so genau nimmt.

Proteste in Warschau gegen eine deutliche Verschärfung des Abtreibungsverbots in Polen (Symbolfoto). Polen gilt als ein Staat, der es mit der Rechtsstaatlichkeit nicht so genau nimmt.

Brüssel. Es ist die Rede von einer historischen Einigung. Erstmals in der Geschichte der Europäischen Union müssen Rechtsstaatssünder in Zukunft damit rechnen, weniger Geld aus Brüssel zu bekommen. Darauf verständigten sich am Donnerstag die Unterhändler des EU-Parlaments und der EU-Staaten.

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Ob aber tatsächlich ein wirksamer Rechtsstaatsmechanismus eingeführt wird, ist noch unklar. Denn die Regierungen von Polen und Ungarn, denen die EU-Kommission die Missachtung grundlegender EU-Werte vorwirft, müssen den Brüsseler Kompromiss noch billigen. Und das ist noch nicht sicher.

Regeln verschärft

Künftig sollen Auszahlungen an Mitgliedsländer zurückgehalten werden, wenn in diesen Staaten zum Beispiel die Unabhängigkeit der Justiz in Gefahr ist. Auch sollen Rechtsstaatssünder bereits dann bestraft werden können, wenn der Missbrauch von EU-Mitteln droht.

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Das ist eine Verschärfung gegenüber den ursprünglichen Plänen. Danach wären Kürzungen von EU-Geldern nur möglich gewesen, wenn die Rechtsstaatsverstöße in den einzelnen Mitgliedsländern direkte Auswirkungen auf den Umgang mit Geld der EU gehabt hätten. Das allerdings wäre nur schwer zu beweisen gewesen, so die Kritik aus dem Europaparlament.

Der Rechtsstaatsmechanismus soll nun so aussehen: Die EU-Kommission stellt einen Verstoß gegen rechtsstaatliche Prinzipien in einem Mitgliedsland fest. Das könnte etwa der Fall sein, wenn eine Regierung grundlos gegen Richter im eigenen Land vorgeht. Dann muss der Rat der Mitgliedsstaaten auf Ministerebene den Sanktionsvorschlag binnen drei Monaten mit qualifizierter Mehrheit billigen. Das sind mindestens 15 der 27 EU-Mitgliedsstaaten, die mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren. Danach könnte es zum Geldentzug kommen.

Europa-Grünen: Rechtsstaat steckt in tiefer Krise

Der Chef der größten Fraktion im Europaparlament, Manfred Weber (CSU), nannte den Kompromiss am Donnerstag einen „historischen Schritt“ für die EU. Die europäischen Steuerzahler könnten sich darauf verlassen, dass ihr Geld nur in Staaten fließe, in denen die Rechtsstaatlichkeit beachtet werde.

Der Unterhändler der Europa-Grünen, Daniel Freund, lobte den Kompromiss ebenfalls, sagte aber auch: „Der Mechanismus ist nicht so wirkmächtig, wie wir es uns im Europäischen Parlament gewünscht haben.“ Zudem müssten jetzt die Mitgliedsstaaten unter Beweis stellen, „dass der Sanktionsmechanismus auch zur Anwendung kommen kann“. Die Zeit dränge, denn der Rechtsstaat in Europa stecke in einer tiefen Krise. „Das zeigen die aktuellen Entwicklungen in Polen und Ungarn in bedrückender Weise“, sagte Freund.

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Derzeit ist noch offen, wann der geplante Rechtsstaatsmechanismus in Kraft treten kann. Denn formal müssen die EU-Mitgliedsstaaten dem Kompromiss noch zustimmen. Zuletzt aber hatten die Regierungen in Polen und Ungarn damit gedroht, Entscheidungen zum EU-Haushalt und zum Corona-Hilfspaket zu blockieren, sollte ein Rechtsstaatsmechanismus wirklich eingeführt werden.

Streit ums Geld

Dabei geht es um viel Geld. Das größte Finanzpaket in der Geschichte der EU besteht aus Corona-Hilfen im Umfang von 750 Milliarden Euro und aus dem EU-Haushalt für die Jahre 2021 bis 2027 in Höhe von 1074 Milliarden Euro.

Jedoch ist bislang offen, ob die Regierungen in Budapest und Warschau ihre Drohung wirklich wahr machen. Denn eine Blockade der EU-Hilfen würde auch bedeuten, dass Gelder aus dem Corona-Fonds verspätet nach Ungarn und Polen fließen.

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