EU-China-Videogipfel: Kleine Erfolgsmeldung, aber noch lange kein Durchbruch
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/YWFADGOMJFHSJK3FQ7CDVJGQJA.jpeg)
Im Anschluss an das virtuelle Gipfeltreffen mit Chinas Präsident Xi gab Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eine Videopressekonferenz mit dem Präsidenten des Europäischen Rates, Charles Michel, und der Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen (l).
© Quelle: Michele Tantussi/reuters/Pool/dp
Brüssel. Es sollte der Höhepunkt der deutschen EU-Ratspräsidentschaft sein. Zusammen mit den 26 anderen Staats- und Regierungschefs aus der EU wollte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) den chinesischen Präsidenten Xi Jinping in Leipzig empfangen und die Zusammenarbeit der beiden großen Wirtschaftsräume auf ein neues Niveau heben. Doch daraus wurde nichts. Die Corona-Pandemie verhinderte ein persönliches Treffen. Stattdessen konferierten Merkel und die EU-Spitzen am Montag per Videoschalte mit Xi. Aus der großen Sause von Leipzig wurde ein schnödes, virtuelles Gespräch mit vier Teilnehmern.
Investitionsabkommen (noch) nicht in Sicht
Das allerdings muss kein Fehler gewesen sein. Denn aller Voraussicht nach hätten auch persönliche Verhandlungen in großer Runde eher zu peinlichen Momenten geführt und nichts an der gegenwärtigen Misere geändert. Fortschritte beim Klimaschutz hätte es ebenso wenig gegeben wie bei den Verhandlungen um das Investitionsschutzabkommen, das europäischen Unternehmen besseren Zugang zum chinesischen Markt geben soll. Seit sieben Jahren wird darüber verhandelt. Doch nach wie vor sind sich Europa und China nicht einig.
Zwar brachte die EU am Montag kurz vor der Videokonferenz eine Erfolgsmeldung unter die Leute. Ein Abkommen über den gegenseitigen Schutz geografischer Angaben bei Lebensmitteln wurde unterzeichnet. Es handelt sich um 100 Produkte wie Weine aus Franken und Bier aus München, die in China vor unerlaubter Nachahmung geschützt sind. Im Gegenzug verpflichten sich die Europäer, bestimmte Teesorten und Schnäpse aus China nicht nachzumachen. Doch das ist bestenfalls eine nette Geste, aber noch lange kein Durchbruch. Europa und China sind derzeit nicht kompatibel.
Peking verbittet sich Einmischung
Das liegt in erster Linie an dem aggressiven Auftreten der chinesischen Führung, das mit Einschüchterung, Willkür und Zensur operiert. Peking hat mit dem sogenannten Sicherheitsgesetz für Hongkong und seinem Vorgehen gegen die muslimische Minderheit der Uiguren bewiesen, dass es sich in seine Politik nicht hineinreden lassen will. Schon gar nicht von den Europäern, die zu lange keine gemeinsame China-Politik betrieben haben. Peking hatte vergleichsweise leichtes Spiel mit den Europäern.
Das scheint sich im Zuge der Corona-Pandemie zu ändern. Selbst die Regierungen in Ungarn und Griechenland haben mittlerweile erkannt, dass chinesische Investitionen nicht nur Vorteile bringen, sondern auch Abhängigkeiten schaffen, aus denen man sich nur schwer befreien kann.
Immerhin ist der Lernprozess zumindest im Ansatz zu erkennen. So hat der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell jetzt in einem Aufsatz festgestellt: “Chinas Ziel ist die Umwandlung der internationalen Ordnung in ein selektives multilaterales System mit chinesischen Merkmalen, in dem wirtschaftliche und soziale Rechte Vorrang vor politischen und bürgerlichen Rechten haben.” Deutlicher kann man als Diplomat nicht werden.
Es liegt jetzt an den EU-Regierungen, aus dieser Erkenntnis politisches Handeln abzuleiten. Schließlich gründet Europa auf demokratischen Werten, wie Bundeskanzlerin Merkel und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nicht müde werden zu betonen. Sie haben Recht damit.
EU muss ihre Werte gegenüber China verteidigen
Europa wird sich in der Welt nur behaupten können, wenn es selbstbewusst auftritt und seine Grundwerte überall verteidigt. Gerade deswegen wird ein Hin und Her in der europäischen China-Politik auf Dauer nichts bringen.
Die Bundeskanzlerin hat inzwischen erhebliche Zweifel am Freihandelsabkommen der EU mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten, weil vor allem in Brasilien die Umwelt im Rekordtempo zerstört wird. Das ist tatsächlich ein großes Problem, das gelöst werden muss.
Doch ebenso unakzeptabel ist auch der Umgang der Pekinger Führung mit internationalen Verpflichtungen und den Menschenrechten. Das muss die EU zumindest klar und deutlich ansprechen. Immer wieder.
Vor allem die Bundesregierung ist gefragt. Kein Land in der EU ist wirtschaftlich so eng mit China verbandelt wie Deutschland. Doch ebenso gilt: Kein Land in der EU hat mehr zu verlieren.
Es ist ein Dilemma. Das ist richtig. Aber dieses Dilemma darf nicht als Ausrede gelten, um den Schutz des Regenwaldes am Amazonas über den Schutz der Menschenrechte in China zu stellen. Die Fähigkeit, Weltpolitik zu betreiben, wird Europa nur erreichen, wenn es politisches Multitasking lernt.