Es ist Zeit für eine radikale Verkehrswende im öffentlichen Nahverkehr
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Beam den Bus, Volker Wissing!
© Quelle: picture alliance/dpa
Berlin. Achtung, Historikerwitz: Der Flickenteppich der Verkehrsverbünde in Deutschland erinnert stark an die Karten des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation mit all seinen längst untergegangenen winzigen Fürsten- und Bistümern. Witzig ist es aber nicht mehr, wenn Bahn- und Busanschlüsse über Kreis- und Landesgrenzen nicht funktionieren und es unmöglich ist, in der Fahrkarten-App der Bahn ein Ticket für den Regionalzug einer anderen Verkehrsgesellschaft zu kaufen.
Überhaupt nicht witzig ist zudem, dass zu diesem Flickenteppich ein Förderdschungel gehört, den selbst der Bundesrechnungshof nicht mehr komplett überblicken kann. Zweistellige Milliardenbeträge aus unterschiedlichsten Fördertöpfen fließen ins System. Die Länder legen erstaunlich viel davon auf die hohe Kante, anderes versickert in den Landeshaushalten und bei den Aufgabenträgern.
43 Züge des Modells ICE 3neo für Deutschland
Die Bahn hat die Hochgeschwindigkeitszüge im Detail verbessert und am Dienstag in Berlin unter dem Namen ICE-3neo vorgestellt.
© Quelle: Reuters
Mehr Bundesgeld für Bus und Bahn allein, wie von den Ländern gefordert, wird die Verkehrswende nicht voranbringen. Die Strukturen müssen verändert, Gewohnheiten geschliffen, Denkverbote aufgehoben werden. Es ist doch bezeichnend, dass bei der Bahn-Gewerkschaft EVG (das ist nicht die GDL von Claus Weselsky, also diejenigen, die meist nicht für radikale Schnellschüsse bekannt sind) Forderungen aufstellt, die das ganze System vom Kopf auf die Füße stellen könnten: zentrale Mobilitätsagentur, zentrale Standards, nur noch ein Verkehrsverbund pro Bundesland. Und als Bonus obendrauf die Forderung nach einem 365-Euro-Jahresticket oder gleich kostenlosem Nahverkehr wie in Luxemburg.
41,5 Prozent der Kosten für den ÖPNV werden aus Fahrkartenverkäufen gedeckt, auch das steht im Bericht des Bundesrechnungshofes. Heißt also: mehr als die Hälfte der Kosten für den Verkehr werden heute schon subventioniert. Würden die Milliarden zielführender eingesetzt, ist ein Nahverkehr, den sich jede und jeder leisten kann, in Reichweite.
Vielleicht schaffen wir auch so etwas wie ein Klimaticket für 3 Euro pro Tag wie in Österreich – das muss ja nicht das ganze Land umfassen, aber zumindest eine größere Region. Und ganz vielleicht könnte ein Jahresticket auch Voraussetzung dafür sein, in der Innenstadt einen Anwohnerparkplatz zu beantragen – und somit einen weiteren Anreiz fürs Umsteigen zu geben.