„Es ist dringend“: An Bord von Merkels Pannen-Flug

Das Regierungsflugzeug Airbus A340-300 „Konrad Adenauer“ steht hinter dem Terminal der Flugbereitschaft der Bundeswehr auf dem militärischen Teil des Flughafens Köln-Bonn.

Das Regierungsflugzeug Airbus A340-300 „Konrad Adenauer“ steht hinter dem Terminal der Flugbereitschaft der Bundeswehr auf dem militärischen Teil des Flughafens Köln-Bonn.

Berlin. Am Morgen danach läuft Joachim Sauer wortlos aus dem Bonner Maritim Hotel, steigt in ein Taxi und gibt dem Fahrer eine Anweisung: Innenstadt, am alten Regierungsviertel vorbei, zum Hauptbahnhof. Das Ziel von Angela Merkels Ehemann: Der ICE nach Berlin. Nicht Buenos Aires, nicht das Latin American Art Museum, das für ihn als Programm am Rande des G20-Gipfels in Buenos Aires vorgesehen war.

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Sauer scheut die Öffentlichkeit. Er gibt keine Interviews, spricht nicht mit Journalisten, geht in keine Talkshows. Er begleitet auch nur selten Angela Merkel zu politischen Terminen. Bei Treffen der G20 macht Sauer eine Ausnahme, die Begleitung der Ehepartner ist quasi Teil des Protokolls. Doch die aufwendige Reise nach Argentinien per Linienflug wollte sich Sauer nicht mehr antun. Die Odyssee G20 endet für ihn im Rheinland.

Am Tag danach ist das Unverständnis für den Flugausfall des Regierungs-Airbus eher noch größer geworden, die Fragen mehr. Wie kann es sein, dass die Bundeskanzlerin wegen eines technischen Defekts ein so wichtiges Treffen wie das in Argentinien zur Hälfte verpasst? Wie kam es zu dem technischen Defekt? Warum war so schnell kein Ersatz für Technik und Crew verfügbar? Es sind Fragen, die sich endgültig erst im Laufe der Zeit klären lassen. Schon jetzt steht aber fest: Die kurze Reise mit der Bundeskanzlerin an Bord der „Konrad Adenauer“ war eine der kuriosesten, die Merkel und ihre mitreisenden Reporter während ihrer 13 Jahre als Kanzlerin absolviert haben.

Der letzte Fluggast: Die Bundeskanzlerin

Dabei begann zunächst alles nach Plan. Gegen 18.30 Uhr am Donnerstagabend bestiegen die mitreisenden Journalisten das Flugzeug von der Nordseite des Berliner Flughafens Tegel. Hier ist der unscheinbare militärische Teil Berlin-Tegels, von hier starten die Regierungsmaschinen. Medienvertreter und Delegation fanden ihre Plätze an Bord der „Konrad Adenauer“, darauf lag jeweils ein Beutel mit den notwendigsten Badezimmer-Utensilien für den anstehenden 15 Stunden langen Flug nach Südamerika. Gegen 19 Uhr schallt es durch die Lautsprecher „Boarding completed“: Der letzte Fluggast ist zugestiegen. Die Bundeskanzlerin.

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Gegen 19.30 Uhr kommt Regierungssprecher Steffen Seibert in den hinteren Teil des Flugzeugs, in dem die Journalisten untergebracht sind. Seibert muss in diesem Moment nichts sagen. Seine Anwesenheit bedeutet, dass die Kanzlerin bereit ist zum Hintergrundgespräch. Im Konferenzraum im mittleren Bereich des Flugzeugs ist der Treffpunkt. Der Raum ist wenige Quadratmeter groß, in U-Form sind drei Sitzbänke angeordnet, über einer der Bänke zeigt ein Monitor die aktuelle Flugposition. Als Merkel den Raum betritt und an der Stirnseite Platz nimmt, befindet sich der Flieger über dem Ruhrgebiet. Auch Olaf Scholz kommt zu dem Hintergrundgespräch und setzt sich neben die Kanzlerin.

Lesen Sie auch: So erklärt die Luftwaffe die Probleme an Bord von Merkels Maschine

Bei diesen Gesprächen wird Vertraulichkeit vereinbart. Die Kanzlerin teilt ihre Einschätzung zu den anstehenden Gesprächen mit Donald Trump und Wladimir Putin, aber sie darf nicht zitiert werden. Es ist eine akzeptierte Regel, weil sie eine offenere Debatte ermöglicht und Merkel nicht fürchten muss, mit einem gesprochenen Satz eine internationale Provokation auszulösen. An diesem Donnerstagabend aber geschieht etwas Außergewöhnliches. In dem Moment, als Merkel gerade seit wenigen Minuten spricht, öffnet sich die Tür. Eine Flugbegleiterin ruft Merkel zu sich. "Es ist dringend".

Die Maschine kehrt zum Flughafen Köln/Bonn um

Minuten später wird das Gespräch abgebrochen, die Durchsage ist eindeutig. Wegen technischer Probleme wolle man „nicht den Atlantik überqueren“, eine akute Gefahr bestehe aber nicht. Die Maschine kehrt zum Flughafen Köln/Bonn um. Bald ist klar, dass die Reise nicht weitergehen kann. Nun beginnt der skurrile Teil der Reise.

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Das neue Ziel ist nun das Bonner Maritim-Hotel – statt Buenos Aires. Merkels Delegation bemüht sich parallel darum, die schnellste Möglichkeit zur Weiterreise zu organisieren. Es ist eine Kombination aus Luftwaffe und Ferienflieger: Zunächst soll es am Freitagmorgen mit der Bundeswehr nach Madrid gehen, dann mit einer Iberia-Linienmaschine weiter nach Buenos Aires. Die Verspätung im Bestfall: 12 Stunden. Statt um sechs Uhr am Morgen wird Merkel nun am Freitagabend ankommen. Fast alle bilateralen Gespräche müssen neu geplant werden oder werden ausfallen. Darunter das mit US-Präsident Donald Trump, in dem wesentliche Details über Autozölle und Handelsfragen besprochen werden sollten.

Merkel, Scholz und Seibert beraten sich bei belegten Brötchen

Am Donnerstagabend hatte die Crew des Maritim-Hotels für die gestrandete Delegation in Eile den Frühstücksraum vorbereitet für einen unerwarteten Abend-Snack. Bei belegten Brötchen mit Salami und Käse berieten Merkel, Finanzminister Olaf Scholz sowie Regierungssprecher Steffen Seibert, was von der verkorksten Reise noch gerettet werden könne.

Gerade 15 Plätze konnte sich die Regierung noch auf dem Flug nach Buenos Aires mit Iberia sichern. Nur die wichtigsten Delegationsmitglieder konnten mitreisen. Immerhin: Am Freitagmorgen startete diese Maschine aus Madrid, sie soll mit nur vier Minuten Verspätung in Buenos Aires landen. Es war die beste Nachricht auf eine Reise, über die noch lange geredet werden dürfte.

Lesen Sie auch den Kommentar: Merkels Flugzeug-Panne muss Konsequenzen haben

Von Gordon Repinski/RND

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