Merz warnt: Nicht alle an Leben ohne Arbeit gewöhnen - Kritik folgt via Twitter
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CDU-Politiker Friedrich Merz sorgt mit gleich mehreren Äußerungen für Unmut.
© Quelle: imago images/Reichwein
Berlin. Der für den Parteivorsitz kandidierende CDU-Politiker Friedrich Merz geht anscheinend davon aus, dass sich viele erwerbsfähige Menschen während der Corona-Krise an ein Leben ohne Arbeit gewöhnt haben. “Wir müssen ein bisschen aufpassen, dass wir uns nicht alle daran gewöhnen, dass wir ohne Arbeit leben können”, sagte der frühere Aufsichtsratschef des US-Vermögensverwalters Blackrock am Sonntagabend im “Bild”-Politiktalk “Die richtigen Fragen”. “Wir müssen zurück an die Arbeit.”
Die Auswirkungen der Corona-Pandemie am Arbeitsmarkt sind Experten zufolge stärker als in der Finanzkrise 2008 und 2009. Seit März 2020 wurden bundesweit mehr als 600.000 Menschen arbeitslos. Im April waren rund 6 Millionen Beschäftigte in Kurzarbeit - ein Rekord. Die Wirtschaftsleistung ist wegen des Lockdowns im Frühjahr eingebrochen, im Gesamtjahr rechnet die Bundesregierung mit einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts von 5,8 Prozent - das wäre der bisher schwerste Einbruch in der Nachkriegsgeschichte.
Merz ließ im “Bild”-Talk durchblicken, dass aus seiner Sicht vor allem Lehrkräfte ohne triftigen Grund nicht mehr zum Schulunterricht erscheinen. “Es bleiben einfach zu viele Lehrer zu Hause”, sagte er. Wer nicht ernsthaft erkrankt sei, müsse auch in die Schule kommen. “Wir brauchen das System Schule - das muss funktionieren, auch in Corona-Zeiten.”
Nach Wochen des Heimunterrichts und der Ferien war zuletzt der Start des vollen Präsenzunterrichts vor allem für Lehrer aus Risikogruppen problematisch. Bundesbildungsministerin Anja Karliczek, wie Merz CDU-Politikerin, hatte sich im August dafür ausgesprochen, Lehrkräfte keinen unzumutbaren Belastungen auszusetzen.
Kritik folgt via Twitter
Etliche Politiker kritisierten Merz scharf für seine Aussagen. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) etwa schrieb auf Twitter: “Mit #Kurzarbeit sichern wir Millionen von Arbeitsplätzen in der Corona-Krise und stabilisieren die gesamtwirtschaftliche Nachfrage. Und dieser Mann hat entweder ökonomisch keine Ahnung oder ist sozial zynisch. Oder beides.”
Der Linken-Parteichef Bernd Riexinger schrieb: “#Merz fürchtet, dass die Arbeitsmoral einbricht. Ganz Unrecht hat er ja nicht. Die riesigen Einkommen in den Spitzenetagen stehen in keinem Verhältnis mehr zu realer Leistung. Für die wahre Leistung der Normalverdiener hat Friedrich #Merz aber schon lange den Blick verloren!”
Deutlich wurde auch die frühere Fraktionsvorsitzende der Linken, Sahra Wagenknecht: “Wir müssen zurück an die Arbeit? Ist das Zynismus oder peinlicher Realitätsverlust?”, fragte sie - ebenfalls auf Twitter. Offenbar sei Merz von Leuten umgeben, die fürs Nichtstun Dividenden kassierten oder “deren ‘Arbeit’ darin besteht, auf Lobbyistentreffen Häppchen zu verspeisen”, so die Bundestagsabgeordnete.
Und der finanzpolitische Sprecher der Linken im Bundestag, Fabio de Masi, schrieb: “Der merkt nichts mehr”.
Zuvor war Merz bereits für seine Aussagen zu einem möglichen homosexuellen Kanzler massiv in die Kritik geraten.
RND/dpa/cz