Grünen-Umweltpolitiker lehnt Aussetzung der Stilllegung landwirtschaftlicher Flächen ab
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Laut neuen EU-Umweltregeln sollen 4 Prozent der Ackerfläche nicht mehr bewirtschaftet werden, um dort etwa mit Brachflächen, Blühstreifen oder Hecken dem Artensterben etwas entgegenzusetzen. Die EU-Kommission will diese Vorgabe nun wegen des Kriegs in der Ukraine aussetzen. Die Grünen sind dagegen.
© Quelle: Bernd Weißbrod/dpa
Berlin. Der Grünen-Umweltpolitiker Jan-Niclas Gesenhues hat statt einer Aussetzung der Stilllegung landwirtschaftlicher Flächen, die Reduzierung von Getreide in der Futterversorgung und ein Ende des Biospriteinsatzes gefordert. „Die wenigen Rückzugsflächen für die Artenvielfalt dürfen nicht auch noch in die intensive Bewirtschaftung kommen. Deswegen müssen wir an den Stilllegungen festhalten“, sagte der umweltpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
„60 Prozent der Getreideernte landet in der Futterversorgung für die Fleischproduktion. Das muss dringend reduziert werden“, verlangte er. „Hinzu kommt, dass 5 Prozent der Ackerfläche in Deutschland im Tank landet. Der Einsatz von Agrokraftstoffen muss schnellstmöglich beendet werden.“
Das Argument, man könne durch Produktion auf Brachflächen das Ernährungsproblem auf der Welt wirklich lindern, sei falsch. Der Grünen-Politiker sieht keinen Lebensmittelmangel, sondern ein Verteilungsproblem: „Weltweit stehen eigentlich ausreichend Nahrungsmittel zur Verfügung, aber wir haben ein massives Verteilungsproblem“, kritisierte er. Eine Aussetzung der Stilllegungen wäre „ein weiterer Schlag ins Kontor des Naturschutzes“.
Die EU-Kommission hatte als Reaktion auf drohende Lebensmittelengpässe infolge des Krieges in der Ukraine vorgeschlagen, für ein Jahr Ausnahmen von der geplanten Stilllegung von 4 Prozent der Ackerfläche zu machen. Die Umsetzung liegt bei den Mitgliedstaaten. Eigentlich war geplant, die Flächen aus der Produktion zu nehmen, um Klima und Umwelt zu schützen. Die Agrarminister von Bund und Ländern konnten zum EU-Vorschlag lange keinen Konsens finden, auch weil Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) die Aussetzung kritisch sah. Nun hat Özdemir aber einen Umsetzungsvorschlag gemacht, der ein Aussetzen von Fruchtwechsel und Flächenstilllegung vorsieht.
Nach Ministeriumsangaben soll die erstmalige verpflichtende Flächenstilllegung im kommenden Jahr einmalig ausgesetzt werden. Stattdessen solle weiter ein landwirtschaftlicher Anbau möglich sein, „allerdings im Sinne der Ziele des Kommissionsvorschlags eingeschränkt auf die Produktion von Nahrungsmitteln, daher auf die Kulturen Getreide (ohne Mais), Sonnenblumen und Hülsenfrüchte (ohne Soja)“, hieß es. Das gelte nur für die Flächen, die nicht bereits 2021 und 2022 als brachliegendes Ackerland ausgewiesen gewesen seien. Zudem ist die EU den Angaben zufolge Özdemirs Vorschlag gefolgt und lässt eine Ausnahme beim Fruchtfolgenwechsel zu. Die entsprechende Regelung werde 2023 einmalig ausgesetzt. Damit könnten Landwirte in Deutschland auf etwa 380.000 Hektar ausnahmsweise Weizen nach Weizen anbauen.
Umweltpolitiker Gesenhues ist besorgt, dass die Artenvielfalt wegen der Aussetzung in Gefahr ist. „Der Anteil an Brachflächen in Deutschland lag noch in den 1990er-Jahren bei über 12 Prozent der Ackerfläche, jetzt sind wir nur noch bei etwas mehr als 3 Prozent“, sagte er. „Kein Wunder, dass Insekten- und Vogelbestände auf unseren Äckern im freien Fall sind. Deutschland muss die letzten Rückzugsräume der Artenvielfalt schützen.“ Er forderte beim Thema Biosprit Flexibilität von der FDP: Der Vorschlag der Grünen liege seit Wochen auf dem Tisch. „Die FDP sollte sich da bewegen, erst recht in einer solchen Ausnahmelage, wie wir sie derzeit haben.“
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