Gruppe S.: Entschieden gegen Rechtsterror

Am Tag nach der Zerschlagung einer mutmaßlichen rechten Terrorzelle sind die ersten Festgenommenen in Karlsruhe zu Haftrichtern des Bundesgerichtshofs (BGH) gebracht worden.

Am Tag nach der Zerschlagung einer mutmaßlichen rechten Terrorzelle sind die ersten Festgenommenen in Karlsruhe zu Haftrichtern des Bundesgerichtshofs (BGH) gebracht worden.

Berlin. Es ist unverzeihlich, wenn 75 Jahre nach dem Ende der NS-Diktatur gewaltbereite Rechtsextremisten in Deutschland politische Gegner, Ausländer und Andersgläubige töten wollen. Wenn Menschen aufgrund von Hautfarbe, Religion oder Herkunft um ihr Leben fürchten müssen. Wenn in rechten Zirkeln Putschfantasien kreisen. Wirklich überraschend ist das alles aber nicht.

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Die Gruppe S., deren Mitglieder seit einigen Tagen in Untersuchungshaft sitzen, weil sie mutmaßlich in zehn Bundesländern Massaker in Moscheen verüben wollten, markiert nur die Spitze des Eisberges.

Der NSU konnte zu lange unbemerkt morden

Schon lange bilden sich in der rechten Szene militante, vernetzte Zellen heraus, die den “führerlosen Umsturz” planen. Mit brutaler Entschlossenheit und Ausdauer hatte der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) über Jahre – viel zu lange ignoriert und verharmlost – Bomben und Sprengsätze platziert, Banken ausgeraubt und neun ausländische Bürger hingerichtet.

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Vor gut einem Jahr plante die Gruppe Revolution Chemnitz am Tag der Deutschen Einheit in Berlin den Umsturz. Ausländer, Politiker und Journalisten sollten ermordet werden.

Das Ziel dieser rechten Terrorzellen ist immer das Gleiche: Deutschland soll “ausländer-, juden- und muslimfrei” werden. Im Sinne der NS-Ideologie fantasieren ihre Mitglieder von Odin und Walhall, verdammen die Demokratie und träumen von der Wiederauferstehung Großdeutschlands. Einige nennen sich in Anlehnung an rechte Schlägertrupps der Weimarer Republik Freikorps Deutschland. Allen ist die Furcht gemeinsam, ein großer “Austausch” könne Deutschland den “Volkstod” bescheren.

Der “Tag X” soll den Auftakt zum Umsturz markieren

Um die kruden Ziele zu erreichen, arbeiten die Rechtsterroristen auf einen “Tag X” hin, auf einen Moment größter Verunsicherung, den sie selbst auslösen wollen und der es ihnen ermöglichen soll, das bestehende System aus den Angeln zu heben.

In Mecklenburg-Vorpommern sammelte die Gruppe Nordkreuz vor den Razzien der Bundesanwaltschaft Munition und Waffen, bestellte Löschkalk und Leichensäcke. Ehemalige Elitesoldaten der Bundeswehr und SEK-Polizisten besorgten sich Passierscheine der Bundeswehr. Freie Fahrt sollte es nur für den geben, der nicht auf einer sogenannten Todesliste stand. Alle anderen sollten sterben.

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Die Pläne sind keine Hirngespinste

Dass es sich dabei nicht um Hirngespinste durchgeknallter Irrer handelt, belegt die jüngste Vergangenheit. In Kassel erschoss ein Neonazi im vergangenen Juni Regierungspräsident Walter Lübcke. In Halle scheiterte ein Rechtsterrorist bei dem Versuch, am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur möglichst viele Besucher einer Synagoge zu ermorden. Aus Frust erschoss er später eine Passantin und den Gast eines Imbisses.

Das Bundesinnenministerium gibt die Zahl rechtsextremer Gefährder aktuell mit 53 an. Die Dunkelziffer dürfte viel höher liegen.

Sicherheitsbehörden sprachen lange von Einzelfällen

Noch zu Zeiten von Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen wäre es den Experten der Behörde vermutlich schwerer gefallen, mit Warnungen vor rechten, gewaltbereiten Netzwerken durchzudringen. Immer wieder war nur von Einzelfällen die Rede. Der NSU wurde jedenfalls in der offiziellen Darstellung der Behörden auf ein Kerntrio von drei Mitgliedern geschrumpft. Dabei konnte jeder wissen, dass das Umfeld aus Hunderten von Personen bestanden hat.

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Mit der Demission Maaßens im Herbst 2018 wurde ein Paradigmenwechsel an der Spitze des Verfassungsschutzes eingeleitet. Der Inlandsgeheimdienst hat die neu formierte Gruppe S. seit ihrer Gründung im September 2019 hautnah verfolgt und einen V-Mann im Umfeld platziert. Bevor die Rechtsterroristen zuschlagen konnten, landeten sie hinter Schloss und Riegel.

Die Demokratie muss sich wehrhaft zeigen

In einer Gesellschaft, die insgesamt deutlich nach rechts rückt und in der Parteien wie die AfD das politische Klima systematisch vergiften, stimmt der jüngste Fahndungserfolg verhalten optimistisch. Nur wenn sich die Demokratie wehrhaft zeigt, hat sie eine reelle Überlebenschance.

Das heißt aber noch lange nicht, dass mit dem Schlag gegen die Gruppe S. die Arbeit schon am Ende wäre. Im Gegenteil: Aufklären und Aufräumen haben gerade erst begonnen.

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