Entlastungen: Worüber der Bund streitet – und was die Länder vorschlagen
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Im Oktober wird die Gasumlage umgesetzt. (Archivfoto)
© Quelle: Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa
Berlin. Die Debatte um Entlastungen nimmt weiter an Fahrt auf. Nicht nur die Ampelparteien streiten über mögliche Maßnahmen, die die steigenden Energiepreise und die Inflation abfedern sollen, auch die Länder haben Vorschläge.
So forderte nun Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) die Bundesregierung auf, bei Entlastungen insbesondere die einkommensschwachen Haushalte in den Blick zu nehmen. „Die neuen Entlastungspläne von Bundesfinanzminister Christian Lindner gehen in die richtige Richtung, weil sie der breiten Mitte helfen“, sagte Rhein dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Mit einem ‚Inflationsausgleichsgesetz‘ zu verhindern, dass sie über die kalte Progression zusätzlich belastet werden, ist deshalb wichtig“, betonte er. „Ich glaube aber, dass das nicht ausreicht. Deshalb muss die Bundesregierung die Menschen mit niedrigem Haushaltseinkommen ganz besonders in den Blick nehmen und im wahrsten Sinne des Wortes hilfsbereit bleiben.“
Rhein: Steigende Preise treffen vor allem Einkommensschwache
Besonders einkommensschwache Haushalte spürten die steigenden Preise. „Denn wenn die Inflation weiter steigt, sind diese Menschen besonders betroffen, weil sie einen erheblich größeren Anteil ihres Geldes zum Beispiel für Gas und Lebensmittel ausgeben müssen“, fügte Rhein hinzu.
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Die Inflation sorgt für teilweise doppelt so hohe Preise in den Supermärkten. Das trifft besonders Hartz-IV-Empfänger und ‑Empfängerinnen schwer, die sich jetzt neue Überlebensstrategien mit dem wenigen, zur Verfügung stehenden Geld überlegen müssen.
Lindner will kalte Progression abbauen
Die Pläne von FDP-Politiker Lindner zielen auf einen Abbau der sogenannten kalten Progression. Damit ist eine Art schleichende Steuererhöhung gemeint, wenn Gehaltserhöhungen durch die Inflation aufgefressen werden, aber dennoch zu einer höheren Besteuerung führen.
Lindner will die Inflationsgewinne des Staates bei der Einkommensteuer an die Steuerzahlenden zurückgeben. Zusätzlich zu einer Anpassung des Einkommensteuertarifs sollen nach Lindners Vorstellungen auch das Kindergeld und der Kinderfreibetrag erhöht werden. Prozentual werden Geringverdiener in dem Vorschlag deutlich stärker entlastet als Topverdiener – in absoluten Zahlen sieht das aber anders aus.
Die beiden Koalitionspartner Grüne und SPD halten das Steuerpaket für sozial unausgewogen. „Milliardensteuererleichterungen, von denen viel Verdienende absolut gesehen dreimal so stark profitieren wie weniger Verdienende – das ist nicht auf der Höhe der Zeit“, sagte Grünen-Finanzpolitikerin Katharina Beck dem RND. „Andersrum wäre es richtig: Starke Schultern müssten mehr tragen als Einkommensschwache und nicht überproportional entlastet werden“, mahnte sie.
Die SPD nannte die Vorschläge des Finanzministers noch verbesserungsbedürftig. „Ein weiterer kräftiger Entlastungsimpuls bis in die Mitte der Gesellschaft ist richtig und notwendig, sollte aber vor allem auf Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen zielen“, sagte der SPD-Bundestagsfraktionsvize, Achim Post, der Nachrichtenagentur Reuters. Grundsätzlich fordern die Parteispitzen von Grünen und SPD die schnelle Umsetzung eines weiteren Entlastungspaketes noch im Herbst. Es wurden auch Einmalzahlungen ins Spiel gebracht.
Unterstützung erhielt Lindner von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Sein Sprecher betonte gleichwohl, die Pläne seien Teil eines Gesamtkonzepts, das angesichts immenser Kostensteigerungen etwa für Energie in den nächsten Wochen entwickelt werden solle. Das Konzept werde so entwickelt, dass es vom Kabinett die nötige Unterstützung finde. Scholz kündigte bereits vor wenigen Wochen eine Reform des Wohngeldes zum nächsten Jahr an.
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© Quelle: RND
Doch die Zeit drängt. Im Oktober soll die Gasumlage eingeführt werden. Sie soll Gasimporteuren zugute kommen, die zu hohen Preisen Ersatz für ausbleibende Gasmengen aus Russland kaufen müssen. Wie hoch sie ausfällt, wird am kommenden Montag bekannt gegeben werden.
Die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger schlug vor, die Mehrwertsteuereinnahmen aus der Gasumlage an ärmere Haushalte weiterzugeben. „Wenn es so ist, dass die Mehrwertsteuer auf die Gasumlage rechtlich unumgänglich ist, dann sollten die Einnahmen daraus als monatliches Energiegeld an einkommensschwache Gruppen ausgeschüttet werden“, sagte die SPD-Politikerin der Funke-Mediengruppe. „So würden wir die notwendige Gasumlage auch sozial austarieren, weil kleine Einkommen etwas zurückbekommen und große Einkommen nicht.“ Noch ist ungeklärt, ob das EU-Recht einen Verzicht auf die Mehrwertsteuer zulässt, so wie es Finanz- und Wirtschaftsministerium eigentlich möchten.
mit dpa
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