Ampel und Union wollen Sondervermögen für Bundeswehr schnell umsetzen – Linkspartei lehnt ab
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Tornado-Kampfflugzeuge der Bundesluftwaffe fliegen in Formation auf dem Rückflug aus dem Irak. (Symbolbild)
© Quelle: -/Luftwaffe /dpa
Berlin. Das geplante Sondervermögen für die Bundeswehr könnte nach den Worten von CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt noch in dieser Woche unter Dach und Fach gebracht werden. „Es gibt die Möglichkeit, dass wir noch in dieser Woche das Gesetzgebungsverfahren abschließen“, sagte er am Montag im ZDF-„Morgenmagazin“. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) sagte in derselben Sendung: „Das kann sehr schnell jetzt gelingen, denn die wesentlichen Punkte sind vereinbart.“
Dann werde auch die Liste mit den genauen Bestellvorhaben für Panzer, Flugzeuge, Schiffe und andere Bundeswehr-Ausrüstungen öffentlich werden, die Teil des Gesetzgebungsverfahrens sei, erklärte Dobrindt. Sie umfasst Lambrecht zufolge die ganze Bandbreite: Sie sprach von Nachtsichtgeräten, Funkgeräten bis hin zu schweren Transporthubschraubern. Allein an Munition gebe es für die Verpflichtungen in der Nato Bedarf im Volumen von 20 Milliarden Euro. „Wir können jetzt auch loslegen, wenn dieses Sondervermögen zur Verfügung steht“, sagte die SPD-Politikerin.
Das Nato-Ziel, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung aufzuwenden, soll dabei nicht im Grundgesetz, sondern in einem separaten Ertüchtigungsgesetz geregelt werden. Es muss nicht jedes Jahr erfüllt werden, wie beide Politiker erläuterten, sondern im Durchschnitt von jeweils fünf Jahren. Damit soll beispielsweise dem Rechnung getragen werden, dass Anschaffungen in einem Jahr getätigt werden könnten, aber erst im Folgejahr zu Buche schlagen. „Das kann mal mehr sein, das kann mal weniger sein“, erklärte Lambrecht.
Baerbock stellt „größere Summe“ für Cyberabwehr in Aussicht
Außenministerin Annalena Baerbock hat die Einigung auf Grundzüge des geplanten 100-Milliarden-Euro-Sondervermögens für die Bundeswehr begrüßt. Es sei „ein guter Kompromiss, wo wir dafür sorgen, dass sich die Nato auf uns verlassen kann“, sagte die Grünen-Politikerin am Montag im Deutschlandfunk. Zugleich habe man „die große Herausforderung von Cyberabwehr, die wir ebenfalls massiv angehen müssen“, gesetzlich verankert. Baerbock erläuterte, zum Thema Cyberabwehr werde im Rahmen der nationalen Sicherheitsstrategie ein gemeinsames Konzept erarbeitet. Dafür würden „natürlich auch Geldmittel - und zwar in größerer Summe“ zur Verfügung gestellt.
Die Außenministerin betonte, man habe in den letzten Wochen festgestellt, „dass wir mit Blick auf die Wehrhaftigkeit und vor allen Dingen unsere Bündnisfähigkeit (...) massive Lücken haben“. „Und dass wir schnellstmöglich, um das Vertrauen (...) im Bündnis sicherzustellen, an unserer Verteidigungsfähigkeit arbeiten müssen.“ Deswegen müssten die nächsten Jahre dafür genutzt werden, die Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit aufrecht zu erhalten. „Das war mir wichtig, das im Grundgesetz entsprechend zu verankern. Und zugleich haben wir die Cyberabwehrfähigkeit im Ertüchtigungsgesetz verankert“, sagte Baerbock.
„Wettiner Heide“: Nato hält großes Manöver in Niedersachsen ab
Rund 7500 Soldatinnen und Soldaten aus neun Ländern nehmen an der militärischen Übung „Wettiner Heide“ teil.
© Quelle: Reuters
Innenministerin: Investitionen in Cybersicherheit deutlich erhöhen
Bundesinnenministerin Nancy Faeser hatte nach der Einigung für kommende Jahre auch mehr Geld für die Cybersicherheit in Aussicht gestellt. „Sichere digitale Systeme, Prozesse und Strukturen sind lebenswichtig für unseren wehrhaften Staat“, sagte die SPD-Politikerin dem „Handelsblatt“. Deshalb sorge die Ampel-Koalition dafür, dass Investitionen in die Cybersicherheit in den nächsten Bundeshaushalten weiter „deutlich“ erhöht würden. „Das hat besonders hohe Priorität für mich.“
„Welche Maßnahmen wir zusätzlich treffen, werde ich noch vor der Sommerpause mit meiner Cybersicherheitsstrategie vorstellen“, sagte Faeser. Dazu gehöre unter anderem, dem Bund die führende Rolle in der Cybersicherheit zu geben und dies auch im Grundgesetz zu verankern. „Denn komplexen Cybergefahren müssen wir über Landesgrenzen hinweg mit dem Know-how begegnen, das wir im Nationalen Cyberabwehrzentrum und beim Bundesamt für die Sicherheit in der Informationstechnik bündeln.“
FDP-Generalsekretär: „großer Erfolg für Christian Lindner“
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sprach mit Blick auf die Einigung von einem „großen Erfolg für Christian Lindner und die FDP“. Man habe zwei Ziele erreicht: Wichtige Investitionen für die Zukunft der Bundeswehr sowie die Einhaltung der Schuldenbremse. „Es freut mich dabei insbesondere, dass klar ist, diese Mittel werden eins zu eins in die Bundeswehr fließen“, sagte Djir-Sarai am Montag im Hans-Dietrich-Genscher-Haus. Dies sei ein „einmaliger finanzieller Kraftakt“. Zudem sende man ein „starkes Zeichen nach innen und nach außen“, da man sich auf die Einhaltung des Zwei-Prozent-Ziels der Nato geeinigt habe. „Der Begriff der ‚Zeitenwende‘ wird nun mit Leben gefüllt.“
Auch Finanzminister Christian Lindner (FDP) stellte die Einhaltung des Nato-Ziels in Aussicht. Danach aber brauche es eine Anschlussregelung, sagte Lindner am Montag in Berlin. Diese solle sich an den Fähigkeitszielen der Nato orientieren. „Das was erforderlich ist, wird dann zur Verfügung gestellt.“ Wie viel das sei, werde man „in einigen Jahren“ wissen.
Unionsfraktionsvorsitzender Friedrich Merz (CDU) ist der Ansicht, dass Deutschland auch über das 100-Milliarden-Sondervermögen für die Bundeswehr hinaus mindestens das Zwei-Prozent-Ziel der Nato einhalten werden muss. „Wir werden das Zwei-Prozent-Ziel oder mehr aus dem Bundeshaushalt in den Jahren nach der Erschöpfung dieses Sondervermögens bereitstellen, um die Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland und seiner Verbündeten herzustellen“, erklärte Merz am Montagnachmittag in Berlin.
Mützenich kritisiert Zwei-Prozent-Ziel der Nato: „Abstruse Kennziffer“
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hat sich kritisch zu einem fixen Zwei-Prozent-Ziel bei den Verteidigungsausgaben geäußert und betont, dass der Bundestag über den Haushalt entscheidet. Er sprach am Montag im Deutschlandfunk von einer Unionsforderung, „eine vollkommen abstruse Kennziffer ins Grundgesetz festzuschreiben, um nachfolgenden Generationen aufzuerlegen, immer zwei Prozent zu erreichen“ - dies sei „vollkommen falsch“.
Lindner zum Sondervermögen für die Bundeswehr: „Kein Aufweichen der Schuldenbremse“
Die Bundesregierung hat sich auf das 100 Milliarden Euro schwere Sondervermögen für die Bundeswehr geeinigt.
© Quelle: Reuters
Mützenich betonte: „Wir haben eine wichtige Entscheidung diese Nacht getroffen, 100 Milliarden in die Hand zu nehmen, ich würde mal sagen für die nächsten vier, fünf Jahre, was dann diesen zusätzlichen Aufwuchs zum Verteidigungshaushalt auch sicherstellt, um große Investitionen auf den Weg zu bringen.“ Und dann müsse man sich „einfach nochmal vor Augen führen, was ist zusätzlich notwendig“
Grünen-Chef Omid Nouripor zeigte sich ebenfalls zufrieden über die Absprachen zur Stärkung der Cybersicherheit gezeigt. Seine Partei werde sehr genau darauf achten und sich dafür einsetzen, dass es so schnell wie möglich eine Cyberstrategie gebe, damit klar sei, wie viel Geld in diesem Bereich benötigt werde, sagte Nouripour am Montag in Berlin. „Denn wenn wir das Geld in die Bundeswehr stecken, aber unsere Krankenhäuser beispielsweise nicht geschützt sind vor Hackerangriffen, werden wir große Sicherheitslücken haben, die wir uns nicht leisten können.“
Union will nun zustimmen – Linke unterstreicht Ablehnung des Sondervermögens
Die Unionsfraktion will im Bundestag der Vereinbarung mit der Koalition über das Sondervermögen zur besseren Ausstattung der Bundeswehr zustimmen. Die einstige Drohung von Fraktionschef Friedrich Merz, nur die nötigen Stimmen für eine Zweidrittelmehrheit beizusteuern, aber ablehnende Stimmen aus den Reihen der Koalition nicht auszugleichen, habe sich erübrigt, sagte der Verhandlungsführer der Unionsfraktion, Mathias Middelberg (CDU), dem „Handelsblatt“. Er fügte hinzu: „Es besteht der gemeinsame Wille, das Verfahren in dieser Woche abzuschließen.“
Die Linksfraktion hat angekündigt, das von Koalition und Union vereinbarte Sondervermögen zur besseren Ausstattung der Bundeswehr im Bundestag abzulehnen. Die Linke werde „eine entsprechende Grundgesetzänderung nicht mittragen“, sagte Fraktionschef Dietmar Bartsch den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Die Bundeswehr habe zuallererst ein Beschaffungsproblem. „Angemessene Ausstattung der Bundeswehr für ihren grundgesetzlichen Auftrag ja, Aufrüstung nein.“ Stattdessen forderte Bartsch ein Sondervermögen zum Kampf gegen Kinderarmut.
Die Union und die Koalition hatten sich am späten Sonntagabend nach wochenlangem Ringen auf die gesetzlichen Grundlagen für das geplante Sondervermögen geeinigt. Damit gibt es im Grundsatz grünes Licht für Waffenbestellungen bei der Rüstungsindustrie in großem Stil.
RND/sic/dpa