Eine Frage des Geschlechts

Die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock soll ihre Partei als Kanzlerkandidatin in die Bundestagswahl führen.

Die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock soll ihre Partei als Kanzlerkandidatin in die Bundestagswahl führen.

Liebe Leserin, lieber Leser,

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stellen Sie sich vor, Robert Habeck wäre Grünen-Kanzlerkandidat geworden und Männer hätten gefragt, ob sie nun Habeck wählen müssten, weil er ein Mann ist. Aus Solidarität. Oder so. Jedenfalls nicht, weil er vielleicht auch was auf dem Kasten hat. Absurd, oder?

Oder Habeck wäre immer wieder gefragt worden, ob er Kanzlerkandidat wurde, weil er ein Mann ist und seine Partei Männer bevorzugt. Wie hätte das gewirkt? Habeck wäre als das behandelt worden, was ihm am wenigsten gerecht würde: als das schwache Geschlecht.

Umgekehrt funktionieren diese Reflexe im Fall von Annalena Baerbock immer noch recht gut. Selbst nach fast 16 Jahren, in denen mit Angela Merkel eine Frau dieses Land regiert und sich in der ganzen Welt Respekt verschafft hat.

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Entscheidung der Grünen gefallen: Annalena Baerbock wird Kanzlerkandidatin
19.04.2021, Berlin: Die Gr��nen-Vorsitzende Annalena Baerbock (l) soll ihre Partei als Kanzlerkandidatin in die Bundestagswahl f��hren. Der Bundesvorstand der Gr��nen nominierte sie am Montag f��r den Spitzenposten. Der Bundesvorstand trifft die Vorentscheidung, die dann noch von einem Parteitag best��tigt werden muss, der vom 11. bis 13. Juni stattfindet. Rechts Robert Habeck, Bundesvorsitzender von B��ndnis 90/Die Gr��nen. Foto: Kay Nietfeld/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Die Co-Vorsitzende der Grünen geht als Spitzenkandidatin in den Wahlkampf. Ihr Partner im Parteivorsitz, Robert Habeck, will ihr zur Seite stehen.

Feministinnen werfen die Frage auf, ob sie als Frau nun Baerbock wählen müssten. (Nein, müssen sie nicht). Und Politiker und Journalisten fragen gern, was Baerbock jetzt genau befähige. Subtext: Kann die das? Sie ist es doch nur geworden, weil sie eine Frau ist.

Das ist doppelt komisch, weil Frauen jahrzehntelang auch deshalb etwas nicht geworden sind, weil sie Frauen waren. Weil man ihnen etwas nicht zugetraut hat, weil sie keine Netzwerke, aber Kinder hatten. Weil sie als das „schwache Geschlecht“ galten.

Den größte Argwohn gegen Baerbock hegen aber Konkurrenten anderer Parteien, weil sie noch keine Regierungserfahrung hat. Aus der Opposition direkt ins Kanzleramt? Da haben sie einen Punkt. Dafür müsste man und frau sich wappnen. Das wäre eine gigantische Herausforderung.

Interessant nur, dass das etwa im Zusammenhang mit dem CDU-Politiker Friedrich Merz nie eine Rolle spielt. Er war zwar Unionsfraktionschef. Aber das ist 20 Jahre her und Minister oder Ministerpräsident war er auch nie. Dass er sich für kanzlertauglich hält, ist keine Frage.

Friedrich Merz.

Friedrich Merz.

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Bei einer Auslandsreise mit Merkel 2019 war in der prominent besetzten Wirtschaftsdelegation bereits ein Thema, wen die Grünen zwei Jahre später in dieses härteste aller Politikerrennen in Deutschland schicken könnten. Sie hätten Baerbock und Habeck persönlich in Gesprächen erlebt, erzählten CEOs. Einer gab einen Tipp ab: Es werde Baerbock. Warum? „Ihre Härte.“ Er hat recht behalten.

Ob das aber auch bis zur Bundestagswahl hält, ist völlig offen. Jetzige Umfragewerte – für die Grünen glänzend, für die Union niederschmetternd und für die SPD konstant schlecht – sagen nichts über die Stimmung im September aus. Und die Kanzlerkandidaten Armin Laschet (Union) und Olaf Scholz (SPD) haben schon viele Krisen in ihren Regierungsämtern überstanden.

Forsa-Umfrage: Grüne jetzt stärkste Kraft – Union stürzt nach Laschet-Entscheidung auf 21 Prozent ab

Nach der Ausrufung von Annalena Baerbock und Armin Laschet als Kanzlerkandidaten von Grünen und Union sind die Forsa-Umfragewerte von CDU und CSU eingebrochen.

Fest steht nur dies: Es wird ein spannender Wahlkampf, und um das Kanzleramt kämpfen zwei Männer und auch eine Frau. Ganz einfach. Und den Sieg muss man nicht einmal gendern: Gewinnen wird der oder die Beste.

 

Wahlkampfsprech – Deutsch: Was Politiker wirklich sagen

Der heutige Tag ist für mich ein Tiefpunkt in der föderalen Kultur der Bundesrepublik Deutschland.

Reiner Haseloff (CDU), Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt

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Haseloffs Botschaft im Bundesrat zur Verschärfung des Infektionsschutzgesetzes: Die Bundesnotbremse mit Ausgangsbeschränkungen und sonstigen Entbehrungen in der Corona-Pandemie haben nicht die Länder zu verantworten. Der CDU-Politiker will bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt im Juni wiedergewählt werden und hat die AfD im Nacken. Da passt es prima, wenn er mit dem Finger nach Berlin zeigen kann.

Sein Problem: So vergesslich werden die Bürgerinnen und Bürger nicht sein. Die Konferenz der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten hatte bereits am 3. März eine „Notbremse“ für den Fall beschlossen, dass die Inzidenzwerte über 100 pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen liegt. Nur haben die Länderregierungschefinnen und -chefs sie gar nicht oder nur so zaghaft gezogen, dass die bundesweite Inzidenz inzwischen bei über 160 ist. Auch das gehört zur föderalen Kultur in Deutschland.

 

Wie unsere Leserinnen und Leser auf die Wahl schauen

Wir bekommen viele Zuschriften zu Texten und Themen. An dieser Stelle geben wir Ihnen das Wort. In dieser Woche bekamen wir vor allem Reaktionen auf die Entscheidung der Union für CDU-Chef Armin Laschet als Kanzlerkandidat.

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Andreas Priesemann aus Sehnde schreibt:

„Herr Laschet als Kanzlerkandidat der CDU ist eine gute Wahl, verfügt er doch über für einen Kanzler ganz wesentliche Eigenschaften wie Glaubwürdigkeit, Charakter und Integrationsfähigkeit. Eigenschaften, die, glaubt man Söder-Befürwortern eher verzichtbar sind. So wäre aus deren Sicht Herr Söder die bessere Wahl gewesen.

Dieser ist aber zumindest aus meiner Sicht eher ein skrupelloser Polit-Rambo, was er in der Vergangenheit ja bereits mehrfach eindrucksvoll unter Beweis gestellt hat. So wird er also auch während des anstehenden Wahlkampfes weiterhin seine Nadelstiche setzen und sich bei gegebenenfalls sinkenden Umfragewerten und Fehlern von Herrn Laschet für den Fall der Fälle als Retter in der Not andienen.

Man möge sich nur die Rede des CSU-Generalsekretärs Markus Blume über Söder auf der Zunge zergehen lassen: ‚...Kanzlerkandidat der Herzen.‘ Ich habe vielmehr den Eindruck, dass es die eigentliche Rede des Herrn Söder war, die er natürlich so nicht halten konnte.“

Axel Heuer aus Varel sieht es umgekehrt:

„Einen vom Großteil der Bevölkerung eher als Karnevalprinzen wahrgenommenen Herrn Laschet gegen die Meinung der Bevölkerung und gegen die Meinung der Parteibasis zum Kanzlerkandidaten auszurufen, ist nur als erbärmlich zu bezeichnen.

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Ich hoffe, dass diese CDU bei den Wahlen hierfür die Konsequenzen zu spüren bekommt. Solch eine CDU ist unwählbar geworden. Dass diese Partei unwürdig ist, Deutschland noch weiter zu regieren, dazu trägt auch Herr Schäuble mit seiner verknöcherten Einflussnahme bei. Auch für diesen Herrn sollte endlich das offizielle Renteneintrittsalter gelten. Ehrlich, das war Politik zum Abgewöhnen.“

Dr. Wolf Eckelmann aus Hannover ist enttäuscht von Armin Laschet und der CDU:

„Mit ihrem Verhalten in der K-Frage hat die CDU mein demokratisches Verständnis grob verletzt: Wer seit Jahrzehnten eine kartellähnliche Vereinbarung lebt, so wie es CDU und CSU mit ihren regional begrenzten Zuständigkeiten vereinbart haben, kann und darf diese Vereinbarung nicht aufkündigen, wenn es klar ersichtlich um die Wahl eines gemeinsamen Vertreters für die Kanzlerschaft geht.

Schon die Erkenntnis, dass es an der Basis beider Parteien offenbar anderslautende Interessen als in den obersten Gremien der CDU gibt, hätte es notwendig gemacht, den Kanzlerschaftsanwärter von beiden Parteien gemeinsam in geheimer Wahl zu ermitteln. Der schlichte Ausschluss des Juniorpartners aus dem Wahlprozedere ist mindestens ungeschickt und wird der CDU spätestens bei der Bundestagswahl auf die Füße fallen.

An Armin Laschet bleibt allemal hängen, dass er es versäumt hat, eine solche Wahl einzufordern. Dann hätte der Verlierer das Terrain mit erhobenem Haupt verlassen können, egal wer das gewesen wäre. Diese Chance der Bereinigung der schwierigen Situation hat allein Laschet versiebt.“

Manfred Wollschläger aus Wolfenbüttel sieht es so:

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„Man könnte es mit einem aktuellen Satz festhalten: Im CDU-Vorstand haben überwiegend männliche weiße alte Funktionäre einen anderen Funktionär zum Kanzlerkandidaten gekürt. Für die Wähler etwas unverständlich, weil doch eine Partei an sich mit einem Kandidaten in den Wahlkampf zieht, der die besten Umfragewerte erreicht. Die Partei der Grünen hat dieses Modell mit Erfolg parallel vorexerziert.

Aber die Umfragewerte werden vom CDU-Vorstand mal so, mal anders interpretiert – mal handelt es sich um ein basisdemokratisches Element, mal um einen nur kurzzeitigen, flüchtigen Eindruck mit populistischen Einschlägen – wie es der Herrenriege halt so passt. Nun ist es in der Tat vorstellbar, dass im Herbst die CDU sich im Bundestag auf den Bänken der Opposition wiederfinden wird.“

Irene Deseke aus Burgdorf findet:

„Diese ganze Show zu dieser Zeit war eine einzige Farce.“

Rasmus Helt aus Hamburg meint zur Verschärfung des Infektionsschutzgesetzes:

„Die Kritik von Kristina Dunz an der neuen Bundesnotbremse führt noch nicht weit genug. Schließlich gibt es Städte wie Hamburg, die bereits angekündigt haben, weiterhin ihren eigenen, noch strengeren Weg zu gehen, wodurch es am Ende überhaupt gar keine einheitlichen und damit klaren Regelungen mehr gibt.

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Zudem bleibt, auch wenn sich Deutschland meilenweit von einer Diktatur entfernt befindet, das Problem, dass Ausgangssperren in demokratietechnischer Hinsicht normalerweise das Kennzeichen von eher totalitären Systemen sind. Deshalb hätte man auch über diese Symbolik viel stärker im Bundestag debattieren müssen, zumal gerade sehr viele Nachwuchspolitiker bei den lockdownbefürwortenden Parteien wie CDU, CSU, SPD und den Grünen selbst Politikwissenschaft studiert haben, wo man so etwas bereits in einem der ersten Semester lernt!“

 

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Das Autorenteam dieses Newsletters meldet sich am Dienstag wieder. Dann berichtet mein Kollege Andreas Niesmann. Bis dahin!

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