„Der Tag“

Ein kleines Zeitfenster für echte Veränderung

Deutschlands Sara Däbritz (links) und Lena Sophie Oberdorf vor dem Anpfiff.

Deutschlands Sara Däbritz (links) und Lena Sophie Oberdorf vor dem Anpfiff.

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

Fußball-Deutschland ist um ein Kapitel reicher. „Es wäre schön“, erklärte Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg vor dem EM-Finale gegen England, „wenn das Wembley am Ende uns gehören würde.“

Der Traum der 54-Jährigen zerbrach in der 111. Minute. Die Engländerinnen jubelten im Stadion mit knapp 90.000 Fans und bei den Deutschen flossen bittere Tränen. Enttäuschte Fans lagen sich auf den Fanmeilen in Berlin in den Armen und in Englands Pubs wurde wohl noch das ein oder andere Pint gezapft. Aber dennoch bleibt die Gewissheit: Niederlagen fühlen sich anders an.

London im Ausnahmezustand.

London im Ausnahmezustand.

Die deutschen Nationalspielerinnen eroberten am Ende zwar nicht das altehrwürdige Wembleystadion, aber sehr wohl die Herzen einer Nation. Vom „Sommermärchen 2.0“ ist vielerorts die Rede. Es ist eine Begeisterung, die überschwappt in Sphären, wo Frauenfußball lange Beiwerk war. Uefa-Chef Aleksander Ceferin stellt bei einem Blick auf die TV-Quoten fest: „Die Zahlen sind überragend.“ Er fordert, den „Frauenfußball auf exakt dieselbe Weise zu entwickeln wie den Männerfußball“. Selbst Bundeskanzler Olaf Scholz will sich nun mit DFB-Direktor Oliver Bierhoff zu einem Fußballgipfel treffen. Man werde sich dabei um das Thema Bezahlung im Fußball nicht „herumdrücken“.

Doch das Zeitfenster für öffentliche Forderungen nach gleicher Bezahlung und Chancengleichheit im Fußball dürfte ein kleines sein. Denn auch abseits des Sports bleiben die Themen drängend. Drei Beispiele:

1. Die Schlacht um Cherson

Die Ukraine rüstet sich zu ihrem bisher wichtigsten und schwierigsten Gefecht, einem Gegenangriff auf die russischen Truppen in Cherson, berichtet RND-Chefautor Matthias Koch. Für die Ukrainerinnen und Ukrainer sind die Risiken groß, die Chancen allerdings auch: Eine russische Niederlage in Cherson könnte den Kriegsverlauf in der Ukraine drehen – und Wladimir Putin in Moskau politisch ins Wanken bringen.

2. Droht eine Energiepreis-Protestwelle?

„Querdenkerinnen“ und „Querdenker“, Corona-Leugner und Corona-Leugnerinnen haben ein neues Thema für sich entdeckt: die Energiepolitik. Russlandfreundlich und Putin-nah waren große Teile der Corona-Protestbewegung ohnehin. In Telegram-Gruppen der Szene wird schnell ausgemacht, wer schuld ist am Krieg in Europa – die Ukraine, die USA, der Westen.

Szenebeobachterinnenun ‑beobachter befürchten eine von Rechtsextremen und Demokratiefeindinnen und ‑feinden gesteuerte neue Protestbewegung im Herbst. Wenn das Gas knapp zu werden droht und die Energiepreise steigen, könnte auch die Protestbereitschaft der Deutschen massiv zunehmen, erklärt mein Kollege Felix Huesmann in seinem großen Bericht.

3. Atomkraft: ja oder nein?

Fracking in Niedersachsen? Mehr Windenergie in Bayern? Oder gar neue Atommeiler für Deutschland? Der Herbst rückt näher und die Debatte darüber, wie Deutschland die kalte Jahreszeit überstehen und für die Zukunft krisenfester werden soll, wird hektischer und zum Teil persönlich. Mittendrin: CSU-Chef Markus Söder. 2011 war Bayerns Minister­präsident ein entschlossener Befürworter des Atom­ausstiegs. Heute will er ihn ebenso entschlossen aushebeln.

„Da sich die Lage radikal verändert hat, kann sich auch die Meinung eines Politikers ändern“, kommentiert RND-Hauptstadt­korrespondent Markus Decker. Bei Söder komme jedoch der die politischen Sitten zersetzende Schuss Unverfrorenheit hinzu. Die Methode Söder – anderen in die Parade zu fahren, um von eigenen Versäumnisses abzulenken – greift auch hier. Beobachtende sind sich einig, dass gerade Bayern Atom­strom vornehmlich deshalb braucht, weil es mehr als andere Bundes­länder auf russisches Gas gesetzt sowie beim Ausbau der Windenergie im eigenen Land geschlampt und den Ausbau neuer Strom­trassen von Nord- nach Süd­deutschland gezielt hinter­trieben hat.

Bundeswirtschafts­minister Robert Habeck (Grüne) ordnete aufgrund der realen Bedrohungslage einen neuen Stresstest zur Stromversorgung an. Ergebnisse sollen laut Ministerium in den nächsten Wochen vorliegen. Dann können alle Beteiligten faktenbasiert diskutieren. Selbst Markus Söder.

Der Tag

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Zitat des Tages

Robert Habeck hätte die gesetzliche Ermächtigung, das zu unterbinden.

Christian Lindner,

Bundesfinanzminister, der einen Stopp der Stromproduktion mit Gas fordert

 

Leseempfehlungen

Referendum in Australien? Mehr als 50 Jahre ist es her, dass es in Australien einen Volksentscheid gab – damals, 1967, wollte man gegen die Diskriminierung der Ureinwohnerinnen und Ureinwohner vorgehen. Jetzt soll sich das australische Volk erneut für seine „First Nations“ starkmachen. Dieses Mal geht es darum, eine „indigene Stimme“ im Parlament zu schaffen, berichtet Barbara Barkhausen.

Schock in Italien: Mitten in einer belebten Einkaufstraße hat ein 32-jähriger Italiener in der Region Marken einen afrikanischen Straßenhändler totgeschlagen. Niemand griff ein, niemand half – stattdessen haben einige Passanten den Mord sogar mit ihren Mobiltelefonen gefilmt, berichtet RND-Korrespondent Dominik Straub.

 

Aus unserem Netzwerk

Seit Anfang 2020 wird die Fehmarn­sund­brücke saniert, doch die Bauarbeiten scheinen Fehmarn erst jetzt richtig zu treffen. Kilometerlange Staus sorgen aktuell für Verkehrschaos vor der Ostseeinsel. Fehmarns Bürgermeister sucht nach einer Lösung. Doch ein Ende ist nicht in Sicht, wie die „Lübecker Nachrichten“ berichten – im Gegenteil (+).

 

Termine des Tages

Außenministerin Annalena Baerbock bricht am Montag nach New York auf, um dort an einer Konferenz der Vereinten Nationen zur Überprüfung des Atomwaffensperrvertrags teilzunehmen. Der mehr als 50 Jahre alte Vertrag, dem 191 Staaten beigetreten sind, bildet die Grundlage für atomare Abrüstung weltweit.

Bundesverteidigungs­ministerin Christine Lambrecht besucht heute das Waldbrandgebiet in der Sächsischen Schweiz.

Mit Europa-League-Sieger Eintracht Frankfurt, dem 1. FC Union Berlin und Aufsteiger Werder Bremen sind am Montag drei weitere Fußball-Bundesligisten in der ersten Runde des DFB-Pokals gefordert.

 

Wer heute wichtig wird

In Großbritannien beginnt heute die Abstimmung in der Konservativen Partei über die Nachfolge von Parteichef und Premierminister Boris Johnson. Zur Wahl stehen Ex-Finanzminister Rishi Sunak und Außenministerin Liz Truss. Die beiden erhielten in der Vorauswahl der konservativen Fraktion die meisten Stimmen.

In Großbritannien beginnt heute die Abstimmung in der Konservativen Partei über die Nachfolge von Parteichef und Premierminister Boris Johnson. Zur Wahl stehen Ex-Finanzminister Rishi Sunak und Außenministerin Liz Truss. Die beiden erhielten in der Vorauswahl der konservativen Fraktion die meisten Stimmen.

 

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Ihr Alexander Krenn

 

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