Polen will MiG-29-Jets an Ukraine übergeben: Warum das ein großes Risiko für Deutschland wäre
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Noch immer einsatzbereit: Ein Kampfflugzeug vom Typ MiG-29, hergestellt noch in Zeiten der Sowjetunion, bei einer Luftverteidigungsübung im Nato-Land Bulgarien im Februar dieses Jahres.
© Quelle: Getty Images
Polen ist bereit, seine alten MiG-29-Kampfflugzeuge „sofort und kostenlos“ der Ukraine zur Verfügung zu stellen. Dies teilte Regierungschef Mateusz Morawiecki am Dienstag überraschend während einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem norwegischen Amtskollegen in Oslo mit.
Die eigentliche Aushändigung der noch aus Sowjetzeiten stammenden Maschinen an Soldaten der ukrainischen Luftwaffe sollen nach den Plänen Polens die USA übernehmen. Polen will die Maschinen, deren genaue Anzahl nicht genannt wurde, zunächst zum amerikanischen Luftwaffenstützpunkt Ramstein bei Kaiserslautern (Rheinland-Pfalz) bringen.
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Das amerikanische Verteidigungsministerium drehte in der Nacht zu Mittwoch mit Blick auf den polnischen Plan den Daumen nach unten. Die Aussicht darauf, dass Flugzeuge vom Territorium eines Nato-Staats abheben, um in einen umkämpften Luftraum zu fliegen, werfe „ernsthafte Bedenken für die gesamte Allianz auf“, erklärte der Sprecher des Verteidigungsministeriums, John Kirby. „Wir werden uns weiterhin mit Polen und unseren anderen Nato-Verbündeten über diese Frage und die damit verbundenen schwierigen logistischen Herausforderungen beraten, aber wir glauben nicht, dass Polens Vorschlag haltbar ist.“
Die Luftwaffe der Ukraine hatte die MiG-Jets seit Wochen erbeten, da ihre Piloten mit Maschinen dieses Typs Erfahrung haben. In der Luft ist die Ukraine den Russen bislang hoffnungslos unterlegen – anders als am Boden, wo sich die massive Aufrüstung durch die Nato-Staaten inzwischen bemerkbar macht. In einer einzigen Woche waren zuletzt 17.000 Panzerabwehrsysteme geliefert worden.
Moskau warnt vor einem „kriegerischen Akt“
Während die Panzerabwehrwaffen noch allseits als Defensivwaffen betrachtet werden, wird mit der Lieferung von Kampfflugzeugen ein neues Kapitel aufgeschlagen. Russland hatte gewarnt, man werde die Lieferung von Flugzeugen als kriegerischen Akt bewerten und daran entsprechende Konsequenzen knüpfen.
Polen und die USA hatten in den letzten Tagen über einen Ersatz für die MiG-29-Jets verhandelt. Offenbar ist man einem Deal näher gerückt, wonach Polen moderne amerikanische Kampfjets vom Typ F-16 zu einem günstigen Preis erwerben kann.
Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock hatte Gespräche über dieses Thema bereits am Sonntag in der ARD-Sendung „Anne Will“ bestätigt: „Die Vorbereitungen laufen, wie jetzt Polen diese Flugzeuge liefern könnte“, sagte die Grünen-Politikerin. Polen müsse auch darauf achten, anschließend immer noch zur Luftverteidigung in der Lage zu sein. Das werde nun geprüft. Ähnlich hatte sich am gleichen Tag US-Außenminister Antony Blinken geäußert, der von „aktiven Prüfungen“ sprach.
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Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) ist der Sendung „Anne Will“ der ARD zum Thema „Krieg gegen die Ukraine – wie weit wird Putin gehen?“ zugeschaltet.
© Quelle: Wolfgang Borrs/NDR /dpa
In Nato-Kreisen ist die MiG-Lieferung umstritten. Als problematisch gilt bereits der Akt der Übergabe an die Ukrainer. Es kursiert die Sorge, Russland könne es als Kriegseintritt Deutschlands werten, wenn MiG-29-Jets in Ramstein aufsteigen und bald danach, und sei es auch nach einer Zwischenlandung in der Ukraine, russische Panzer aus der Luft bombardieren.
Auch Bulgarien und die Slowakei haben noch MiGs
Polen selbst betont, Warschau sei nicht Partei im Konflikt zwischen Russland und der Ukraine. Man übergebe die Flugzeuge lediglich den Vereinigten Staaten, mit denen man auch über Ersatz rede. „Die polnische Regierung fordert auch andere Nato-Verbündete – Besitzer von MiG-29-Jets – auf, in die gleiche Richtung zu handeln“, hieß es in einer am Dienstagabend verbreiteten Erklärung des polnischen Außenministeriums.
Auch Bulgarien und die Slowakei besitzen noch MiG-29-Jets. Polen hatte seine Bestände, damals sollen es 22 Maschinen gewesen sein, aus Beständen der Nationalen Volksarmee der DDR bekommen, für den symbolischen Kaufpreis von einem Euro.
Befürworter des MiG-Deals argumentieren, Putin sei so oder so aggressiv, es komme jetzt darauf an, die Gegenwehr schnell und deutlich zu verstärken. Auf diesem Weg könne man Russlands Vormarsch schon in der Ukraine selbst zum Stehen bringen. Jedes Zeichen der Schwäche werde ihn nur einladen, bald auch nach dem Baltikum zu greifen und etwa eine russisch kontrollierte Landverbindung zwischen Belarus und der russischen Exklave Königsberg zu schaffen.
Auch der Nato-Generalsekretär bremst
Kritiker des MiG-Deals kontern mit der Frage, ob man Wladimir Putin in der aktuellen Situation einen Vorwand zu einer Eskalation liefern wolle oder nicht. Das Risiko einer direkten militärischen Konfrontation zwischen Russland und der Nato steige auf diese Art massiv. Nicht alles, was möglich sei und wozu man völkerrechtlich die Befugnis habe, sei auch sinnvoll. Nicht umsonst habe der amerikanische Verteidigungsminister Lloyd Austin erst am vorigen Mittwoch einen seit Jahren geplanten turnusgemäßen Test einer Interkontinentalrakete aus dem nuklearen Arsenal der USA verschoben. Es gehe darum, Fehldeutungen vorzubeugen und kein Öl ins Feuer zu gießen.
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© Quelle: Reuters
Diese eher dämpfende Haltung ist bislang die vorherrschende Linie im Hauptquartier der Nato in Brüssel. Nach einem Treffen mit den ranghöchsten Generalen in Europa vor wenigen Tagen war Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg mit der Formel zitiert worden, das gesamte Bündnis sei nicht Partei im Krieg zwischen Russland und der Ukraine. Aus diesem Grund schicke man keine Truppen, und deshalb könne es auch keinen Transfer von Kriegsflugzeugen in die Ukraine aus dem Luftraum der Nato geben.