„Ich war jung und naiv“

Ehemalige IS-Anhängerin Hoda Muthana kämpft um Rückkehr in die USA

Frauen und Kinder 2020 bei der Evakuierung aus dem syrischen Baghus, der damals letzten Bastion des Islamischen Staats.

Frauen und Kinder 2020 bei der Evakuierung aus dem syrischen Baghus, der damals letzten Bastion des Islamischen Staats.

Lager Al-Rodsch. Hoda Muthana verließ im Alter von 20 Jahren ihr Zuhause im US-Staat Alabama, schloss sich der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien an und hatte ein Kind mit einem der Milizenkämpfer. Jetzt ist sie schon seit Längerem im Gewahrsam US-gestützter kurdischer Kräfte und hofft weiter darauf, nach Hause zurückkehren zu dürfen. Dort werde sie – wenn nötig – eine Gefängnisstrafe verbüßen und sich als Aktivistin gegen den IS betätigen, sagt sie.

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Muthana: Ich bereue alles – außer meinen Sohn

Online-Schleuser hätten sie einer Gehirnwäsche unterzogen und sie dadurch dazu gebracht, sich 2014 den Extremisten anzuschließen, sagte die jetzt 28-Jährige der in den USA angesiedelten Nachrichtenseite The News Movement (TNM). Sie bereue alles – außer ihrem Sohn, der jetzt im Vorschulalter sei. „Wenn ich ins Gefängnis gehen muss, werde ich das tun. (...) Ich werde nicht dagegen ankämpfen“, sagt Muthana, die sich im Lager Al-Rodsch befindet. „Ich hoffe, dass meine Regierung mich als Jemanden betrachte, der zur damaligen Zeit jung und naiv war.“

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Diese Hoffnung hat sie immer wieder geäußert, seit sie Anfang 2019 aus einer der letzten Enklaven der Extremistengruppe geflohen war. Vier Jahre zuvor, als der IS auf dem Höhepunkt seiner Macht war, hatte sie in sozialen Medien und in einem BuzzFeed-News-Interview enthusiastisch Unterstützung für ihn bekundet. Der IS herrschte damals in einem selbsterklärten Kalifat, das sich etwa über je ein Drittel von Syrien und dem Irak erstreckte.

Muthana warb mutmaßlich im Internet für den IS

In Botschaften, die sie 2015 von ihrem Twitter-Konto sendete, rief Muthana Amerikaner auf, sich der Gruppe anzuschließen und Anschläge in den USA auszuführen, etwa aus fahrenden Autos heraus auf Menschen zu schießen oder mit Autos in Menschenmengen zu rasen. In ihrem Interview mit TNM sagte sie nun, dass man ihr das Telefon weggenommen habe, die Tweets von IS-Unterstützern verschickt worden seien.

Muthana kam im US-Staat New Jersey zur Welt, als Tochter von Immigranten aus dem Jemen, und wuchs in einem konservativen muslimischen Haushalt in Alabama auf. 2014 sagte sie ihrer Familie, dass sie auf einen Schulausflug gehe. Stattdessen flog sie in die Türkei und überquerte dann die Grenze nach Syrien. Die Reise finanzierte sie mit Schulgeld-Schecks, die sie heimlich einlöste.

Die USA entzogen ihr 2016 die Staatsbürgerschaft

2016 annullierte die damalige Obama-Regierung ihre US-Staatsbürgerschaft und argumentierte, dass ihr Vater zum Zeitpunkt ihrer Geburt ein akkreditierter jemenitischer Diplomat gewesen sei, womit ihr eine Staatsbürgerschaft per Geburtsrecht nicht zustehe. Muthanas Anwälte haben das angefochten, aber Gerichte gaben der US-Regierung Recht, und auch die folgende Trump-Regierung blieb dabei und verweigerte Muthana eine Rückkehr. Schließlich lehnte es der Supreme Court in Washington vor einem Jahr ab, sich mit ihrer Klage auf Einreiseerlaubnis in die USA zu befassen.

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Und so sind sie und ihr Sohn weiter im Lager Al-Rodsch, zusammen mit Tausende Witwen von IS-Kämpfern und deren Kindern. Insgesamt werden etwa 65.000 mutmaßliche IS-Kämpfer und ihre Familien – sowohl Syrer als auch Ausländer – im Nordosten Syriens in von kurdischen Gruppen betriebenen Lagern oder Gefängnissen festgehalten, wie aus einem Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights vom Dezember hervorgeht.

NGOs prangern Zustände in den Lagern an

Frauen, denen Verbindung zum IS vorgeworfen wird, und ihre minderjährigen Kinder sind weitgehend in den Lagern Al-Hol und Al-Rodsch untergebracht. Zu den Insassen gehören mehr als 37.400 Ausländer, darunter Europäer und Nordamerikaner. Human Rights Watch und andere Beobachter sprechen von düsteren Lebensbedingungen in den Lagern, mit unzureichendem Essen, Wasser und schlechter Gesundheitsversorgung sowie physischen und sexuellen Missbräuchen durch Wärter und Mitgefangene.

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Human Rights Watch prangert auch an, dass keiner der Ausländer und Ausländerinnen zur Prüfung der Rechtmäßigkeit ihrer Internierung vor eine Justizeinrichtung gebracht worden sei. „Gewahrsam allein basierend auf Familienverbindungen stellt eine kollektive Bestrafung dar, ein Kriegsverbrechen“, kritisiert die Menschenrechtsorganisation.

3100 Gefangene durften 2022 in ihre Heimatländer zurückkehren

Unmittelbar nach dem Ende der blutigen IS-Herrschaft mit ihren Massakern, Enthauptungen und anderen Gräueltaten gab es kaum Rufe nach einer Rücksendung der Gefangenen in ihre Heimatländer. Aber im Laufe der Zeit haben sie zugenommen, und Human Rights Watch zufolge wurden im vergangenen Jahr etwa 3100 Ausländer nach Hause geschickt – zumeist Frauen sowie Kinder und hauptsächlich Iraker, aber auch Australier, Kanadier, Franzosen, Deutsche, Niederländer, Russen und Briten. Die USA haben 39 Amerikaner zurückkehren lassen, es ist unklar, wie viele andere sich noch in den Lagern aufhalten.

Muthana stellt sich selbst als ein Opfer des IS dar, schilderte in dem TNM-Interview, dass sie nach ihrer Ankunft in Syrien 2014 in einer völlig verschmutzten Unterkunft untergebracht worden und die Eheschließung mit einem IS-Kämpfer der einzige Ausweg gewesen sei. Am Ende heiratete sie drei Mal, ihre erste beiden Ehemänner, einer davon der Vater ihres Kindes, kamen in Kämpfen um. Von ihrem dritten Mann ließ sie sich Berichten zufolge scheiden.

Der IS hat Anhänger in den Lagern

Der IS kontrolliert kein Territorium in Syrien oder dem Irak mehr, aber er verübt sporadisch weiter Angriffe und hat Anhänger in den Lagern selbst. Muthana sagt, sie müsse weiter vorsichtig sein, könne nicht alles sagen, was sie wolle. „Aber ich werde es tun, wenn ich hier weggehe“, versichert sie.

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Anti-Terror-Einsatz in Castrop-Rauxel: Staatsanwaltschaft stuft Gefahr ein
dpatopbilder - 08.01.2023, Nordrhein-Westfalen, Castrop-Rauxel: Ein Mann wird von einem Beamten des Spezialeinsatzkommandos (SEK) mit Schutzmaske in Gewahrsam genommen. Anti-Terror-Ermittler haben in Castrop-Rauxel im nördlichen Ruhrgebiet einen 32-Jährigen festgenommen, der einen islamistischen Anschlag vorbereitet haben soll. Der 32-Jährige und eine weitere Person seien in Gewahrsam genommen worden. Foto: Karsten Wickern/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Zwei mutmaßliche Terror-Planer sind gefasst. Jetzt beschäftigt die Ermittler: Wie groß war die Gefahr eines islamistisch motivierten Giftanschlags?

Rechtsanwalt Hassan Shibly, der ihrer Familie beigestanden hat, sagt, es sei „absolut klar, dass sie einer Gehirnwäsche unterzogen und ausgenutzt wurde“. Ihre Familie wünsche, dass sie heimkehren könne, ihre Schulden bei der Gesellschaft bezahle und dann anderen helfe, nicht „dem dunklen Pfad zu folgen, auf den sie geführt wurde“.

RND/AP

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