Nach Durchsuchung: „Querdenker“ rufen zu Demonstration für Weimarer Richter auf
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Massenhaft beschäftigten Eltern deutsche Familiengerichte, um gegen die Maskenpflicht an Schulen zu klagen.
© Quelle: imago images/Michael Weber
Weimar/Briest. Eine Hausdurchsuchung bei einem deutschen Amtsrichter, um „Beweismaterial sicherzustellen“ – das ist bei Weitem keine alltägliche Angelegenheit. Ermittlungen wegen des Verdachts auf Rechtsbeugung auch nicht. Diese Ermittlungen führt die Staatsanwaltschaft Erfurt gegen den Weimarer Familienrichter am Amtsgericht Christian D. Dieser hatte Anfang April in einem ungewöhnlichen Urteil Maskenpflicht und Abstandsgebote für zwei Kinder an zwei Thüringer Schulen für ungültig erklärt.
Eine Mutter zweier Kinder hatte sich an das Gericht gewandt und ein Kindesschutzverfahren angeregt. Ihre acht und 14 Jahre alten Kinder würden durch das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung psychisch und körperlich beeinträchtigt, erklärte die Mutter laut dem Gerichtsbeschluss. Außerdem gebe es keine Beweise für eine Wirksamkeit der Maßnahmen. Um gegen die Infektionsschutzmaßnahmen vorzugehen, nutzte sie offenbar ein Musterschreiben der Initiative ABC Kindesvertretung, die sich gegen Corona-Schutzmaßnahmen einsetzt.
Ein pensionierter Familienrichter gibt die Vorlage
Dahinter steckt der pensionierte Familienrichter Hans-Christian Prestien aus Brandenburg. Im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) schildert Prestien, wie er seit den späten 1970er-Jahren, erst in Nordrhein-Westfalen, nach der Wende dann in Brandenburg, eine Rechtsprechung mit dem Kindeswohl im Mittelpunkt etablieren wollte. Die Corona-Schutzmaßnahmen bezeichnet er als „Maskerade“, „Körperverletzung“ und „Folter“.
Daher regt er dazu an, Klagen nach Paragraf 166 BGB einzureichen, in dem es um das Kindeswohl geht. Absatz 4 besagt: „In Angelegenheiten der Personensorge kann das Gericht auch Maßnahmen mit Wirkung gegen einen Dritten treffen.“
Der Weimarer Einzelrichter D. gab der Mutter recht. Dabei stützte er sich unter anderem auf Gutachten von drei Wissenschaftlern, die gleich mehrere Dinge gemeinsam haben: Alle drei sprechen sich gegen die staatlichen Corona-Maßnahmen aus, alle drei vertreten dabei wissenschaftliche Außenseiterpositionen. Und sie alle sind darüber hinaus Mitglieder im Verein Mediziner und Wissenschaftler für Gesundheit, Freiheit und Demokratie e.V., in dem sich mehr oder weniger prominente Maßnahmengegner und Corona-Verharmloser zusammengeschlossen haben.
Familienrichter D. folgt in vollem Umfang den Ausführungen der drei Gutachter. Maskenpflicht und Abstandsregeln gefährdeten das Kindeswohl und seien verfassungswidrig. Die Ausführungen des Richters erwecken den Eindruck einer Generalabrechnung mit der staatlichen Pandemiebekämpfung und der wissenschaftlichen Mehrheitsmeinung.
Der Richter wurden anscheinend gezielt ausgesucht. Eine ortsansässige Rechtsanwältin habe nach Auskunft der Thüringer Allgemeinen in Telegram-Gruppen gezielt nach Klagewilligen gesucht, deren Nachnamen mit den Buchstaben B, E, F, H, I, J, L, Q, R, S, T, U, V und X anfangen. Für diese Buchstaben ist laut Geschäftsverteilungsplan des Amtsgerichts Richter D. zuständig.
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© Quelle: dpa
Das Amtsgericht Weilheim gab einer Klägerin in einem ähnlichen Fall ebenfalls recht. In einer Reihe anderer Orte scheiterten Eltern und Verwandte reihenweise mit Klagen, die als offensichtlich unbegründet abgewiesen wurden. Prestien sagt, er sei mit mehr als tausend Interessentinnen und Interessenten in Kontakt.
Das Verwaltungsgericht Weimar bestätigte die Maskenpflicht im Unterricht. Sie stelle „sowohl eine geeignete als auch erforderliche“ Maßnahme dar, „durchgreifende gesundheitliche Bedenken für die Kinder“ bestünden nicht. Das Familiengericht hätte „keine Befugnis, Anordnungen gegenüber Behörden und Vertretern von Behörden als Träger öffentlicher Gewalt zu treffen“.
Dass Richter D. dennoch den Fall an sich zog, brachte ihm mehrere Anzeigen wegen Rechtsbeugung sowie jetzt die Ermittlungen und die Durchsuchung ein. D.s Laptop und Handy wurden beschlagnahmt.
„Völlig unhaltbar“, sagt der Anwalt - und die „Querdenker“ rufen „Faschismus“
„Dieser Vorwurf ist objektiv und subjektiv völlig unhaltbar“, sagte sein Verteidiger, der renommierte Hamburger Anwalt Gerhard Strate, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Was der Richter geschrieben hat, mag mit guten Argumenten bestritten werden, es ist aber sorgfältig begründet und keineswegs abwegig. Hier den Vorwurf der Rechtsbeugung zu erheben, kann nur eine Justiz, die im vorauseilenden Gehorsam die zu erwartenden Gängelungen durch die Exekutive schon vorwegnimmt.“
In den einschlägigen „Querdenker“-Kanälen auf Telegram werden Ermittlungen und Hausdurchsuchung noch mit weit extremerem Unterton kommentiert. Ralf Ludwig, prominenter Jurist der Bewegung, ruft zur Demonstration in Weimar am Samstag auf. „Der Faschismus ist jetzt etabliert. Die rote Linie ist eindeutig überschritten“, schreibt er. Er ruft seine Anhänger dazu auf, das „Vermögen ins sichere Ausland zu bringen“ und „einen Plan zu haben, dieses Land zu verlassen“.