Dunja Hayali: „Klein beigeben und auswandern? Nö.“
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„Es muss wieder positiv sein, Gutmensch zu sein“: Dunja Hayali, Fernsehmoderatorin und Autorin.
© Quelle: Foto: Britta Pedersen/dpa
„Haymatland“ haben Sie die Streitschrift betitelt, die Sie auf der Buchmesse vorstellen – mit zwei hineingeschummelten Buchstaben Ihres Namens. „Heimat“ ist im progressiven Lager eher negativ besetzt. Werben Sie für eine Umdeutung?
Heimat ist doch erst mal was Positives, es geht um Geborgenheit, Zuhause, Freunde, Familie. Die Nationalsozialisten haben den Begriff missbraucht, Rechtspopulisten tun das heute auch. Aber ich will ihnen das Feld nicht überlassen.
Sie plädieren dafür, dass der Mensch sich seine Heimat selbst schaffen kann. Wird sie damit nicht zum beliebigen Lifestylekonzept?
Nein, Heimat ist nicht wahllos – auch wenn sie an mehr als einem Ort sein kann. Für mich zeigt sie sich im Kleinen: den Feldern aus meinem westfälischen Heimatort Datteln, dem Anblick des Kölner Doms, mit dem ich meine Studienzeit verbinde, aber auch den Gerüchen in einem Basar, die mich an meine Kindheit erinnern, obwohl ich nie im Land meiner Eltern gelebt habe.
Ihre Eltern sind als Studenten aus dem Irak nach Deutschland gekommen und von einem deutschen Paar als Ersatzfamilie angenommen worden. Das, sagen Sie, hat auch Sie geprägt. Sie schreiben aber auch, dass sich das Gefühl des Dazugehörens verflüchtigt hat. Fühlen Sie sich von den Politikern im Stich gelassen?
Es macht mich wütend, dass wir oberflächlich übers Heimatministerium oder Grenzpolitik diskutieren, aber Probleme in Bereichen wie Bildung, Pflege, Kinderarmut und soziale Ungerechtigkeit nicht angehen. Spürten die Menschen mehr Sicherheit – viel von der Wut würde verpuffen. Wir können aber nicht alles auf die Politiker schieben. Mein Buch ist auch ein Appell an jeden Einzelnen, mehr fürs Gemeinwesen zu tun. Es muss wieder positiv sein, Gutmensch zu sein.
Sie schreiben, Sie seien durch und durch deutsch – bis auf Ihre Unpünktlichkeit. Was heißt das?
Ich erfülle Klischees wie Ordnungsliebe und Pflichtgefühl. Ich trenne meinen Müll und bin eine fanatische Verteidigerin des Grundgesetzes. Auf der anderen Seite bin ich aber auch gastfreundlich, das ist ja ein arabisches Klischee. Sie sehen also, ich picke mir immer nur das Beste raus.
In Chemnitz haben Sie sich wütenden Demonstranten im Gespräch gestellt. Wie bewahren Sie bei all dem Hass die Hoffnung?
Was wäre die Alternative? Klein beizugeben oder auszuwandern? Nö. Im Gespräch kann man viel bewegen, das Gegenüber verstehen. Als Journalistin finde ich es allerdings schwierig, wenn Fakten nicht mehr zählen. Viele Wähler halten die AfD etwa für eine Partei des kleinen Mannes, und wenn ich aus dem Parteiprogramm zitiere, heißt es: „Das denken Sie sich doch wieder aus!“
Unsere Kultur-Redakteurin Nina May mit Dunja Hayali auf der Buchmesse:
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Von Nina May