Doktor Trumps todsichere Corona-Tipps

Duldet keinen Widerspruch: US-Präsident Donald Trump vor seinem Pressebriefing zwischen dem obersten Gesundheitsschützer Robert Redfield (links) und Gesundheitsminister Alex Azar (rechts).

Duldet keinen Widerspruch: US-Präsident Donald Trump vor seinem Pressebriefing zwischen dem obersten Gesundheitsschützer Robert Redfield (links) und Gesundheitsminister Alex Azar (rechts).

Washington. Deborah Birx hatte sichtbar Schwierigkeiten, ihre Gesichtszüge zu beherrschen. Von einer Seitenbank im Briefing-Raum des Weißen Hauses musste die Ärztin verfolgen, wie der Präsident der USA über lebensgefährliche Behandlungsmethoden fabulierte. Die Ausführungen eines Beamten des Innenministeriums über die effektive Wirkung von Bleich- und Desinfektionsmittel bei der Abtötung des Corona-Erregers auf metallischen Flächen hatten den Präsidenten elektrisiert.

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“Das haut den in einer Minute um. Einer Minute!”, schwärmte Trump begeistert und hakte nach: “Gibt es eine Möglichkeit, so etwas Ähnliches durch Spritzen (in den Körper, d. Red. ) oder eine Art Säuberung zu machen? Dann käme es in die Lunge und hätte eine enorme Wirkung in der Lunge.” Trump war nicht zu bremsen: “Das müssten natürlich Ärzte machen. Aber es klingt für mich interessant.”

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Ein giftiger Haushaltsreiniger als Wundermittel gegen die Lungenkrankheit Covid-19? Deborah Birx, der Leiterin der offiziellen Corona-Taskforce des Weißen Hauses, blieb nicht viel übrig, als peinlich berührt den Blick zu senken. Zuvor schon hatte Trump schwadroniert, man könne das Virus vielleicht durch “enorme Mengen ultraviolettes oder einfach starkes Licht” abtöten. Ob sie davon jemals gehört habe, hatte der Präsident seine Berater auf der Suche nach Zustimmung gefragt. “Nicht als Behandlung”, hatte sie knapp geantwortet.

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Bei Trump werden Wissenschaftler zu Statisten

Immer mehr verkommen die Wissenschaftler bei Trumps täglichen Corona-Briefings ohnehin zu Statisten. Den größten Gesprächsanteil hat der Präsident persönlich. Und der redet über das, was ihm gerade in den Sinn kommt - meist ist es Selbstlob für seine Rolle in der Krise, oft sind es völlig überzogene Darstellungen der Erfolge, doch zunehmend drängt es den Präsidenten auch, seine vermeintlich überragenden Kenntnisse als Epidemiologe, Arzt oder Pharmazeut zur Schau zu stellen.

Am Vortag erst hatte Trump den Leiter der Gesundheitsschutztbehörde CDC zu einem peinlichen Auftritt genötigt. In einem Interview mit der “Washington Post” hatte Robert Redfield vor den Gefahren einer zweiten Corona-Welle im Herbst gewarnt und hinzugefügt: “Wenn ich das sage, wenden viele den Kopf ab. Sie verstehen nicht, was ich meine: Wir werden die Grippe und die Corona-Pandemie zur selben Zeit haben.” Die folgenden Schlagzeilen gefielen Trump, der die Gefahren der Pandemie seit Wochen herunterspielt, gar nicht. “Der CDC-Direktor wurde total falsch zitiert”, wetterte er und forderte den Beamten auf, das geradezurücken.

“Ich habe nicht gesagt, dass es schlimmer wird”, betonte der Virologe. Doch er wiederholte, was in der “Washington Post” gestanden hatte: “Ich habe gesagt, dass es schwieriger und tendenziell komplizierter wird.” Eilig deutete Trump den Satz um: “Er hat gesagt, Corona könne ein kleines bisschen auffackeln.” Aber: “Nach allem, was ich gesehen habe, wird es nie mehr so werden wie das, was wir gerade erleben.”

RND-Videoschalte: Die dramatischen Folgen der Corona-Krise in den USA
Karl Doemens, US-Korrespondent

US-Korrespondent Karl Doemens schildert im Gespräch mit RND-Hauptstadtkorrespondentin Marina Kormbaki die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Amerikaner.

Um Aufklärung und nüchterne Information geht es bei Trumps Pressekonferenzen zur Corona-Pandemie nicht. “Ich bin der Cheerleader (Anfeuerer) des Landes”, hat er erklärt. Und so verkündet er trotz inzwischen fast 50.000 Toten, katastrophaler Zustände in Altersheimen und Gefängnissen der USA sowie fehlender Teststäbchen täglich neue Erfolgsmeldungen.

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Abweichende Äußerungen der Experten wertet Trump als Meuterei oder Majestätsbeleidigung. Um nicht den Zorn des Präsidenten zu erregen, hat Redfields Behörde CDC schon am 9. März ihre eigenen Pressekonferenzen eingestellt. Der Topvirologe Anthony Fauci, der die Trump-Regierung berät, muss einen delikaten Spagat zwischen wissenschaftlicher Wahrheit und diplomatischer Etikette bewerkstelligen. “Fire Fauci!” (Schmeiß Fauci raus!), fordern trotzdem die Trump-Fans, und der Präsident verbreitet ihre Tweets weiter.

Trumps vermeintliches Wundermittel kann tödlich sein

Dem Chef der Behörde für biomedizinische Forschung und Entwicklung, Rick Bright, ist nach eigenen Angaben sein offener Widerstand gegen Trumps fragwürdige Corona-Aussagen zum Verhängnis geworden: Der für die Entwicklung einer Impfung zuständige Topbeamte wurde auf einen unwichtigeren Posten versetzt. Zwei Insider bestätigten der “Washington Post”, dass sich Bright gegen die Propagierung des Malaria-Medikaments Hydroxychloroquin gewandt habe, das Trump wochenlang als Covid-19-Heilmittel anpries. “Probieren Sie es!”, empfahl er in einer Pressekonferenz und fügte später hinzu, er selber würde die Pillen schlucken.

Bright wurde nach eigenen Angaben gedrängt, Mittel seiner Behörde zu dem Medikament umzuleiten. Dem habe er sich widersetzt. “Ich habe den breiten Einsatz von Chloroquin und Hydroxychloroquin, die von der Regierung als Wundermittel angepriesen werden, eingeschränkt, weil es offenkundig an einer wissenschaftlichen Begründung fehlt”, sagt der Immunologe und fordert, bei der Bekämpfung des Virus müsse “die Wissenschaft und nicht die Politik oder Vetternwirtschaft den Weg weisen”.

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Eine Studie der amerikanischen Veteranenbehörde fand derweil keinerlei positive Wirkungen des Einsatzes von Hydroxychloroquin bei Covid-19-Patienten. Im Gegenteil: Unter den mit diesem Mittel behandelten Infizierten lag die Todesrate höher als unter jenen, die ein Placebo erhielten. Seit einigen Tagen hat Trump das vermeintliche Wundermittel nicht mehr erwähnt.

Bezüglich der obskuren Desinfektionsmittel-Therapie sah sich der Chemiekonzern Reckitt Benckiser, der in den USA entsprechende Produkte unter den Markennamen Lysol und Dettol verkauft, am Freitag zu einer Klarstellung genötigt: “Unter keinen Umständen” sollten die Putzmittel dem menschlichen Körper zugeführt werden. Die New Yorker Gesundheitsbehörde schickte kurz darauf eine regelrechte Warnmitteilung des gleichen Inhalts heraus. Und sie wies auf einen Fakt hin, den Trump einfach nicht akzeptieren will: “Es gibt derzeit keine behördlich genehmigten Produkte zur Vorbeugung oder zur Behandlung von Covid-19.”

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