Welt wartet auf mögliche Trump-Anklage: New Yorker bleiben gelassen
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Vor dem Gerichtsgebäude in New York stehen sich Trump-Unterstützer und dessen Gegner gegenüber.
© Quelle: IMAGO/ZUMA Wire
New York. Während die Welt darauf wartete, ob eine Grand Jury im New Yorker Stadtteil Manhattan Anklage gegen den früheren US-Präsidenten Donald Trump erhebt, entschied sich Anwohnerin Barbara Malmet, ihren Platz in der ersten Reihe aufzugeben.
Die Polizei errichtete Barrikaden um das Gerichtsgebäude, das in diesem Falle Schauplatz eines historisch beispiellosen Vorgangs wäre: Trump wäre der Erste in der langen Reihe amerikanischer Präsidenten, der strafrechtlich angeklagt wird. Statt dabei zu sein, packt die pensionierte Universitätsprofessorin Malmet lieber ihre Koffer und bereitet sich darauf vor, die Millionenmetropole zu verlassen.
Die 70-Jährige lebt nur wenige Blocks vom Stadtzentrum entfernt. Sie sei besorgt, dass sich das, was am 6. Januar 2021 geschah, in kleinerem Maßstab wiederhole, wenn Trump die „Anhänger seiner Sekte“ dazu anstachele, sagt sie. An diesem Tag stürmten Anhänger und Anhängerinnen Trumps gewaltsam das Kapitolsgebäude in Washington, um die dort laufende Zertifizierung des Wahlsiegs von Joe Biden im Präsidentschaftsrennen zu verhindern. Sie wolle ein bisschen mehr Seelenfrieden dadurch haben, dass sie nicht in Laufdistanz zum Gerichtsgebäude sei, sagt Malmet.
Hälfte der US-Bevölkerung sieht politische Motivation hinter Trump-Verfahren
Gegenwärtig prüft eine Anklagejury in New York ein Verfahren gegen den Ex‑Präsidenten, was ein historisch einmaliger Vorgang wäre.
© Quelle: Reuters
Vorwurf: Fälschung von Geschäftsunterlagen
Vorgeworfen würde Trump bei einer Anklage womöglich die Fälschung von Geschäftsunterlagen im Zusammenhang mit Schweigegeldzahlungen an die Pornodarstellerin Stormy Daniels und das frühere Playmate Karen McDougal. Beide hatten nach eigenen Angaben sexuelle Begegnungen mit dem heute 76‑Jährigen. Geflossen sein soll das Geld in Trumps Präsidentschaftswahlkampf 2016. Fraglich ist etwa, ob die Geldflüsse gegen Gesetze zur Wahlkampffinanzierung verstoßen haben.
Bislang haben Trumps Aufrufe zu Protesten wegen seiner angeblichen und von ihm selbst eigentlich für den vergangenen Dienstag angekündigten Festnahme nicht zu Gesetzesverstößen geführt. Und im Großen und Ganzen nahm das Leben in dem Viertel mit Regierungsgebäuden und Bürohochhäusern am Rande von Chinatown weiter seinen geregelten Gang. Auch der Mittwoch verging ohne jede weitere Entscheidung über mögliche rechtliche Konsequenzen für Trump.
Die Frage, ob die Situation die Ressourcen der New Yorker Polizei (NYPD) belaste, verneinte Bürgermeister Eric Adams. „Das NYPD ist voll und ganz in der Lage, um mit jedweden Umständen, die in der Stadt auftreten könnten, umzugehen“, sagte er. „Das haben wir über die Jahre gezeigt.“
Unterdessen mehren sich die Kamerastative und Lichtstrahler auf den Bürgersteigen. Metallbarrikaden wurden installiert, um die Leute von den Straßen fernzuhalten. Es gibt ein Kommen und Gehen kleiner Gruppen von Demonstrierenden. Einige davon unterstützen Trump, andere sind gegen ihn. Teils überlappten sich echte und fiktive Dramen, als in der Gegend Szenen für die TV‑Serie „Law & Order: Special Victims Unit“ gedreht wurden. Weitere Dreharbeiten waren für das Wochenende angesetzt – es gab Ankündigungen, dass in der Gegend für den Film „Juliet“ gedreht werde.
Protest oder Performancekunst?
Jeder Block in New York „hat sein eigenes Universum“, sagte Alli Coates, als sie am Dienstag in einem Park hinter dem Gericht einen kleinen Ball für den English Springer Spaniel Trinity durch die Gegend kickte. „Es passiert immer so viel, dass ich von dem Umstand, dass da 50.000 Reporter einen Block weiter sind, gar nichts weiß.“ Auch viele andere genießen die frische Luft, während Nachrichtenteams darauf warten, ob es zur Anklage kommt.
Einige der Aktivisten, die zu dem Gericht pilgern, um zu demonstrieren, machen vielmehr Performancekunst. Ein Mensch versuchte etwa, wie Jesus mit einem großen Kreuz im Schlepptau in das Gebäude zu gelangen. Ein anderer Mann saß auf dem Boden, trug eine Trump-Flagge als Umhang und einen Hut mit Geweih. Ein Demonstrant auf einer Bank in der Nähe hielt derweil ein Plakat in die Höhe, auf dem es hieß, Trumps Zeit sei vorüber.
Philippe Lejeune, ein 38‑Jähriger aus New Jersey, lief die Straße mit einem handgemalten Schild gegen Alvin Bragg auf und ab. Bragg, erster schwarzer Chefankläger in Manhattan, ist dieser Tage quasi weltberühmt. Er dürfte, wenn es kommt, wie viele vermuten, als erster US‑Staatsanwalt in die Geschichte eingehen, der einen ehemaligen Präsidenten anklagt.
New York rüstet sich für mögliche Verhaftung von Trump
Der ehemalige US-Präsident hatte seine Anhänger am Wochenende zu Protesten aufgerufen. Hintergrund ist eine mögliche Anklage und Verhaftung Trumps.
© Quelle: Reuters
Einige Menschen seien wegen der Kameras da, bekennt Lejeune. Aber das Ereignis sei zu wichtig, um unkommentiert zu bleiben. „Du möchtest in einem Flamingokostüm vorbeiskaten? Das kannst du machen“, sagt er mit Blick auf kreative Protestformen.
Brinley Cobden und Moustafa Ibrahim haben die Entwicklungen bei der Grand Jury verfolgt. Aber das Paar hatte einen ganz eigenen Grund, die Medien im Auge zu behalten: Die Angst, der Menschenauflauf könne sie daran hindern, pünktlich zu einem Termin in der Ehevermittlung der Stadt zu kommen. Denn das Büro ist im selben Gebäude, in dem auch die Grand Jury tagt.
Seine Hochzeitslizenz erhielt das Paar einen Tag zuvor, musste den Regeln nach aber am Dienstag den Bund schließen. Am Ende war es kein Problem, hineinzukommen. Auf dem Weg hinaus sagte Copden auf die Frage, was sie an dem Tag in Erinnerung behalten werde, schlicht: „Wir haben geheiratet.“
RND/AP