Die FDP-Krise darf nicht zur Ampelkrise werden
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Zerknirscht: Christian Lindner, Vorsitzender der Bundespartei, und FDP-Landeschef Stefan Birkner bei ihrer Pressekonferenz nach der Wahl.
© Quelle: Kay Nietfeld/dpa
Für die FDP geht das Wahljahr 2022 so desaströs zu Ende, wie es begonnen hat: Im Saarland nicht in den Landtag gekommen, in Schleswig-Holstein aus der Regierung geflogen, ebenso im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen und nun in Niedersachsen an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert.
Für das Ergebnis einer Landtagswahl ist zum großen Teil der Landesverband einer Partei verantwortlich. Aber vier schwere Schlappen nach dem Eintritt in eine Bundesregierung haben natürlich etwas mit der Bundespartei und ihrem Vorsitzenden zu tun. Die FDP ist in der Krise und mit ihr der Parteichef – und das wird auch an der Ampel-Koalition nicht spurlos vorüberziehen.
Lindner fehlt bis heute die Fantasie für eine Ampel
Christian Lindner fehlte vor der Bundestagswahl im vorigen Jahr die „Fantasie“ für eine Ampelregierung – und daran hat sich bis jetzt nicht viel geändert. Wer aber als Chef dauernd daran zweifelt, ob er mit seiner Truppe am richtigen Ort ist und betont, dass die eigenen Unterstützer mit der Koalition „fremdeln“, der muss sich nicht über eine tiefe Verunsicherung in der eigenen Wählerschaft wundern.
Es ist nicht so, dass die FDP in dieser Regierung für ihre Klientel nichts erreicht hat. Corona-Maßnahmen wurden gegen den Willen des SPD-Gesundheitsministers massiv gelockert, die Grünen scheiterten mit ihrer Forderung nach einem Tempolimit auf Autobahnen, und der von der FDP eingebrachte Ausgleich der kalten Progression wird Millionen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler entlasten.
Und bisher hat Lindner auch die Aussetzung der Schuldenbremse beharrlich verteidigt, wenngleich er als Oppositionspolitiker das 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr und das 200-Milliarden-Euro-Doppelwumms-Paket unter anderem für die Gaspreisbremse vermutlich als veritablen und schuldenfinanzierten Schattenhaushalt gegeißelt hätte.
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Habeck gegen Lindner: die Gelb-Grün-Schwäche der Regierung
An guten Tagen sind Wirtschaftsminister Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner wie Hund und Katze, die schon eine Weile gemeinsam in einem Haushalt leben und gelernt haben, die Irritationen zu ignorieren, die der jeweils andere auslöst. Es gibt aber nicht so viele gute Tage. Ständig geraten die beiden Minister aneinander.
Die FDP erreicht die Mittelschicht nicht
Je tiefer die Wirtschaft infolge des russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine in die Rezession rutschen wird, desto größer wird der Druck auf Lindner, die Schuldenbremse zu lösen. Das könnte aber sogar auch im Sinne vieler Unternehmerinnen und Unternehmer sein, die der FDP nahestehen.
Ein Hauptproblem für die FDP ist, dass sie sich zwar als „einzige liberale Partei der Mitte“, wie es Lindner sagt, empfindet, doch die Mittelschicht nicht entsprechend erreicht, ganz zu schweigen von dem eindimensionalen Bild, das die Parteispitze abgibt: Alle Ämter in der ersten Reihe sind – bis auf das Bildungsministerium – mit Männern besetzt. Bei SPD und Grünen ist die Macht ohnehin auf mehreren Schultern verteilt. Darüber sollte Lindner nachdenken.
Die Entlastungspakete der Ampelregierung konzentrieren sich auf jene Menschen, die wenig haben, bedienen wegen des Gießkannenprinzips aber auch die Reichen, die das nicht brauchen. Und die breite Schicht mit kleinem Geldbeutel oder Einkünften, die bisher nur so gerade das Auskommen sichern, schaut in die Röhre. Hier sollte gerade die FDP nachsteuern.
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In Krisen braucht es Besonnenheit statt Zwist
Was vor allem hängen bleibt, ist aber Lindners Dauerzwist mit Grünen-Wirtschaftsminister Robert Habeck. Das vermittelt weder Souveränität noch Sicherheit. Putins Krieg löst Ängste aus. Bleibt die Heizung kalt? Verliere ich meinen Arbeitsplatz? Gibt es gar einen dritten Weltkrieg? In einer solchen Krise brauchen die Menschen Ruhe und Besonnenheit in der Regierung und keinesfalls parteipolitischen Streit.
Lindner hat klargestellt, dass er keinen Bruch der Koalition will. Er kann sich das auch nicht leisten, nachdem er die Jamaika-Sondierungen 2017 hat krachen lassen. Die FDP würde sich schwer davon erholen, in solchen Krisenzeiten das Handtuch zu werfen. Besser für sie – und im Moment auch für die Ampel – wäre es, mit Kompromissen zu regieren, als gar nicht zu regieren.
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