Eine Partei in der Bredouille
Die Lage der Grünen ist verzwickt. Wegen des Krieges in der Ukraine debattiert Deutschland, die Atomenergie zu verlängern. Vor allem ältere Parteimitglieder sehen ihr Lebenswerk gefährdet.
Berlin. Die Grünen sind nervös. Manche, so scheint es, sind der Verzweiflung nahe. Thomas Künstler, Mitarbeiter der Bundesgeschäftsstelle der Partei und Vertrauter des einstigen Bundesgeschäftsführers Michael Kellner, schrieb dieser Tage bei Twitter, dass neben anderen nun auch der Ampelkoalitionspartner FDP für eine Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken eintrete, sei „zum Schreien“. Es ist auch kein Wunder, dass sich jetzt viele Ältere zu Wort melden – so Michael Schroeren, 73 und ehedem Sprecher des ersten grünen Bundesumweltministers Jürgen Trittin. „Ich habe fast 50 Jahre für den Ausstieg aus der Atomkraft gekämpft“, tweetete er. „Jetzt, kurz bevor die letzten vom Netz gehen, lasse ich mir den Erfolg nicht klauen.“
Der langjährige Leiter der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung, Ralf Fücks, notierte daraufhin, im neuen Atomstreit gehe es manchem augenscheinlich um die Verteidigung der eigenen Biografie nach dem Motto: „Ich lasse mir nicht nehmen, wofür ich mein Leben lang gekämpft habe.“ Freilich hätten die Grünen „zwei Fehler“ gemacht, so Fücks. Angesichts des Klimawandels hätten sie „die falsche Reihenfolge des Ausstiegs aus Atom und Kohle gewählt“, also: erst aus der Atomenergie, dann aus der Kohleverstromung. Und sie hätten übersehen, dass mit dem Atomausstieg „die Abhängigkeit von Erdgas gestiegen“ sei.