Die EKD fordert mehr Visa für politisch Verfolgte in Belarus
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Mitglieder der belarussischen Community demonstrieren in Amsterdam für die Freilassung aller politischen Häftlinge in ihrem Heimatland.
© Quelle: imago images/NurPhoto
Berlin. Die Auslandsbischöfin der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Petra Bosse-Huber, hat eine positive Bilanz der Aktion www.100xSolidarität.de zur Unterstützung von Menschen in Belarus gezogen, die vom Regime um Machthaber Alexander Lukaschenko verfolgt werden.
Seit der Freischaltung im Dezember 2020 hätten über 50.000 Nutzerinnen und Nutzer die Website besucht, sagte Bosse-Huber im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
Briefe an Inhaftierte
Auf der Aktionswebsite sind aktuell – zumeist mit Fotos – die Schicksale von über 500 Inhaftierten dokumentiert, für deren Freilassung die EKD gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde (DGO) und der belarussischen Menschenrechtsorganisation Vjasna kämpft.
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Petra Bosse-Huber ist seit 2013 Auslandsbischöfin der EKD in Hannover.
© Quelle: EKD
Ein spezieller Button ermöglicht unkompliziert das Herunterladen eines Musterbriefes, der an einen Inhaftierten verschickt werden kann. Über 4000 Menschen aller Altersgruppen haben bisher nach Angaben der EKD das Briefformular genutzt. „Wir wissen von sehr berührenden Beispielen“, berichtet Bosse-Huber.
So habe sie beispielsweise von einem Mann erfahren, der jetzt jeden Morgen nach dem ersten Kaffee seinen Tag damit beginne, einen Brief an einen Inhaftierten zu schreiben. Es koste nicht viel Zeit und nur eine Briefmarke, sei aber ein so starkes Zeichen gegenüber den Menschen in den Gefängnissen, die in ihrer Angst und ihrer Verlassenheit spürten, es ist jemand da, der an sie denke.
Bisher keine Freilassungen
Leider habe die Website-Aktion bisher nicht zu Freilassungen geführt, sie halte aber das Thema in der Öffentlichkeit wach, zumal sie von vielen Prominenten mit Statements unterstützt wird, darunter der Philosoph Jürgen Habermas, die Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller oder die Musikerin Anne-Sophie Mutter. Herta Müller etwa schreibt, wir müssten die Menschen in Belarus unterstützen, „auch um unseren eigenen Werten gerecht zu werden“.
Bosse-Huber bezeichnete das Engagement der EKD für die politisch Verfolgten in Belarus als eine Aufgabe, die grundsätzlich aus den Menschenrechten erwachse. Gott habe jedem Menschen eine unzerbrechliche Würde geschenkt. Dies sei der tiefste Grund, weshalb sich so viele Christen für die Menschenrechte engagieren, nicht nur in der EKD.
Wie einst in der DDR
Mit Blick auf Zuflucht suchende, politisch verfolgte Belarussen mahnte Bosse-Huber mehr unbürokratische Hilfe von Deutschland an. Nach dem Vorbild der baltischen Staaten müssten von deutscher Seite viel mehr Visa vergeben werden, um Menschen schnell und ohne Umstände Schutz zu gewähren.
„Durch die vorhandenen Einreisebeschränkungen im Zusammenhang mit Covid-19 werden praktisch seit Monaten keine Visa mehr für Deutschland vergeben“, sagte die Auslandsbischöfin und forderte eine Aussetzung dieser Regelung. „Es gibt derzeit eigentlich kein Entrinnen für die Menschen in Belarus, sie sind fast so eingesperrt wie die Menschen einst in der DDR.“
Die neuen Wirtschaftssanktionen der EU-Staaten gegenüber Belarus nannte Bosse-Huber ein „weitreichendes und klares Signal“ Es sei wichtig, dass bei dem neuen Sanktionspaket die Forderungen der belarussischen Exilopposition berücksichtigt worden sind. „Denn das sind Menschen, die die Situation dort realistisch einschätzen können“, sagte die EKD-Auslandsbischöfin.
Die Außenminister der 27 EU-Mitgliedsstaaten hatten sich zu Wochenbeginn in Luxemburg darauf verständigt, die Kali- und Düngemittelindustrie der ehemaligen Sowjetrepublik sowie Mineralölunternehmen und den Finanzdienstleistungssektor des Landes ins Visier zu nehmen.
Export wird erschwert
„Belarus ist ein wichtiger Exporteur von Kalidüngemitteln, und auch die Ölindustrie ist für das Regime nicht unerheblich“, sagte Bosse-Huber. Allein 2019 habe Belarus Rohöl im Wert von einer halben Milliarde Euro nach Deutschland geliefert. Das heißt, solche gezielten Sanktionen würden dem Regime schon schaden und zumindest vorübergehend signifikante Kosten aufbürden, ohne die Bevölkerung zu treffen.
Banken dürfen nicht mehr helfen
Die Auslandsbischöfin hob hervor, dass die europäischen Banken der belarussischen Führung nicht mehr helfen dürfen bei der Ausgabe von Staatsanleihen und der Aufnahme von Schulden. Auch das sei ein wichtiger Schritt.
Bosse-Huber hält indes eine Bereitschaft des Regimes zur Umkehr für unwahrscheinlich. Umso wichtiger sei es, dass die EU weiterhin ein Paket von 3 Milliarden Euro an Hilfen für einen Neuanfang in Belarus nach einem Machtwechsel in Aussicht stellt. „Das ist ein wichtiges Zeichen für die Zeit danach.“