Deutschland und Norwegen sind jetzt Stromnachbarn
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Erdkabel der Stromtrasse Nordlink in der Nähe von Büsum.
© Quelle: Carsten Rehder/dpa
Berlin. Deutschland hat ein neues Nachbarland bekommen, zumindest, was das Stromnetz angeht. Nach Schweden ist nun auch Norwegen über ein Unterseekabel direkt mit Deutschland verbunden. Nordlink heißt die armdicke Leitung zwischen dem schleswig-holsteinischen Wilster und dem norwegischen Tonstad, die zwar schon eine Weile in Betrieb ist, aber am Donnerstag offiziell eingeweiht wurde.
Hochrangige Vertreter beider Länder schalteten sich zu einer digitalen Feierstunde zusammen, darunter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die norwegische Ministerpräsidentin Erna Solberg. Merkel bezeichnete die 2 Milliarden Euro teure Leitung als „Meilenstein für die moderne Energieversorgung in Europa“. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sagte, mit Nordlink werde zum ersten Mal der Nachweis erbracht, dass mit erneuerbaren Energien eine sichere Stromversorgung rund um die Uhr möglich ist.
Die neue Stromautobahn gilt als wichtiger Baustein der Energiewende. Strom aus Norwegen ist für Deutschland interessant, weil das skandinavische Land vor allem auf Wasserkraft setzt, die anders als Windstrom oder Solarenergie unabhängig von Tageszeit und Wetter zur Verfügung steht.
Wenn der Wind nicht weht oder die Sonne nicht scheint, soll der grüne Strom aus dem hohen Norden helfen, das deutsche Energienetz stabil zu halten. Für die Netzbetreiber sind solche Notfalloptionen essenziell, vor allem wenn in den nächsten Jahren immer mehr grundlastfähige Kohlekraftwerke vom Netz gehen.
Aber auch Norwegen kann von der neue Leitung profitieren. An windigen Tagen kann Deutschland künftigen überschüssigen Ökostrom an seinen neuen „Stromnachbarn“ liefern. In Norwegen gibt es viele Pumpspeicherkraftwerke, die die Energie aufnehmen und später wieder abgeben können. Die Leitung ist also ein klassisches Win-Win-Projekt, von dem auch noch die Signalwirkung ausgeht, dass es möglich ist, solche gigantischen Stromtrassen zu realisieren.
Die Achillesferse der Energiewende
Bislang gilt der Ausbau der Übertragungsnetze als Achillesferse der Energiewende. Auch innerhalb Deutschlands wird an mehreren Leitungen gebaut, um den Strom aus den windreichen Küstengebieten in die Industriezentren im Süden der Republik zu transportieren. Sie heißen Suedlink, Suedostlink oder Ultranet und hinken dem ursprünglichen Zeitplan hinterher. Klagen, Anwohnerproteste und politischer Streit über den Verlauf der Trassen haben den Ausbau immer wieder gebremst.
Bundeskanzlerin Merkel mahnte deshalb mehr Tempo beim Netzausbau an. Nordlink allein löse Deutschlands Energie- und Netzprobleme nicht, sagte sie. Norddeutschland müsse besser mit Süddeutschland verbunden werden. Dann erst könne Nordlink seine ganze Kraft entfalten. „Daran müssen wir sehr viel schneller arbeiten.“
Beim Leitungsausbau „wird man in nächster Zeit noch einmal über Beschleunigungen nachdenken müssen“. Es sei zu überlegen, ob Gerichtsinstanzen eingespart werden können und die Bevölkerung schneller mit einbezogen werden kann. „Hier haben wir noch große Hindernisse zu überwinden“, so Merkel.