Deutschland und Afghanistan: politisch überfordert

Afghanische Flüchtlinge in Taschkent, der Hauptstadt von Usbekistan.

Afghanische Flüchtlinge in Taschkent, der Hauptstadt von Usbekistan.

Berlin. Wer seine Augen nicht vor der Weltlage verschließt, der weiß: Die Situation in Afghanistan spitzt sich fast zwei Jahrzehnte nach den Anschlägen vom 11. September 2001 dramatisch zu und hinterlässt dabei auch innen­politisch Flurschäden. Die Bundestagsopposition fordert einen Untersuchungsausschuss; sie begehrt die Aufarbeitung von Fehleinschätzungen der Bundesregierung.

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Marcus Grotian, Bundeswehroffizier und Gründer des Patenschaftsnetzwerks Afghanische Ortskräfte, gibt am Dienstag eine Pressekonferenz. Kanzlerin Angela Merkel lässt am Mittwoch im Bundestag eine Regierungs­erklärung folgen.

Statt wie geplant einen leidlich funktionierenden Staat mit halbwegs demokratischem Antlitz hat der Westen den Betroffenen und sich selbst nach 20-jährigem Afghanistan-Einsatz ein beträchtliches Flüchtlingsproblem bereitet. Die deutsche Politik hat auf die Herausforderung nur bedingt Antworten. Sie drückt sich unverändert vor der Wahrheit.

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Zwar hat die Bundesregierung zuletzt einen Abschiebestopp verhängt, nachdem deutsche Sicherheits­behörden seit 2016 mehr als 1000 Flüchtlinge nach Afghanistan zurückgebracht hatten. Noch am 11. August sagte der zuständige Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) jedoch, „sobald es die Lage zulässt, werden Straftäter und Gefährder wieder nach Afghanistan abgeschoben“. Das ist spätestens nach dem Fall der Hauptstadt Kabul an die Taliban eine Illusion.

Keine entschiedene Hilfe für Ortskräfte

Das akute Problem betrifft die Ortskräfte, für die Grotian und andere sich einsetzen. Der Mann hat die Misere im Frühsommer prophezeit. Und sie ist jetzt mit maximaler Wucht eingetreten. Die maßgeblichen Ressorts der Bundesregierung waren uneins und teilweise unwillig. Zudem haben sie den Helfern der Bundeswehr und ihren Angehörigen administrative Steine in den Weg gelegt.

Nun ist guter Rat teuer. Im Fernsehen sehen wir Bilder von unhaltbaren Zuständen am Flughafen Kabul. Niemand kann sagen, er habe es nicht wissen können. Auch der Blick auf den reibungslosen Umgang anderer Länder mit ihren Ortskräften legt das Versagen offen.

Schließlich stellt sich die Frage nach dem Umgang mit all den anderen afghanischen Flüchtlingen, die sich erst in den vergangenen Wochen auf den Weg nach Europa gemacht haben oder dies noch tun werden. Wollen wir sie der ohnehin mit Flüchtlingen überlasteten Türkei aufbürden oder ihnen Lager in Griechenland und auf dem Balkan zumuten? Darüber wird zu reden sein.

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Bisher 18.000 Menschen aus Afghanistan ausgeflogen
18.08.2021, Afghanistan, Kabul: Menschen stehen auf dem Rollfeld und gehen an Bord eines US-Transportflugzeugs von Typ C-17 Globemaster III w��hrend ihrer Evakuierung am Hamid Karzai International Airport in Afghanistan. US-Soldaten unterst��tzen das Au��enministerium bei einem geordneten Abzug des vorgesehenen Personals in Afghanistan. Foto: U.S. Marines/ZUMA Press Wire Service/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Bisher haben Flüge, wie unter anderem die der US-Luftwaffe, insgesamt 18.000 Menschen gerettet. Diese Zahlen teilte die Nato offiziell mit.

Immerhin ächzt Afghanistan bereits unter mehr als einer halben Million neuer Binnenflüchtlinge seit Jahresbeginn. Da ist es keine Geheimwissenschaft zu ergründen, was sich daraus ergibt.

Wichtig ist vor allem, dass wir aus dieser gigantischen Blamage des Westens lernen. Und eine Lehre ist gewiss, die militärischen und politischen Grenzen von Auslandseinsätzen anzuerkennen. Ein zweites Afghanistan – darüber sollte Einigkeit herrschen – darf es nicht geben.

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