Kritik an Steinmeier

CDU-Politiker Wadephul fordert Auseinandersetzung mit deutscher Russland-Politik

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier steht wegen seiner Russland-Politik unter Druck.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier steht wegen seiner Russland-Politik unter Druck.

Der ukrainische Botschafter, Andrij Melnyk, hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier scharf wegen dessen Umgang mit Russland kritisiert. „Für Steinmeier war und bleibt das Verhältnis zu Russland etwas Fundamentales, ja Heiliges, egal was geschieht. Auch der Angriffskrieg spielt da keine große Rolle“, sagte Melnyk dem „Tagesspiegel“.

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Er unterstellte dem Bundespräsidenten sogar, dass er Putins Ansichten teile. Aus Sicht des russischen Präsidenten Wladimir Putin gebe es kein ukrainisches Volk, keine Sprache, keine Kultur und daher auch keinen Staat, erklärte der Botschafter. „Steinmeier scheint den Gedanken zu teilen, dass die Ukrainer eigentlich kein Subjekt sind.“

Waren wir zu naiv?

Für eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit der deutschen Russland-Politik der vergangenen Jahrzehnte sprach sich der Vizevorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Johann Wadephul, aus. „Alle sind aufgefordert, mit zeitlichem Abstand zu fragen: Waren wir zu naiv? Haben wir die Lage richtig eingeschätzt?“

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Das müsse definitiv aufgearbeitet werden, sagte Wadephul. „Dafür wäre eine Enquete-Kommission sinnvoll.“ Bezogen auf den Bundespräsidenten sagte der CDU-Außenpolitiker: „Bundespräsident Steinmeier hat Anlass, grundsätzliche Aussagen dazu zu machen. Das würde ich mir wünschen.“

Melnyk prangert schon lange an, dass sich Deutschland zu abhängig von russischem Gas, Öl und Kohle gemacht hat. Zugleich kritisierte er immer wieder laut, dass Deutschland erst keine Waffen an die Ukraine liefern wollte und dann die Lieferungen nur sehr schleppend in Gang gekommen seien.

Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine steht der Bundespräsident immer wieder im Zentrum der Kritik des ukrainischen Botschafters. Melnyk verweist dabei auch auf Steinmeiers Agieren gegenüber Russland in seiner Zeit als Kanzleramtsminister (1999 bis 2005) in der Regierung Gerhard Schröder und als Außenminister (2005–09 und 2013–17) in der Regierung Angela Merkel.

Die Abrechnung an diesem Wochenende fiel besonders hart aus: „Steinmeier hat seit Jahrzehnten ein Spinnennetz der Kontakte mit Russland geknüpft. Darin sind viele Leute verwickelt, die jetzt in der Ampel das Sagen haben“, sagte er – und nannte namentlich den außenpolitischen Berater von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Jens Plötner, und den Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Andreas Michaelis. Hinzu kämen viele wichtige Botschafter. „Das alles macht einen Unterschied“, erklärte Melnyk.

Bundespräsident Steinmeier, der immer noch in Corona-Quarantäne ist, reagierte verhalten auf die Anwürfe. Er ging nicht direkt darauf ein und ließ auch keinerlei Verärgerung über die bisher beispiellosen Anwürfe eines Diplomaten in Deutschland gegen einen Bundespräsidenten erkennen. Im Gegenteil: Er sprach den Repräsentanten der Ukraine „jedes erdenkliche Recht“ zu, „Solidarität und Unterstützung ihrer Freunden und Partner einzufordern“. Im Lichte der Berichte aus dem Kiewer Vorort Butscha sprach Steinmeier von Kriegsverbrechen. Zugleich dankte er den Bürgerinnen und Bürgern sowie den Hilfsorganisationen für die Aufnahme von bisher 300.000 Geflüchteten aus der Ukraine.

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„Z“-Zeichen für den Krieg: Bund geht gegen Propagandasymbol vor

Der Buchstabe Z sei natürlich nicht verboten, betonte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums. Doch wer Putins Krieg billige, muss mit Strafen rechnen.

Öffentlichen Ärger gab es auch schon vergangenen Sonntag, als Melnyk ein vom Bundespräsidenten veranstaltetes Benefizkonzert mit harschen Worten abgesagt hatte. „Nur russische Solisten, keine Ukrainerinnen“, twittere Melnyk damals. „Ein Affront. Sorry, ich bleibe fern.“ Das Präsidialamt wiederum bedauerte die Absage und verwies darauf, dass ukrainische, russische und belarussische Musiker gemeinsam aufträten.

„Steinmeier weiß nicht, was er mit uns anfangen soll“

Dass sich Steinmeier bei seiner Wiederwahl als Bundespräsident am 13. Februar, also vor dem Überfall russischer Truppen auf die Ukraine, sehr klar gegen Putin positioniert hatte, ließ Melnyk nicht gelten. Das kaufe er ihm nicht ab, sagte der Botschafter. „Zu uns Ukrainern hat er keinen Bezug. Steinmeier weiß nicht, was er mit uns anfangen soll, obwohl er selbst in Kiew und sogar in Lwiw war.“

Schon vor dem Interview mit der harschen Kritik am Bundespräsidenten hatte das Präsidialamt ein Gesprächsangebot an Melnyk gemacht, zu dem es nach Auskunft des Präsidialamts bislang keine Antwort gibt.

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