EU-Ratspräsidentschaft - was bedeutet das überhaupt?
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Flaggen der Europäischen Union wehen im Wind vor dem Europa-Gebäude in Brüssel.
© Quelle: Arne Immanuel Bänsch/Conference
Brüssel. Der Rat der Europäischen Union besteht aus je einem Regierungsvertreter der Mitgliedstaaten. Je nach Politikbereich tagt er in verschiedenen Formationen. Die Mitgliedstaaten entsenden daher oft die entsprechenden Fachministerinnen und Fachminister. Aus dem Grund wird der Rat der Europäischen Union auch Ministerrat genannt.
Den Vorsitz der verschiedenen Ratsformationen wechselt unter den Mitgliedstaaten im halbjährlichen Rhythmus, die sogenannte Ratspräsidentschaft. Alle Ratsformationen tagen in der Regel zweimal pro Ratspräsidentschaft.
Europäischer Rat oder Rat der Europäischen Union? Das ist der Unterschied
Die Gründer der EU haben seit den Anfängen 1952 ein Begriffs-Wirrwarr angerichtet. So gibt es heute den Europäischen Rat und den Rat der Europäischen Union. Ersteres ist das Gremium der EU-Staats- und Regierungschefs, das die großen Linien vorgibt. Letzteres ist der Oberbegriff für die Ministerräte, wo die Gesetzgebung verhandelt und die Politik der 27 Staaten koordiniert wird. Der in Straßburg ansässige Europarat hat übrigens nichts mit der EU zu tun. Das ist eine eigenständige internationale Organisation mit 47 Staaten.
Wieso gibt es eine wechselnde Ratspräsidentschaft?
Das erklärt sich historisch: Das Amt des ständigen EU-Ratspräsidenten wurde erst mit dem Vertrag von Lissabon 2007 geschaffen. Derzeit ist das der Belgier Charles Michel. Er leitet die Treffen der Staats- und Regierungschefs, also die Gipfel. Vorher wechselte auch der Vorsitz im Europäischen Rat alle sechs Monate. Bei der deutschen Ratspräsidentschaft 2007 hatte Merkel also bei den Gipfeln die Leitung. Jetzt betrifft die rotierende Ratspräsidentschaft formal nur die Ministerräte.
Was tut ein Land während der Ratspräsidentschaft?
Die jeweiligen Fachminister leiten die Sitzungen der Ratsformationen. Für informelle Treffen und Konferenzen laden sie ins eigene Land ein, was immer auch ein bisschen Eigen- und Tourismuswerbung ist. Die Ratspräsidentschaft gibt zudem politische Schwerpunkte vor.
Deutschland hatte 2020 unter Angela Merkel zuletzt den Vorsitz über den Ministerrat. Der 24-seitige Entwurf nannte damals als Ziele unter anderem Fortschritte bei der Digitalisierung, beim Klimaschutz, beim sozialen Ausgleich und der gemeinsamen Sicherheitspolitik. Über allem stand jedoch die Bewältigung der Corona-Krise. Das Vorsitzland ist immer auch Vermittler, das eigene Interessen zurückstellen soll.
Was kann ein Land während der Ratspräsidentschaft erreichen?
Bei der deutschen Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2007 ereilte Merkel ebenfalls ein Krisenszenario: Der mühsam ausgehandelte Verfassungsvertrag für Europa war 2005 in Referenden in Frankreich und den Niederlanden gescheitert und die Europäische Union rätselte, wie es weiter gehen soll. Unter deutscher Präsidentschaft gelangen Eckpunkte für einen Reformvertrag, der dann unter portugiesischer Präsidentschaft in Lissabon unterzeichnet wurde. 2020 war die Not noch größer. „Mit der Corona-Pandemie steht die Europäische Union vor einer schicksalhaften Herausforderung“, stellte die Bundesregierung in ihrem Programm fest.
Wer bestimmt, welches Land dran ist?
Das wird mit einem Ratsbeschluss langfristig festgelegt, folgt aber einer festen Rotation: Alle einmal durch und dann wieder von vorne. Als die Europäischen Gemeinschaften anfangs nur sechs Mitglieder hatten und später neun, waren die Abstände kurz. Deshalb war es 2020 es auch schon die 13. deutsche Ratspräsidentschaft. Aus dem einschlägigen Beschluss für die Zeit bis 2030 wird aber klar: Das war‘s jetzt erstmal. Deutschland taucht in der Liste nicht mehr auf.
Welches Land hat wann die EU-Ratspräsidentschaft?
Diese Länder haben in den nächsten Jahren die Ratspräsidentschaft inne:
Jahr | Januar bis Juni | Juli bis Dezember |
---|---|---|
2022 | Frankreich | Tschechien |
2023 | Schweden | Spanien |
2024 | Belgien | Ungarn |
2025 | Polen | Dänemark |
2026 | Zypern | Irland |
2027 | Litauen | Griechenland |
2028 | Italien | Lettland |
2029 | Luxemburg | Niederlande |
2030 | Slowakei | Malta |
RND/dpa/lau