Union will die Deutsche Bahn aufspalten – was soll das bringen?
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Die Union hat vorgeschlagen, die Deutsche Bahn AG in Netz und Betrieb aufzuspalten.
© Quelle: Christoph Soeder/dpa/Archivbild
Berlin. CDU und CSU wollen die Deutsche Bahn schlanker aufstellen. Dafür schlägt die Unionsfraktion im Bundestag eine Zerschlagung des Staatskonzerns mit einer vollständigen Trennung von Netz (Infrastruktur) und Betrieb vor, wie aus einem Reformpapier hervorgeht, welches dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) vorliegt. Zuvor hatte die „Augsburger Allgemeine“ berichtet.
In dem Schreiben heißt es, dass die Bereiche Netz, Bahnhöfe und die Energiesparte aus dem Verbund herausgelöst werden und in einer Infrastruktur GmbH des Bundes gebündelt werden sollen. Bei der Bahn sollen die Bereiche Nahverkehr, Fernverkehr und Gütertransport verbleiben und verschlankt werden. Die Speditionstochter Schenker soll ebenfalls bei der Bahn bleiben. „Die Holding der DB wird aufgelöst und die bisherige DB-Struktur mit 740 Beteiligungen und Tochtergesellschaften entflochten“, fordert die Union in dem Papier. Außerdem soll mit der strikten Trennung von Netz und Betrieb für mehr Wettbewerb auf der Schiene gesorgt werden. „Das Schienennetz wurde viel zu lange einseitig betrieben“, betonen CDU und CSU.
Union: Bahnbetrieb notorisch überbelastet
Die Union prangert in dem Papier die Bahnpolitik der vergangenen Jahre, und damit auch die eigene, an. „Unpünktlichkeit, kaputte Züge und Unzuverlässigkeit sind bei vielen Reisen mit dem Zug an der Tagesordnung.“ Der Betrieb sei notorisch überbelastet. Als Gründe führt die Union beispielsweise das Ausbleiben wichtiger Investitionen in die veraltete Infrastruktur, eine gestiegene Konzernverschuldung und eine zu langsam voranschreitende Digitalisierung an.
CSU-Verkehrsexperte Ulrich Lange sagte gegenüber der „Augsburger Allgemeinen“, dass die Bahn mit der aktuellen Struktur weder das laufende Geschäft noch die Wachstumsziele im Fern- und Güterverkehr erfüllen könne. Die Zerschlagung des Bahnkonzerns werde auch dazu führen, dass private Konkurrenten bessere Chancen bekämen. „Die Trennung von Netz und Betrieb wird sich auch positiv auf den Wettbewerb auswirken, da andere Anbieter als die Deutsche Bahn das Schienennetz stärker als bisher nutzen können.“ Lange forderte die Ampelparteien auf, dem Vorschlag zu folgen.
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Der CSU-Verkehrsexperte Ulrich Lange.
© Quelle: picture alliance/dpa
Reform der Bahn im Koalitionsvertrag festgehalten – aber keine vollständige Trennung
Eine Reform der Deutschen Bahn ist auch im Koalitionsvertrag der Ampelregierung festgehalten, der Ende 2021 zwischen SPD, Grüne und FDP ausgehandelt wurde. Die internen Strukturen sollen demnach effizienter und transparenter gestaltet werden und sehen ebenfalls eine Herauslösung der Infrastruktur vor – allerdings innerhalb des Konzerns.
„Die Infrastruktureinheiten (DB Netz, DB Station und Service) der Deutschen Bahn AG werden innerhalb des Konzerns zu einer neuen, gemeinwohlorientierten Infrastruktursparte zusammengelegt“, heißt es im Koalitionsvertrag. Diese Infrastruktursparte soll zu 100 Prozent im Eigentum der Deutschen Bahn als Gesamtkonzern verbleiben. „Gewinne aus dem Betrieb der Infrastruktur verbleiben zukünftig in der neuen Infrastruktureinheit. Die Eisenbahnverkehrsunternehmen werden markt- und gewinnorientiert im Wettbewerb weitergeführt“, heißt es weiter.
Eine vollständige Trennung von Netz und Betrieb, wie sie die Union fordert, ist damit also nicht gemeint. Der SPD-Fraktionsvorsitzende und Verkehrsexperte Detlef Müller erteilte dieser bereits im vergangenen Jahr eine klare Absage. „Ganz im Gegenteil: Wir sorgen dafür, dass die neue Infrastruktursparte gemeinwohlorientiert und nicht gewinnmaximierend aufgestellt sein wird“, sagte Müller. Die Gewinne aus dem Betrieb würden durch die Reform vollständig in der Infrastruktur verbleiben.
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Der SPD-Fraktionsvorsitzende und Verkehrsexperte Detlef Müller.
© Quelle: Jörg Carstensen/dpa
Zu den aktuellen Forderungen der Union sagte Müller, dass keines der Probleme des Schienensektors mit einer Zerschlagung des Konzerns gelöst werden würde. Vielmehr müsse jetzt die geplante gemeinwohlorientierte Infrastruktursparte innerhalb des integrierten Konzerns umgesetzt werden. So lasse sich eine schnelle Instandsetzung des Schienennetzes realisieren. „Die Ampel ist längst am Thema dran. Es wäre sinnvoll, wenn die Union ihre Kraft darauf verwendet, sich konstruktiv an der Umsetzung zu beteiligen“, sagte Müller.
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) kündigte im Juni 2022 an, dass die neue Infrastrukturgesellschaft zum 1. Januar 2024 starten soll.
Zustimmung für Unionsforderungen – auch aus der Ampel
Die Union bekommt für ihren Vorstoß mehrheitlich Zuspruch, sogar aus der Ampelkoalition. „Es ist begrüßenswert, dass die Union die Stoßrichtung dieser Reformbemühungen unterstützt. Es sollen damit ja Probleme beseitigt werden, die während der unionsgeführten Bundesregierungen entstanden sind“, sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Verkehrsministerium, Michael Theurer (FDP), dem „Tagesspiegel“. Er verstehe den Vorschlag der Union „als Gesprächsangebot, auch im Hinblick auf eine möglicherweise notwendige Zustimmung des Bundesrats“.
Der Grünen-Verkehrspolitiker Stefan Gelbhaar sagte der Zeitung zu den Ideen der Union: „Schön, dass die Union den massiven Handlungsbedarf bei der Bahninfrastruktur nach über einem Jahrzehnt CSU-Verkehrsminister endlich erkennt.“ Künftig müsse mehr Personen- und Güterverkehr über die Bahn abgewickelt werden. Der bahnpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Matthias Gastel, meinte, ein Großteil der Vorschläge, die auch im Koalitionsvertrag vereinbart wurden, werde von der jetzigen Regierung bereits umgesetzt. Die Reform sei „eine wichtige Voraussetzung für mehr Verkehr auf der Schiene – zu Lasten von Straße und Luftverkehr.“
Lokführergewerkschaft GDL: Vollständige Trennung von Netz und Betrieb richtig
Für die Pläne der Union sprach sich auch die Lokführergewerkschaft GDL aus. Gewerkschaftschef Claus Weselsky sagte dem Nachrichtenradio „MDR aktuell“, das derzeitige System führe zu Unpünktlichkeit und Unzuverlässigkeit. „Deshalb sei es richtig, mit einem Schnitt die Infrastruktur herauszutrennen und dafür Sorge zu tragen, dass die Infrastruktur stärker vom Bund geführt und kontrolliert werden kann“, sagte der GDL-Chef. Der Vorschlag der Union, die Bereiche Netz, Bahnhöfe und die Energiesparte aus dem Verbund herauszulösen und in einer Infrastruktur GmbH des Bundes zu bündeln, sei richtig.
Weselsky warnte aber vor übertriebenen Erwartungen an eine solche Umstrukturierung: „Wir dürfen nicht ins Träumen geraten. Eine Verbesserung der Verhältnisse wird erst mit Milliardeninvestitionen aus Steuergeldern spürbar.“ Es müsse mehr Kapazitäten im Netz geben, mehr Weichen und Überholungsstrecken.
Der Fahrgastverband Pro Bahn kann den Unionsplänen ebenfalls Positives abgewinnen. Der Bundesvorsitzende Detlef Neuß sagte der „Welt“, der Verband sei seit Jahren für eine Trennung von Netz und Betrieb bei der Bahn. Er betonte zugleich: „Dabei kommt es uns weniger darauf an, den Konzern DB AG zu zerschlagen, sondern darauf, sowohl das Netz als auch Station und Service in eine Gesellschaftsform zu überführen, die nicht gewinn- sondern gemeinwohlorientiert arbeitet.“ Dazu tauge eine Aktiengesellschaft nicht, eine gemeinnützige GmbH unter dem Dach der Deutschen Bahn sei denkbar.
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EVG kritisiert Unionsvorschlag: „Trennungsdebatte lenkt von den großen, realen Problemen ab“
Gegenwind kommt von anderen Gewerkschaften. Der Vorsitzende der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), Martin Burkert, lehnt eine Zerschlagung des Deutsche-Bahn-Konzerns ab: „Wir sind für den Erhalt des integrierten DB-Konzerns und gegen die Trennung von Netz und Betrieb. Denn entscheidend für einen besseren Schienenverkehr in Deutschland ist die auskömmliche Finanzierung der Infrastruktur“, teilte Burkert in einer Mitteilung mit. CDU und CSU seien hauptsächlich verantwortlich für das marode Schienennetz und den Sanierungsstau. Nun versuche die Union ihre verfehlte Verkehrspolitik von CSU-Ministern der Deutschen Bahn anzulasten.
„Die Eisenbahnfamilie lässt sich nicht für Wettbewerbswahn und eine falsche Verkehrspolitik zerschlagen. Es fehlt an Wertschätzung von DB-Beschäftigten, die täglich für Mobilität in unserem Land sorgen“, so der EVG-Chef weiter. Durch eine Trennung von Netz und Betrieb würden viele gute und tarifgebundene Arbeitsplätze im DB-Konzern gefährdet.
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EVG-Chef Martin Burkert.
© Quelle: Max Lautenschlaeger/EVG Eisenbah
Zudem würden Synergieeffekte im DB-Konzern wegfallen und zahlreiche neue Schnittstellen entstünden. „Struktur- und Rechtsformdebatten dürfen die Eisenbahnbranche nicht auf Jahre lähmen und Ressourcen binden. Zeit, die wir angesichts eines ungebremst fortschreitenden Klimawandels nicht haben“, erklärte Burkert. Entscheidend um die Eisenbahn in den nächsten Jahren nach vorn zu bringen sowie mehr Personen- und Güter-Verkehr auf der umweltfreundlichen Schiene verlagern zu können, sei vor allem eine langfristige und effektive Finanzierung der maroden Schieneninfrastruktur. Nur so könne der enorme Sanierungsstau effektiv und schnell abgebaut werden.
„Die Trennungsdebatte lenkt also von den großen, realen Problemen der Eisenbahn- und Verkehrspolitik ab und behindert ihre Lösung“, betonte der EVG-Chef. Die Gewerkschaft halte den integrierten Konzern Deutsche Bahn AG als Rückgrat der ökologischen Verkehrswende für das beste Modell, um die großen Herausforderungen in den kommenden Jahren zu meistern. „Gleichzeitig ist es richtig, dass die Infrastrukturunternehmen der DB AG künftig stärker auf gemeinwirtschaftliche Aufgaben statt auf Renditemaximierung ausgerichtet werden sollen“, sagte Burkert.
Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) kritisierte den Unionsvorstoß und sprach von „altem Wein in neuen Schläuchen“. Seit Jahren werde zu wenig in die Schiene investiert, dem lasse sich auch nicht mit der Zerschlagung der chronisch unterfinanzierten Bahn beikommen, sagte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell am Sonntag. Jahrelange Strukturdebatten würden die bestehenden Probleme eher noch verschärfen, als sie im Sinne der Kunden zu lösen. „Es muss endlich massiv in die Schiene investiert werden, nur so gelingt der Umstieg auf die Schiene, um die Klimaziele zu erreichen. Dafür sollte die Politik jetzt sorgen.“
mit Agenturmaterial