Der Kanzler hält die Füße still – und die Hände
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Bundeskanzler Olaf Scholz, SPD, aufgenommen im Rahmen des Europafestes in Falkensee.
© Quelle: IMAGO/photothek
Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,
die Kritikerinnen und Kritiker von Olaf Scholz bemängeln regelmäßig nicht nur die Politik des Kanzlers, sondern oft auch sein komplettes Auftreten. Er sei zu zurückgenommen, zu vorsichtig, geradezu ein „Scholzomat“ – ein emotionsloser Roboter, der stets kontrolliert und spärlich antworte. Er mache manchmal im Satz längere Pausen, in denen man sich fragen könne, ob das nun eine dramatische Zäsur ist oder er vergessen hat, was er eigentlich sagen wolle. Manche nennen ihn auch den „Teflon-Scholz“, weil am Kanzler jegliche Kritik und Skandälchen abzuperlen scheinen. Kriegt der Kanzler ein Mikrofon in die Hand gedrückt, klammert er sich mit beiden Händen regelrecht daran fest. Hinzu kommen ein verhaltener Gang und besonders leises Sprechen.
Dass sich ein Bundeskanzler oder eine Bundeskanzlerin in der Öffentlichkeit auch einmal zurückhält, dürfte spätestens seit Angela Merkel jedem klar geworden sein. Und bei der gemeinsamen Regierungszeit zusammen mit der Altkanzlerin hat sich Scholz sicherlich das ein oder andere abschauen können. Ist sein Auftreten also einfach nur Teil einer ausgetüftelten Strategie? Mein Kollege Jan-Philipp Chluba hat sich auf die Suche nach einer Antwort begeben (+).
„Scholz ist ein Kontrollfreak“
Er hat dafür mit Tilman Billing, Experte für Körpersprache, Medientrainer und Führungskräftecoach für Reden und Präsentationen, gesprochen. Billing trifft die Analyse: „Scholz ist ein Kontrollfreak. Er hat große Angst, Fehler zu machen und Anzeichen von Unsicherheit zu zeigen.“ Scholz’ Hang zur Selbstkontrolle verhindere, dass sich seine Hände frei und lebendig bewegen, sagt der Körperspracheexperte. Das könne man häufig bei öffentlichen Auftritten des Kanzlers sehen. Bekomme Scholz ein Mikrofon in die Hand, beginne er zu klammern. „Aus Angst, körpersprachlich und emotional die Kontrolle zu verlieren, umklammert er die meiste Zeit über das Mikrofon und sucht am Mikrofonständer Halt“, erklärt Billing.
Die Kritik an seinem Auftreten scheint aber nicht auf taube Ohren gestoßen zu sein. Billing beobachtet, dass der Bundeskanzler in den vergangenen Jahren eine positive Entwicklung durchgemacht habe. Spätestens im Bundestagswahlkampf muss Scholz und seinem Beraterteam bewusst geworden sein, dass er nur Kanzler werden könne, „wenn er für bestimmte Wählergruppen sympathisch wirkt“. Scholz zeige nun regelmäßig ein authentisches Lächeln. Er wirke engagierter, ehrlicher und eben authentischer als früher. „Dass es sich um kein einstudiertes, sondern ein echtes Lächeln handelt, erkennt man daran, dass die Augen mitlachen und Lachfältchen um die Augen herum sichtbar werden“, erklärt der Präsentationsexperte meinem Kollegen.
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„Schlumpfiges“ Lächeln anstatt roboterhafter „Scholzomat“: Scholz hat laut dem Körperspracheexperten eine Wandlung durchgemacht.
© Quelle: Kay Nietfeld/dpa
Überzeugungskraft und Glaubwürdigkeit erreiche niemand ohne eine lebendige Körpersprache, und so habe sich auch Bundeskanzler Olaf Scholz vom „Scholzomaten“ zu einer Person, die für ihr „schlumpfiges Grinsen“ bekannt ist, entwickelt. „Spannend zu beobachten wird sein, ob es dem Kanzler in Zukunft gelingen wird, im wichtigsten Bereich der Körpersprache, der Gestik, seine Hände beim Sprechen auf lebendige, natürliche und authentische Weise zu bewegen“, sagt Billing. Offen bleibt, ob die Kritikerinnen und Kritiker dafür nicht wieder einen neuen Spitznamen finden werden.
Wir wünschen Ihnen einen guten Start in diesen Tag,
Ihre Lucie Wittenberg
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Zitat des Tages
Wir sind wegen der Musik hier.
Daniel,
Rammstein-Fan, auf dem ersten Konzert der Band in München nach den Vorwürfen
Die deutsche Metal-Band Rammstein hat in München ihr erstes Deutschland-Konzert der Stadiontour 2023 durch Europa gespielt. Doch um Musik ging es bei der Band in den letzten Tagen kaum noch. Mehrere Frauen erhoben schwere Anschuldigungen gegen Frontmann Till Lindemann. Fans reagierten vor Ort eher gelassen auf die Vorwürfe. Mein Kollege Leonard Laurig hat mit einigen von ihnen über die Vorwürfe sprechen können.
Wer heute wichtig wird
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Der britische Premierminister Sunak besucht heute die US-Hauptstadt Washington. In Gesprächen mit US-Präsident Biden dürfte es auch viel um den Ukraine-Krieg und den zerstörten Staudamm gehen. Die USA und Großbritannien sind die größten Befürworter, der Ukraine F‑16-Kampfjets zu liefern.
© Quelle: IMAGO/UPI Photo
Termin des Tages
Kanzler in Italien, Außenministerin in Argentinien: Es ist der erste Besuch des Kanzlers in Rom seit dem Amtsantritt Giorgia Melonis, die Parteichefin der rechtsradikalen Fratelli d’Italia ist. Im Februar hatte sich Meloni bereits in Berlin vorgestellt. Zu den Themen des Gesprächs dürften die Asylpolitik und die Unterstützung der Ukraine im Abwehrkampf gegen die russischen Angreifer zählen. In Kolumbien steht für Annalena Baerbock der Friedensprozess im Land im Vordergrund, aber auch die Themen Klima und Frauenrechte.
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