CDU-Sozialflügel: Merz muss Sozialpolitik in den Blick nehmen

Friedrich Merz, aufgenommen im Rahmen des 32. Bundesparteitages der CDU in Leipzig im Jahr 2019.

Friedrich Merz, aufgenommen im Rahmen des 32. Bundesparteitages der CDU in Leipzig im Jahr 2019.

Berlin. Herr Radtke, am Samstag stellt die CDU auf einem Parteitag ihre Führung neu auf – von Parteichef bis Vorstand. Was folgt daraus für die Partei?

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Der Parteitag ist der finale Schritt, um sich in der Opposition neu aufzustellen. Nach 16 Jahren in der Regierung muss man in dem neuen Aggregatzustand erst mal ankommen. Da die Ampelkoalition in den ersten Wochen ein ziemlich desaströses Bild abgibt, ist es umso wichtiger, dass die CDU jetzt mit der Arbeit beginnt.

Dass Friedrich Merz Parteichef wird, ist klar. Welche Kriterien gibt es für seinen Erfolg?

Das Wichtigste ist, dass wir wieder Ruhe und Disziplin in die Partei bekommen. Das nächste Bundestagswahl-Ergebnis ist sekundär, sie ist noch viel zu weit weg. Die drei Landtagswahlen im Frühjahr, in denen wir jeweils mit einem Amtsinhaber antreten, haben eine enorme Bedeutung für die CDU. Wir müssen uns als geschlossene Einheit präsentieren. Und als gute Alternative zur Ampel.

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Dennis Radtke, Vizevorsitzender der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA).

Dennis Radtke, Vizevorsitzender der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA).

Wie passt es zur Geschlossenheit, dass die Besetzung des Fraktionsvorsitzes nicht geklärt ist? Amtsinhaber Ralph Brinkhaus will den Job gerne behalten, Friedrich Merz hätte ihn aber wohl auch gerne.

Friedrich Merz und Ralph Brinkhaus müssen sich da verständigen, auch über den Zeitplan. Der Dissens zwischen Markus Söder und Armin Laschet um die Kanzlerkandidatur im vergangenen Jahr hat eines gezeigt: Ein wochenlanges öffentliches Fingerhakeln schadet der Partei. Das dürfen wir uns nicht noch einmal leisten.

Das heißt, man sollte die Frage eher schneller klären, als bis zum April zu warten, wenn die Amtszeit von Brinkhaus ausläuft?

Wichtig ist nicht die Geschwindigkeit, sondern der Stil. Zwei so erfahrene Spitzenpolitiker sollten es schaffen, das hinter verschlossenen Türen zu klären – ohne Verletzungen, die nachwirken.

Würde es der CDU eher guttun, die Macht in einer Hand zu konzentrieren oder sie auf vier Schultern zu verteilen?

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Beide Modelle haben etwas für sich. Ralph Brinkhaus hat sehr gute Arbeit geleistet und ist einer unserer stärksten Debattenredner. Aber es gibt auch Argumente dafür, alles in einer Hand zu konzentrieren.

Merz ist bislang als Vertreter des Wirtschaftsflügels aufgetreten. Haben Sie als Sozialpolitiker Sorge, dass die Sozialpolitik in der CDU unter die Räder kommt?

Nein. Mir ist wichtig, dass der Sozialflügel der CDU sichtbar ist, mit Inhalten wie mit Köpfen. Friedrich Merz bewirbt sich nicht als Vorsitzender des Wirtschaftsflügels, sondern als Chef der gesamten Partei. Seine Aufgabe wird sein, dass die unterschiedlichen Interessengruppen sichtbar werden und die Dinge in der Balance gehalten werden.

Die CDU muss mit der gleichen Leidenschaft für einen unbürokratischen Unterhaltsvorschuss für Alleinerziehende kämpfen, wie sie es bereits gegen die Vorfälligkeit von Sozialversicherungsbeiträgen von Unternehmen tut. Es kann nicht sein, dass das eine das Leib-und-Magen-Thema ist und das andere eine Randerscheinung.

Was bedeutet das konkret? Wo muss sich die CDU im Sozialbereich profilieren?

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Wir haben in der großen Koalition viel Soziales auf den Weg gebracht, aber wir haben es katastrophal verkauft. Bei vielen Entscheidungen, vom Mindestlohn bis zur Grundrente, haben wir so getan, als hätte die SPD uns das abtrotzen müssen. So war es aber nicht. Es ist also wichtig, mit bestimmten Entscheidungen unseren Frieden zu schließen. Außerdem müssen wir Konzepte entwickeln, etwa dafür, wie wir die sozialen Sicherungssysteme auf breitere Füße stellen. Die Defizite in Kranken- und Pflegeversicherung, der erhöhte Finanzbedarf in der Rentenversicherung machen das dringend nötig.

Für die Rente haben wir im Wahlprogramm eine Generationenrente angekündigt, also einen zusätzlichen kapitalgestützten Anteil für Neugeborene. Außerdem wollen wir eine Zusatzrente für Geringverdiener als Ersatz für die gescheiterte Riester-Rente. Das weiß nur keiner, weil wir selber nicht drüber geredet haben. Und die Sozialpolitik der Ampel ist ein Ausfall: Beim Corona-Pflegebonus wird geknapst. Der Bonus muss breit ausgezahlt werden, und zwar an alle, von der Reinigungs- bis zur Intensivpflegekraft.

Außerdem hat Christian Lindner den Grundfreibetrag nicht an die aktuelle Inflation angepasst, sodass die kalte Progression den Arbeitnehmern gerade mehr als eine Milliarde Euro aus der Tasche zieht. Die Mitwirkungspflicht bei Hartz IV zu schleifen entspricht auch nicht unserer Vorstellung von Sozialpolitik. Es kann doch nicht sein, dass die Gemeinschaft die persönliche Lustlosigkeit Einzelner finanziert. Bei diesen Themen muss die Union jetzt Attacke reiten.

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