Wie Gold und Öl – Regierung will „Datenschatz“ heben
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/K5WTT2TCPBGIZNQAWN2V4XDBUE.jpg)
Helge Braun, Chef des Bundeskanzleramts.
© Quelle: Florian Gaertner/photothek.net
Berlin. Für Kanzleramtschef Braun und Staatsministerin Bär ist es ein Schatz wie Gold und Rohstoffe, nur macht die Nutzung vielen Menschen mehr Angst als das Öl oder die Feinunze: es geht um Daten. Und darum, wie gut Deutschland auch international den Anschluss im Zeitalter der Digitalisierung und künstlichen Intelligenz halten wird. Die Bundesregierung beschloss dafür am Mittwoch erstmals eine Datenstrategie für Innovation und Wachstum in der Wirtschaft, in der Wissenschaft und in der Gesellschaft – 240 Einzelmaßnahmen.
Wie wenig Deutschland „Datenschätze“ in den vergangenen Jahren gehoben hat, zeigen die mangelnde Digitalisierung und Vernetzung von deutschen Behörden, Schulen und Laboren – das ist eines der großen Probleme bei der Bewältigung der Corona-Pandemie. Dieses Brennglas in der Krise gibt andererseits einen neuen Schub für zusätzliche Anstrengungen – und Verständnis.
Dass Datennutzung die Widerstandskraft einer Gesellschaft erhöhe, beweise gerade die Kommunikation in der Corona-Krise über Videokonferenzen, sei es in der Arbeitswelt oder im Bildungssystem, sagte Kanzleramtschef Helge Braun (CDU). Er betont: „Datennutzung ist auch etwas, was die Resilienz unserer Gesellschaft steigert.”
Braun: Das Potenzial ist kaum hoch genug einzuschätzen
Häufig fehle allerdings die Kompetenz, aus vorhandenen Daten mehr zu machen. Braun, gelernter Anästhesist, erklärt, mit bildgebender Diagnostik etwa seien Röntgenbilder besser auszuwerten, als der Arzt es leisten könne. Datennutzungen seien für die nationale Forschung, das Gesundheitswesen und datengetriebene Geschäftsmodelle der Wirtschaft gewaltige Vorteile. „Wie groß das Potenzial von Daten ist, kann man kaum hoch genug einschätzen.” Die „Datenschätze” dürften nicht ungenutzt liegen gelassen werden, mahnte Braun.
Er bezifferte unter Berufung auf Wirtschaftsexperten das Wertschöpfungspotenzial der Datenökonomie bis zum Jahr 2025 allein für Deutschland auf bis zu 425 Milliarden Euro. Für ganz Europa werde es für die nächsten zehn Jahren auf bis zu 1,25 Billionen Euro geschätzt. Wissenschaftler gingen aber davon aus, dass 90 Prozent der Daten bisher gar nicht genutzt würden.
Um auch im internationalen Wettbewerb mit den USA und China künftig besser bestehen zu können, sollen Unternehmen und Behörden Daten zur gewerblichen Nutzung bereitstellen. Der Schutz des geistigen Eigentums und der Geschäftsgeheimnisse soll gesichert werden und europäische Werte die Basis bilden. Der Staat werde mit der Bereitstellung öffentlicher Verwaltungsdaten vorangehen.
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/LDRHNWISCFBLPDUVXR3G3KNTWM.jpeg)
Dorothee Bär (CSU), Staatsministerin für Digitalisierung.
© Quelle: Hauke-Christian Dittrich/dpa
Digital-Staatsministerin Dorothee Bär (CSU) sagte, Datennutzung löse bei vielen Menschen Angst und negative Gefühle aus. In der digitalen Welt werde aber jeder Einzelne gebraucht. Es gebe so viele Verbesserungen und Errungenschaften wie die Nutzung von Verkehrsdaten – etwa, wer wann wohin mit dem Auto fährt –, um durch ein intelligentes Leitsystem Staus zu vermeiden und die Luftverschmutzung zu reduzieren. Datenkompetenz gehöre zum ABC der Digitalisierung. Schon in der Schule müssten die Kinder den Umgang damit lernen. Manche Wissenschaftler hielten Datenkenntnis sogar für wichtiger als Tischmanieren. Das allerdings sehe sie als Mutter anders: „Hier sollte es ein sowohl als auch geben.”
Nach der Pressekonferenz ins „Clubhouse“
Im Anschluss an die – digitale – Pressekonferenz diskutierten Braun und Bär in der App „Clubhouse” mit zahlreichen Zuhörerinnen und Zuhörern über die Digitalstrategie der Bundesregierung. „Clubhouse” ist eine Social-Media-App aus den USA, in der sich die Nutzer an Talkrunden beteiligen können. Die App wurde in den vergangenen Wochen ein Renner im Bereich von Politik und Medien. Kritisiert wird aber, dass die App nach dem Zugriff nach dem Adressbuch der Nutzer fragt. So sollen schneller Bekannte bei der App zu finden sein. Man kann den Zugang zu den eigenen Kontakten bei der Anmeldung aber auch verweigern. Derzeit kann die App allerdings nicht mit Android-Geräten genutzt werden, was einen Teil möglicher Interessenten ausschließt.
Nach „Clubhouse”-Fauxpas: Ramelow entschuldigt sich
Bodo Ramelow plauderte in der Talkrunde "Trash und Feuilleton" der App Clubhouse aus dem Nähkästchen. Für den Begriff "Merkelchen" entschuldigte sich der Ministerpräsident im Nachhinein.
© Quelle: dpa
Braun und Bär verteidigten ihren Auftritt bei „Clubhouse” gegen Bedenken, die Bundesregierung könne damit ein Signal setzen, dass ihr Datenschutz doch nicht so wichtig sei und sie sich an elitären Gesprächsrunden beteilige. Bär nannte es ein typisches Phänomen, „Dinge zu zerreden, bevor sie gerade erst begonnen haben”. Sie verwies ausdrücklich darauf, dass der Zugriff auf das Adressbuch verwehrt werden könne. Im Übrigen hätten sie und Braun in der – für alle öffentlichen – Pressekonferenz zuvor dieselben Informationen gegeben. Braun betonte, dass die Bundesregierung strikt am Datenschutz festhalte.