Das steht im Verfassungsschutz-Gutachten zur AfD
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Der Verfassungsschutz würde den „Verdachtsfall“ AfD gern beobachten, doch das Verwaltungsgericht Köln hat ihn vorerst gestoppt.
© Quelle: imago/Christian Ohde/Future Image/RND Montage Behrens
Berlin. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) in Köln-Chorweiler hat es sich nicht leicht gemacht mit der AfD. Politiker aller anderen Parteien forderten seit vielen Monaten die Einstufung der Gesamtpartei als rechtsextremer „Verdachtsfall“, doch das BfV wollte wasserdicht arbeiten.
Es hat geduldig Informationen gesammelt, Zulieferungen aus dem Verbund mit den Ländern zusammengetragen. Es hat sich Rat von Experten geholt, die bereits die Begründung für die Einstufungen mehrerer ostdeutscher Landesverbände entwickelt hatten. 1001 Seiten kamen zusammen.
Teilerfolg für AfD – Gauland: "Wer schützt uns vorm Verfassungsschutz?"
Die AfD-Spitzenpolitiker Alexander Gauland und Tino Chrupalla nehmen Stellung zu dem Urteil.
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Vorerst ist die Beobachtung nach einem „Hängebeschluss“ des Verwaltungsgerichts Köln gestoppt. Das Gericht wirft dem BfV vor, die Information trotz einer Stillhaltezusage „durchgestochen“ zu haben. Doch die Behörde ist entschlossen, die AfD weiter in den Blick zu nehmen.
Ihr Fazit: Die AfD ist aus drei Gründen eine Gefahr für die Demokratie. Sie paktiert mit rechtsextremen Organisationen und Straßenakteuren, sie propagiert ein völkisch-nationalistisches Menschenbild und schließt damit große Gruppen von der Zugehörigkeit zum Staatsvolk aus, und der Einfluss des bereits als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ beobachteten Ex-„Flügels“ in der Partei wächst weiter.
Die AfD selbst kann demnächst all das nachlesen, was der Verfassungsschutz über sie gesammelt hat. Denn das Gutachten gehört zu den vielen Tausend Seiten Material, das die Behörde dem Verwaltungsgericht übermittelt hat, um sich in dem Eilverfahren zu verteidigen, mit dem die AfD die Beobachtung verhindern will.
Am Freitag zitierte zunächst der „Spiegel“ aus dem Werk. „Auch ein gewaltsamer Widerstand – zumindest bei Teilen der Partei – kann nicht prinzipiell ausgeschlossen werden“, ist die deutlichste dort enthaltene Warnung.
Querverbindungen zu Rechtsextremen
Auf knapp 150 Seiten der Analyse werden die Querverbindungen zu rechtsextremen Initiativen dargelegt, wie der „Identitären Bewegung“, wie „Ein Prozent“ oder dem Verein „Zukunft Heimat“, der im brandenburgischen Cottbus erst flüchtlingsfeindliche Demos, dann Corona-Kundgebungen veranstaltete. Chef des Vereins, der vom brandenburgischen Verfassungsschutz beobachtet wird und beste Verbindungen ins Cottbuser Neonazi-Milieu pflegt, ist der Potsdamer AfD-Landtags-Fraktionsvorsitzende Hans-Christoph Berndt. Auf einer Kundgebung in Cottbus sprach der Bundestags-Fraktionschef und Partei-Ehrenvorsitzende Alexander Gauland von einer „Corona-Diktatur“ – auch das hat das BfV penibel notiert.
Die zweite Säule der Beobachtung bezieht sich auf den Hass gegen den Islam und ein ethnisch-kulturelles Verständnis vom Staatsvolk. Muslime würden „pauschal diffamiert, herabgewürdigt und ausgegrenzt“, schreiben die Verfasser. Um die Vorwürfe der Behörde zu kontern, verabschiedeten Bundesvorstand und Landesvorstände der AfD im Januar eine „Erklärung zum deutschen Staatsvolk und zur deutschen Identität“. Darin findet sich der Satz: „Staatsbürger erster und zweiter Klasse gibt es für uns nicht.“ Der Landesverband Sachsen-Anhalt, kürzlich bereits zum rechtsextremen Verdachtsfall erklärt, gab intern die Sprachregelung aus, dass AfD-Redner abwertende Begriffe wie „Passdeutsche“ nicht mehr verwenden sollen.
Prognose: Übernehmen die Meuthen-Gegner die Macht?
Die dritte Säule ist eine Prognose: Wie wahrscheinlich ist es, dass die Rechtsextremen vom nur formell aufgelösten „Flügel“ um Björn Höcke die Macht in der Partei übernehmen? Dann wäre eine Beobachtung laut BfV endgültig angezeigt. Zwar haben die „Flügel“-Gegner um Parteichef Jörg Meuthen beim Bundesparteitag Ende November in Kalkar die Mehrheit im Bundesvorstand ausbauen können. Doch die Gegner vernetzen sich. Zu einem bundesweiten Ex-„Flügel“-Treffen in Brandenburg Mitte Januar kamen auch prominente Meuthen-Gegner wie Gauland und der zweite Parteichef Tino Chrupalla, um über eine Strategie für das Superwahljahr und die Zeit „nach Meuthen“ zu reden.
Das Ende des Machtkampfs abwarten wollte der Verfassungsschutz nicht. Es bedürfe der „Beobachtung und Aufklärung“ , wie es in der AfD weitergehe – auch mit Mitteln wie Telefonüberwachung und geheimer Informanten.
Zum Abwarten ist das BfV jetzt dennoch gezwungen: Weil die Geheimdienstler die beschlossene Beobachtung nicht geheim halten konnten, hat das Verwaltungsgericht Köln das Amt am Freitag dazu verdonnert, bis zum Abschluss des von der AfD angestrengten Eilverfahrens nicht tätig zu werden. Bis dahin können noch viele (Wahlkampf)-Monate vergehen.