Das müssen Sie zum Lebensmittelgipfel mit Merkel wissen

Bundeskanzlerin Angela Merkel lädt am heutigen Montag zum Lebensmittelgipfel ein.

Bundeskanzlerin Angela Merkel lädt am heutigen Montag zum Lebensmittelgipfel ein.

Berlin. Gepökelter Krustenbraten um die Hälfte runtergesetzt, zwei Kilogramm Hähnchenschenkel für 3,99 Euro: Im Konkurrenzkampf um die Kunden locken Supermärkte regelmäßig auch mit Schnäppchenaktionen für Lebensmittel. Das bringt nicht nur Landwirte auf die Palme. Die Bundesregierung hat das Brodeln aufgenommen und lädt zum Lebensmittelgipfel ein. Ein Überblick.

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Um was geht es bei dem Gipfel?

Angesichts umstrittener Billigangebote für Lebensmittel in den Supermärkten lädt Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zu dem Lebensmittelgipfel ein. Die Bundesregierung hatte bereits vorab das Ziel „angemessener“ Preise für die Landwirte deutlich gemacht, von denen unter anderem zusätzliche Anstrengungen zum Umweltschutz erwartet werden. Thema des Treffens sollen außerdem Neuregelungen bei Lieferkonditionen des Handels sein. Das Treffen war nach einem „Agrargipfel“ bei Merkel mit Vertretern der Landwirtschaft im Dezember angekündigt worden.

Wer nimmt daran teil?

Es werden Vertreter von Handel und Ernährungsindustrie zugegen sein. Neben Merkel werden zudem Agrarministerin Julia Klöckner und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (beide CDU) teilnehmen.

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Wie ist das Verhältnis zwischen Handel und Produzenten?

Die führenden Händler – Edeka, Rewe, Aldi und die Schwarz-Gruppe mit Lidl – kontrollieren nach Angaben des Bundeskartellamts zusammen mehr als 85 Prozent des Lebensmittelmarktes in Deutschland. Das gibt den „großen vier“ eine gewaltige Einkaufsmacht. Wer bei ihnen nicht gelistet ist, hat es schwer. Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) spricht denn auch von einem Verhältnis wie bei David gegen Goliath: „So fühlen sich aktuell Erzeuger, wenn sie mit dem Handel verhandeln – Augenhöhe ist nicht gegeben.“ Und das schlage sich auch in den Preisen nieder.

Wie geht der Handel mit Lieferanten um?

Bei Preisverhandlungen wird oft mit harten Bandagen gekämpft. Das kann bis zum vorübergehenden Boykott bestimmter Produkte gehen, um Lieferanten unter Druck zu setzen. Das bekamen in den vergangenen Jahren sogar bekannte große Markenhersteller wie Nestlé oder Coca-Cola zu spüren. Dabei sind ihre Produkte für den Handel deutlich schwerer zu ersetzen als Angebote von Bauern und anderen kleineren Anbietern. Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner will zugunsten der Bauern notfalls auch zu Sanktionen gegen große Handelsketten greifen. Wenn etwa Händler am Abend große Mengen Obst oder Gemüse bestellten und am nächsten Morgen die Hälfte davon stornierten, blieben Bauern ohne Entschädigung auf der Ware sitzen, kritisierte die CDU-Politikerin am Montag im „Deutschlandfunk“. „Unlautere Handelspraktiken wie kurzfristige Stornierungen können wir verbieten“, sagte Klöckner. Denkbare Sanktionen seien Geldstrafen oder Abmahnungen. Eine entsprechende EU-Richtlinie könne noch „in diesem Jahr“ in deutsches Recht umgesetzt werden.

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Was sagen Verbraucherschützer?

Die Verbraucherzentralen forderten faire Verhandlungsbedingungen für die Erzeuger. Der Chef des Bundesverbands (Vzbv), Klaus Müller, sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Ein Preisdruck des Handels zulasten von Tierschutz- und Umweltstandards ist nicht im Interesse der Verbraucher.“ Viele Kunden wünschten sich hohe Standards etwa beim Tierwohl und wären bereit, dafür mehr zu zahlen. „Aktuell können sie die Qualität eines Produktes aber kaum erkennen, schon gar nicht am Preis.“ Nötig seien bessere Haltungsbedingungen, ein Eindämmen der verwirrenden Werbeflut und verbindliche Kennzeichnungssysteme für Lebensmittel. Nicht vergessen werden dürften in der Debatte aber auch Verbraucher, für die preiswerte Lebensmittel entscheidend seien.

Wie ist die Position des Handels?

Die Branche fühlt sich zu Unrecht an den Pranger gestellt. Der Handelsverband Deutschland (HDE) betonte: „Lebensmittel werden hier nicht verschleudert.“ Deutschland liege bei Lebensmittelpreisen rund 2 Prozentpunkte über dem Schnitt der einst 28 EU-Staaten. Zudem gebe es „globale Preisabhängigkeiten“, die man in Deutschland nicht steuern könne. Rewe-Chef Lionel Souque verteidigte die Preisgestaltung. „In Deutschland leben rund 13 Millionen Menschen in Armut oder an der Armutsgrenze“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. „Günstige Lebensmittelpreise ermöglichen diesen Menschen eine gesunde und sichere Ernährung. Das wollen und werden wir als Lebensmittelhändler auch in Zukunft sicherstellen.“ Souque betonte zugleich, es sei gut und richtig, über mehr Wertschätzung von Lebensmitteln zu reden. „Da gibt es in Deutschland sicherlich Nachholbedarf.“ Doch dürfe man darüber nicht vergessen, dass es in erster Linie die Verbraucher seien, die von günstigen Lebensmittelpreisen profitierten.

Was sagen die Bauern?

Seit Monaten rollen Bauern mit Traktoren in die Städte, um für mehr Wertschätzung zu demonstrieren. Diese wehren sich gegen neue Umweltauflagen, aber eben auch gegen umstrittene Billigangebote für Fleisch und andere Lebensmittel. Bauernpräsident Joachim Rukwied sagte kürzlich der „Neuen Osnabrücker Zeitung“, Lebensmittel dürften nicht zu Schnäppchenpreisen verramscht werden. „Auch der Handel muss seinen Teil dazu beitragen, dem Verbraucher zu verdeutlichen, dass höhere Standards im Stall oder auf dem Feld einen höheren Preis erfordern.“ Werbung mit Dauerniedrigpreisen bewirke jedoch das Gegenteil. Für Ministerin Klöckner ist klar: Leidtragende am Ende der Kette seien die Bauern, denen weniger bleibe, selbst wenn sie höhere Standards liefern müssten. Von einem Euro, den Verbraucher für Nahrung zahlen, kommen beim Erzeuger im Schnitt noch knapp 21 Cent an, wie das bundeseigene Thünen-Institut nach Daten für 2018 ermittelte. Vor 20 Jahren waren es mehr als 25 Cent. Für „faire“ Preise stehe auch der Handel ethisch und moralisch in der Pflicht, betont Klöckner.

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Warum setzten Supermärkte auf Aktionen mit Billigpreisen?

Trotz aller Debatten zeigt sich: Viele Kunden lieben Schnäppchen. Für fast zwei Drittel (65 Prozent) der Bundesbürger sind Sonderangebote beim Einkaufen wichtig, wie das Marktforschungsunternehmen Nielsen in seiner Studie „Consumers 2019“ berichtete. Im harten Wettbewerb kann sich kein Händler leisten, diese Erwartungen zu enttäuschen und sein „Preisimage“ zu gefährden. Wie empfindlich viele Verbraucher beim Preis sind, erlebte erst vor einigen Monaten Lidl. Der Discounter wollte nur noch Bananen mit Fairtrade-Siegel verkaufen, das sollte 10 bis 20 Cent pro Kilo mehr kosten. Doch die Verbraucher spielten nicht mit und kauften bei der Konkurrenz. Am Ende musste Lidl zurückrudern.

RND/dpa/das


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