Das große Rätselraten: Was planen Esken und Walter-Borjans?

Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken bilden die neue Parteispitze der SPD.

Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken bilden die neue Parteispitze der SPD.

Berlin. Nach dem Beben vom Wochenende herrscht in der SPD vor allem ein Gefühl vor: Unsicherheit. Auf welches Personal setzen die neuen Parteivorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans? An welchen Stellen wollen sie die SPD politisch neu aufstellen? Und vor allem: Wie geht es weiter mit der große Koalition?

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Diese Fragen stellen sich alle – Antworten haben nur wenige.

Das liegt auch daran, dass Esken und Walter-Borjans in der Berliner Politik nicht sonderlich gut vernetzt sind. Der Empfang der beiden im Willy-Brandt-Haus soll eher sachlich gewesen sein, wichtige Dinge besprechen die designierten Vorsitzenden lieber in dem kleinen Team, das bisher ihren Wahlkampf organisiert hat. Die früheren NRW-Juso-Vorsitzenden Veith Lemmen und Frederick Cordes sollen dabei eine wichtige Rolle spielen, heißt es.

Erstes Zeichen der Veränderung: Der Leitantrag für den Parteitag, der vom scheidenden Vorstand bereits weitgehend fertiggestellt worden ist, wird umgeschrieben. Am Dienstag soll das Dokument von dem um die Fraktionsführung erweiterten Parteipräsidium beraten werden.

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Vier wichtige Themen

Manche in der SPD lesen nun zum ersten Mal aufmerksam das „Fortschrittsprogramm“ – jenes Papier, das Esken und Walter-Borjans im Wahlkampf vorgelegt hatten und das nun als Blaupause für den Leitantrag dienen soll. Vier Themen heben die beiden darin hervor: Investitionen, Klimaschutz, Arbeit und Digitalisierung. Bei diesen Punkten werden sie Nachverhandlungen mit der Union verlangen. Der Parteitag soll dafür ein Mandat erteilen.

Mit Spannung erwartet werden die konkreten Formulierungen. Behalten Esken und Walter-Borjans tatsächlich ihre Forderung nach einem 500-Milliarden-Euro-Investitionsprogramm bei? Fordern sie von der Union einen höheren CO₂-Preis oder die Erhöhung des Mindestlohnes auf 12 Euro? Die Überlebenschancen der Berliner Regierungskoalition hängen maßgeblich von diesen Fragen ab.

Als mögliche Option gilt es, dass der Leitantrag eine Frist vorsieht, bis zu der eine Einigung mit der Union erreicht werden soll. Gut informierte Kreise sprechen vom Sommer. Die Forderung nach einem sofortigen GroKo-Ausstieg wäre damit vom Tisch.

Vieles ist allerdings noch im Fluss, der finale Antrag soll am Donnerstag vom SPD-Vorstand beschlossen werden.

Geywitz will weitermachen

In der Personalfrage sind erste Entscheidungen inzwischen gefallen. Es sieht so aus, als würden die von sechs auf drei reduzierten Stellvertreterposten alle neu besetzt. Die bisherige stellvertretende Parteichefin Malu Dreyer, die die SPD zuletzt kommissarisch geführt hat, wird nicht wieder kandidieren. Nach Informationen des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND) gilt das auch für den in der Stichwahl unterlegenen Olaf Scholz. Manuela Schwesig und Natascha Kohnen haben bereits ihren Rückzug angekündigt. Lediglich Ralf Stegner hat sich noch nicht erklärt. Der Mannes aus Schleswig-Holstein würde gerne weitermachen, seine Chancen werden parteiintern aber als gering eingeschätzt.

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Die Brandenburgerin Klara Geywitz wird definitiv für einen der drei Vizeposten antreten. Auch Arbeitsminister Hubertus Heil und Juso-Chef Kevin Kühnert liebäugeln mit einem solchen Amt. Mindestens ein weiterer der drei Vizeposten muss aber aus Gründen der Gleichberechtigung mit einer Frau besetzt werden – zumindest wenn Lars Klingbeil Generalsekretär bleibt und Dietmar Nietan Schatzmeister, wovon die meisten ausgehen.

Nach RND-Informationen hätten Esken und Walter-Borjans gerne die saarländische Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger in ihrem Team. Auch die Landesverbände der Südwest-SPD sollen dieser Idee einiges abgewinnen können. Noch muss aber offenbar Überzeugungsarbeit geleistet werden. Die 43-Jährige, heißt es in ihrem Umfeld, sei noch nicht entschieden.

Sollte Rehlinger zum Zug kommen, würden die Chancen von Udo Bullmann steigen, das Amt des Europabeauftragten zu behalten. Durch Rehlinger wären die Interessen der Südwest-SPD bedient, der hessische Landesverband, aus dem Bullmann stammt, dürfte hingegen noch auf einen Posten hoffen. Das Nachsehen hätte die Rheinland-Pfälzerin Katarina Barley, der ebenfalls Ambitionen auf den Europa-Amt nachgesagt werden.

Die Union lässt die SPD auflaufen – zumindest offiziell

Die CDU nutzt die Aufregung in der SPD, um sich nach heftigem internen Personal- und Positionsstreit als Garant von Stabilität zu präsentieren. Abwarten und gelassen bleiben lautet die Devise, die Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer am Montagmorgen in einer Telefonkonferenz mit dem Parteivorstand ausgibt. Kramp-Karrenbauer lehnt Nachverhandlungen des Koalitionsvertrags ab und erhält dafür einmütige Zustimmung. Erst mal wollen die Konservativen den SPD-Parteitag abwarten.

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Ein entschiedenes Nein zu Nachverhandlungen kommt aus Bundestagsfraktion und Ländern. So erteilte der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Eckhardt Rehberg, den Forderungen nach einer Ausweitung der Neuverschuldung eine klare Absage. „Die Debatte um die schwarze Null ist absurd“, sagt Rehberg dem RND. „Es bleibt dabei, was im Koalitionsvertrag vereinbart wurde: keine neuen Schulden. Wir werden darüber nicht verhandeln. Punkt.“

Auch Thüringens CDU-Landeschef Mike Mohring plädiert gegen eine Überarbeitung des Koalitionsvertrages. „In der Union gibt es sichtbar keine Zustimmung für ein Update des Koalitionsvertrages“, sagt das CDU-Präsidiumsmitglied. „Die SPD tut gut daran, in dieser Woche ihre Personalfragen und ihr Verständnis von künftiger verlässlicher Zusammenarbeit in der Bundesregierung zu klären.“

Hinter vorgehaltener Hand warnen Unionspolitiker allerdings auch vor allzu rigorosen Ansagen an die SPD. Damit, so die Befürchtung einiger, heize man die Anti-GroKo-Stimmung unter den Genossen noch weiter an und schädige sich am Ende womöglich selbst. Denn an einem Aus der GroKo ist – bei allem Verdruss über die Genossen – kaum jemandem in der Union gelegen.



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