Ex-Vorstand: “'Aufstehen' ist gescheitert - konnte nicht gut gehen"

Sahra Wagenknecht , Vorsitzende der Bundestagsfraktion der Partei Die Linke, und Aufstehen-Mitinitiator Ludger Volmer (Bündnis 90/Die Grünen).

Sahra Wagenknecht , Vorsitzende der Bundestagsfraktion der Partei Die Linke, und Aufstehen-Mitinitiator Ludger Volmer (Bündnis 90/Die Grünen).

Berlin. Herr Volmer, Sie gehörten vor einem Jahr zu den Mitinitiatoren der linken Sammlungsbewegung „Aufstehen“, im März kehrten Sie dem provisorischen Vorstand den Rücken. Was ist seitdem passiert?

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Die linke Sammlungsbewegung gibt es de facto nicht mehr. „Aufstehen“ ist gescheitert, weil es an der Spitze letztlich doch unterschiedliche Ansichten darüber gab, was diese Bewegung sein sollte. Im Prinzip ging es bei dem Streit zwischen politischem Vorstand und Trägerverein darum, ob „Aufstehen“ eine sich von unten frei entfaltende, parteiunabhängige Bewegung mit offener strategischer Zielsetzung oder eine politische Vorfeldorganisation einer Strömung der Partei Die Linke sein sollte. Viele Mitstreiter lehnten wie ich ab, Teil eines Machtprojekts innerhalb der Linken zu werden. Darum verließen wir den Vorstand im März, nachdem wir vergeblich versucht hatten, die Verhältnisse zu klären.

Worum ging es genau in der internen Auseinandersetzung?

Der Streit drückte sich seit Monaten darin aus, dass die Umsetzung von Entscheidungen des pluralistisch besetzten politischen Vorstandes durch den Trägerverein der Bewegung, der von Mitgliedern und erklärten Anhängern der Linkspartei dominiert ist, blockiert wurde. Fast alle Schlüsselpositionen der Kommunikation waren von Linkspartei-Mitgliedern und Sympathisanten besetzt oder wurden von ihnen kontrolliert. Die haben jede Kommunikation, die ihnen nicht passte, verhindert. Der politische Vorstand konnte nicht einmal Stellungnahmen auf die eigene Website bringen.

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Sahra Wagenknecht hätte gegenüber ihren Fans im Trägerverein ein Machtwort sprechen müssen.

Ludger Volmer

Aufstehen-Mitgründer

Sie und andere versuchten dies durch ein Moratorium zu klären, das im März ablief. Warum kam es zu keiner Klärung?

Wir hatten den Eindruck, dass Sahra Wagenknechts Getreue kein Interesse an einer Klärung hatten, weil „Aufstehen“ ja in ihre Richtung lief. Außerdem erklärte Sahra Wagenknecht vor Ablauf der Frist ihren Rücktritt aus dem Vorstand, wovon wir selbst überrascht wurden. Nach außen wurde durch Wagenknechts Rücktritt der Eindruck vermittelt, der Vorstand hätte schlecht mit dem Trägerverein gearbeitet. Eigentlich war es genau umgekehrt. Sahra Wagenknecht hätte gegenüber ihren Fans im Trägerverein ein Machtwort sprechen müssen. Das blieb aus. Für uns waren damit nur noch der definitive Rücktritt und der politische Abgang möglich.

Sahra Wagenknecht begründete ihren Rücktritt auch damit, die Basis wolle keine Politprofis an der Spitze. War das falsch?

Es war ein politischer Vorwand, dass die Basis keine Profis an der Spitze wolle. Die von Sahra Wagenknecht öffentlich beklagte Funktionsunfähigkeit des Vorstandes ist übrigens – neben der Blockade durch den Trägerverein - auf Entscheidungen zurückzuführen, für die sie selbst eine nicht unerhebliche Verantwortung trägt. Das Ergebnis war, dass der Trägerverein die Außendarstellung kontrollierte. Darüber schwebte kraft ihrer öffentlichen Bedeutung Sahra Wagenknecht - quasi als Präsidentin und Exegetin linker Politik. Statt durch Selbstorganisation der Basis von unten sollte die Regionalisierung durch Kader von oben strukturiert werden. Die Bewegung sollte erstarken, zugleich aber durfte sie keine Konkurrenz zur Partei Die Linke werden. Das konnte nicht gut gehen.

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Die "Aufstehen"-Initiatoren am 4. September 2018: Sahra Wagenknecht (v.r.n.l.), Vorsitzende der Bundestagsfraktion der Partei Die Linke, Ludger Volmer (Bündnis 90/Die Grünen), Simone Lange (SPD), Oberbürgermeisterin der Stadt Flensburg, Bernd Stegemann, Autor und Dramaturg, und Hans Albers bei der Vorstellung in der Bundespressekonferenz.

Die "Aufstehen"-Initiatoren am 4. September 2018: Sahra Wagenknecht (v.r.n.l.), Vorsitzende der Bundestagsfraktion der Partei Die Linke, Ludger Volmer (Bündnis 90/Die Grünen), Simone Lange (SPD), Oberbürgermeisterin der Stadt Flensburg, Bernd Stegemann, Autor und Dramaturg, und Hans Albers bei der Vorstellung in der Bundespressekonferenz.

Sie klingen verbittert.

Ich bin nicht verbittert, nur wieder etwas klüger. Ein paar regionale Strukturen leben ja noch und bilden die linke politische Szene in Städten. Insofern ist unser Bemühen nicht wirkungslos geblieben, weil es zu Mobilisierungen von Gruppierungen geführt hat, die nun eigenständig weitermachen.

"Aufstehen" war ein Versuch von oben

Werden Sie ein bisschen neidisch, wenn Sie auf eine Bewegung wie Fridays for Future schauen?

Fridays for Future ist wunderbar. Diese Bewegung beweist, was aus dem Engagement einzelner Gruppierungen werden kann, die unabhängig agieren und sich vernetzen. Ich unterstütze das sehr. „Aufstehen“ war dagegen der Versuch, eine Bewegung von oben und mit parteipolitischer Absicht zu inszenieren. Das haben frühere Initiatoren wie ich leider erst zu spät begriffen.

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Machen Sie nun auf andere Weise weiter?

Ich treffe mich regelmäßig mit Leuten wie Peter Brandt, Daniela Dahn, Ingo Schulze , Michael Brie oder Antje Vollmer. Wir reden darüber, ob wir auf irgendeine Weise im Vorfeld der nächsten Bundestagswahlen Einfluss nehmen können. Unsere Analyse: Die Grünen werden auf jeden Fall in der nächsten Regierung vertreten sein. Die Frage ist, ob sie mit der Union eine Koalition eingehen oder ob es zu Grün-Rot-Rot kommen kann. Letzteres würde nur möglich, wenn von der linken Seite realistische Angebote zur Kooperation kommen. Derzeit sind SPD und Linke dafür zu schwach. Vielleicht, so unsere Hoffnung, können wir hier helfen.

Denken Sie dabei auch an eine Parteigründung?

Eine Parteigründung ist nicht im Gespräch. Gleichwohl empfinde ich persönlich eine ungerichtete Bewegung als zu wenig. Ich frage mich, ob es nicht nahe liegt, selbst im Bundestag vertreten zu sein, wenn man Druck auf dort vertretenen Parteien ausüben möchte. SPD, Grüne und Die Linke haben sich mit ihrer aggressiven Abwehr von „Aufstehen“ selbst unter Beweiszwang gesetzt. Das Spaltungsargument, das sie gegen „Aufstehen“ vorgebracht haben, wird jedenfalls dann völlig absurd, wenn sie ihr Versagen, eine linke Mehrheit zu schmieden, 2021 erneut beweisen sollten.

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