In der Statistik zählen nur PCR-Tests

Hohe Dunkelziffer: Zahl der Corona-Infektionen wahrscheinlich viel höher

Eine Mitarbeiterin bereitet im Labor Mittelhessen Röhrchen für einen PCR-Test vor. Am Donnerstag meldete das RKI einen Inzidenzwert von 1.372,2 für den Kreis Peine.

Eine Mitarbeiterin bereitet im Labor Mittelhessen Röhrchen für einen PCR-Test vor. Die Zahl der PCR-Test sinkt der derzeit bundesweit.

Berlin. Das Robert Koch-Institut (RKI) zählte bundesweit seit Beginn der Corona-Pandemie 22.441.051 nachgewiesene Infektionen mit Sars-CoV-2. Die tatsächliche Gesamtzahl dürfte deutlich höher liegen, da viele Infektionen nicht erkannt und daher auch nicht gemeldet werden. „Die Dunkelziffer liegt mit Sicherheit höher als das beobachtete Infektionsgeschehen“, sagte Dr. Michael Müller, 1. Vorsitzender der bundesweiten Vereinigung Akkreditierter Labore in der Medizin, gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).

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Der Verband, der über 200 medizinische Labore mit 900 Fachärzten und 500 Naturwissenschaftlern vertritt, registriert derzeit einen starken Rückgang der zu prüfenden PCR-Tests. In der vergangenen Woche waren es 350.000 weniger als in der Woche zuvor. Aber die Zahl der positiven Tests sei mit 53 Prozent weiter hoch, was darauf hindeute, dass sich das Infektionsgeschehen weiter auf hohem Niveau bewege. Der Verband geht davon aus, dass eine bedeutende Zahl von Infizierten nicht getestet wird und deshalb auch nicht in die Corona-Statistik eingeht.

Sowohl Ärzte als auch Wissenschaftler gehen seit einiger Zeit von einer hohen Zahl nicht vom Robert Koch-Institut erfasster Fälle aus – wegen überlasteter Gesundheitsämter und weil nicht alle Infizierten einen PCR-Test machen lassen. Nur diese zählen aber in der Statistik.

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„Es wird eindeutig weniger getestet, der Bedarf ist offensichtlich geringer und das Verhalten der Bevölkerung ändert sich auch“, sagte Müller zur Begründung. Die Menschen würden jetzt stärker selbst entscheiden, ob sie zu einem Test gehen oder nicht, und auch in den Arztpraxen würde entschieden, ob ein PCR-Test für nötig befunden wird oder nicht.

Hinzu kommt aus Sicht der akkreditierten Labore eine „Entprofessionalisierung des Testgeschehens durch die Testverordnung“, was zu Qualitätsverlusten führe. „An jeder Straßenecke werden Testzentren zugelassen, denen es häufig an qualifiziertem Personal und auch an entsprechendem Know-how mangele“, sagte Müller. Zudem gebe es keine Kontrollen über fehlerhafte Abrechnungen und ob die Testzentren alle positiven Ergebnisse an die Gesundheitsämter weitermelden.

Außerdem sei eine qualitative Quasigleichstellung von vor Ort durchgeführten Point-of-Care-Schnelltests mit den im Labor gemachten PCR-Tests kein Garant für mehr Sicherheit, Qualität und Genauigkeit, so Müller. In den akkreditieren Laboren würden derzeit alle Proben untersucht, die eintreffen. Einen Stau wie zu Beginn des Jahres gebe es nicht mehr.

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Mit der Anfang Februar geänderten Testverordnung kann – offenbar aus Kostengründen – eine spezifische PCR-Untersuchung, die Aufschluss darüber gibt, welche Corona-Variante vorliegt, nicht mehr angefordert werden. Zur allgemeinen Überwachung würden weiterhin bis zu 5 Prozent aller Proben mit einer speziellen Methode auf ihre genauen Corona-Varianten hin untersucht, erläuterte Müller.

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Schätzungen zu unerfassten Infektionen

Aktuelle Erhebungen zu einer Dunkelziffer Infizierter liegen dem RKI nicht vor, teilte eine Sprecherin dem RND mit. Eine im Juni 2021 veröffentlichte Studie kam aber bereits zu dem Ergebnis, dass die Zahl der Infektionen etwa doppelt so hoch war wie die an die Behörden gemeldete. Das entspräche einer Dunkelziffer von 100 Prozent. Und auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte Ende März auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit RKI-Chef Lothar Wieler gesagt, er gehe davon aus, dass die offiziell gemeldeten Infektionszahlen von damals rund 300.000 pro Tag eigentlich doppelt so hoch sind.

Unterdessen ist die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz in der zurückliegenden Woche weiter gesunken. Das RKI gab den Wert der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Woche am Freitag mit 1181,2 an. Am Vortag hatte der Wert noch bei 1251,3 gelegen. Vor einer Woche lag die bundesweite Inzidenz bei 1586,4 (Vormonat: 1293,6). Die Gesundheitsämter in Deutschland meldeten dem RKI binnen eines Tages 175.263 Corona-Neuinfektionen. Das geht aus Zahlen hervor, die den Stand des RKI-Dashboards von Freitag 5 Uhr wiedergeben. Vor einer Woche waren es 252.530 Ansteckungen.

Deutschlandweit wurden den neuen Angaben zufolge binnen 24 Stunden 334 Todesfälle verzeichnet. Vor einer Woche waren es 304 Todesfälle.

Die Zahl der in Kliniken gekommenen mit Corona infizierten Patienten je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen gab das RKI am Donnerstag mit 6,50 an (Mittwoch: 6,62). Auch hierbei gibt es Tage mit lückenhaften Meldungen. In dem Wert erfasst sind auch viele Menschen mit positivem Corona-Test, die eine andere Haupterkrankung haben.

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