Vorsicht, ansteckend! So gefährlich kann Corona für die Wirtschaft werden

Ein Arbeiter in einem Schutzanzug desinfiziert Behälter für medizinische Abfälle in der chinesischen Region Wuhan.

Ein Arbeiter in einem Schutzanzug desinfiziert Behälter für medizinische Abfälle in der chinesischen Region Wuhan.

Berlin. Und plötzlich ist wieder 2008 – zumindest in den Wirtschaftsteilen der Zeitungen. Von einem Würgegriff für die Weltkonjunktur ist die Rede, einer Halbierung des globalen Wachstums, gravierenden Folgen für den Wohlstand. Es ist fast so, als wäre die Lehman-Bank ein zweites Mal pleite gegangen, als stünde die Weltwirtschaft erneut vor dem Abgrund.

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Doch anders als 2008 sind es keine größenwahnsinnigen Banker, die für Schweißausbrüche in den Konzernzentralen sorgen, sondern organische Strukturen, die so klein sind, dass sie nicht mal als Lebenwesen durchgehen. Wissenschaftlich korrekt heißen sie SARS-CoV-2. Der Volksmund aber kennt sie unter einem anderen Namen: Corona.

Gut 100.000 Menschen sind weltweit an der durch das Virus ausgelösten Lungenkrankheit Covid 19 erkrankt, mehr als 3200 sind daran gestorben. Vier Fünftel der Fälle stammen aus China, inzwischen aber häufen sich die Fälle in Südkorea, Italien, Iran – und auch in Deutschland. 400 bestätigte Krankheitsfälle meldete das Robert-Koch-Institut am Donnerstag im Bundesgebiet – Tendenz steigend.

Spahn: Höhepunkt der Corona-Ausbreitung noch nicht erreicht

Angesichts der weiteren Ausbreitung des Coronavirus in Deutschland hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn die Bevölkerung zu Besonnenheit aufgerufen.

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Jeder Einzelfall hat nicht nur Folgen für die Erkrankten, er bedeutet auch eine Mini-Schwächung für die Wirtschaft. Immer mehr Ökonomen glauben, dass der Corona-Ausbruch derzeit das größte Risiko für die Weltwirtschaft darstellt. Vergessen scheinen die Sorgen vor Brexit, Trump oder chinesisch-amerikanischen Handelskrieg. Das neue Schreckgespenst heißt Corona.

An den Börsen herrscht Panik. Knapp 2000 Punkte hat der Dax im Vergleich zu seinem Rekordhoch Mitte Februar verloren, etwa ein Siebtel. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass eine Kurskorrektur angesichts der Dauerrallye erwartet worden war. Und dass sich die Corona-Folgen für die Realwirtschaft – bislang jedenfalls – in Grenzen halten.

Hoteliers, Messebauer und Fluggesellschaften spüren die Auswirkungen der Krise zwar deutlich, andere Unternehmen aber können deren Folgen noch gut beherrschen. Selbst wenn die Container aus China in den kommenden Wochen nicht mehr in Deutschland ankommen, heißt das noch lange nicht, dass die Produktionsbänder stillstehen. Weil Unternehmen um ihre Verwundbarkeit durch Just-in-Time-Produktion und globalisierte Warenströme wissen, haben sie Strategien entwickelt, um ihre Produktion auch in Krisenzeiten aufrecht zu erhalten.

Wegen Corona: Lieferketten sind gefährdet

So wie der Automobilzulieferer Hella aus dem nordrhein-westfälischen Lippstadt. Das M-Dax-Unternehmen gehört zu den 50 größten Automobilzulieferern der Welt. 40 000 Mitarbeiter, 125 Standorte, allein 15 davon in China.

Als von dort die ersten Produktionsausfälle gemeldet wurden, reagierten die Verantwortlichen schnell. Eine Taskforce wurde gegründet und das sogenannte „Critical-Parts-Management” personell aufgestockt. Die in normalen Zeiten zwölf Mitarbeiter große Abteilung ist dafür da, drohende Lieferengpässe zu erkennen und die nötigen Teile anderswo zu beschaffen.

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„Da Hella mit zahlreichen Standorten weltweit vertreten ist, können wir oftmals innerhalb des eigenen Netzwerks die Versorgung sicherstellen“, sagt Sprecher Markus Richter. „Bei kritischen Bauteilen versuchen wir auch, mit mehreren Zulieferern zusammenzuarbeiten.“ Fällt ein Lieferant aus, kann meistens ein anderer einspringen.

Auf diese Weise hat die Firma Krisen wie die Atomkatastrophe im japanischen Fukushima und die Stilllegungen des Flugverkehrs in der Folge des Ausbruchs des Vulkans Eyjafjallajökull in Island ohne große Ausfälle überstanden.

Das Besondere an der Corona-Krise ist, dass nicht nur Lieferketten gefährdet sind, sondern auch die Gesundheit der Angestellten. Erschwerend hinzu kommt, dass auch der Absatz auf dem chinesischen Markt zurückgeht. „Die Gesundheit unserer Mitarbeiter versuchen wir, unter anderem durch Beschränkungen von Geschäftsreisen und Hygienemaßnahmen zu schützen,“ sagt Hella-Sprecher Richter.

Beim Absatz allerdings sei das Unternehmen weitgehend machtlos. „Wir hoffen, dass sich die Lage in China bald stabilisiert.“

Gut möglich, dass das passiert. Um 0,2 Prozentpunkte hat der Kreditversicherer Euler Hermes seine Wachstumsprognose für das weltweite Bruttoinlandsprodukt in Folge der Corona-Welle nach unten korrigiert, auf 2,2 Prozent. Das wäre im Vergleich zu den zurückliegenden Jahren ein schwacher Wert, aber immerhin ein Wachstum. Der Wert der Waren, Güter und Dienstleistungen, die alle Menschen auf der Welt zusammen erarbeiten, würde immer noch 2,2 Prozent höher ausfallen als im Vorjahr.

In Deutschland hingegen wächst die Gefahr einer Rezession. Damit meinen Ökonomen, dass die Wirtschaft in zwei aufeinander folgenden Quartalen schrumpft. Der Industrieverband BDI sieht die Gefahr dafür erheblich gestiegen. Komme es nicht bereits im zweiten Quartal zu einer wirtschaftlichen Normalisierung in den von der Corona-Epidemie betroffenen Ländern, erwartet der BDI für das Gesamtjahr einen Rückgang der Wirtschaftsleistung.

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“Wir sind gut aufgestellt”, sagt Arbeitsminister Hubertus Heil

Zieht sich so eine Rezession länger hin, kann das für jeden Einzelnen unangenehme Folgen haben. Unternehmen brechen Aufträge weg, können gezwungen sein, Personal freizusetzen – meist sind es zunächst Leiharbeiter und befristet Beschäftigte. Nicht nur die Arbeitsplatz-Sicherheit wird geringer – den Gewerkschaften fällt es zudem schwerer, ihre Lohnforderungen durchzusetzen. In der Regel hält der Einzelne sein Geld zusammen, was dazu führt, dass auch die Nachfrage schwächelt, weniger Waren und Dienstleistungen gekauft werden.

Neun Rezessionen hat es in der Geschichte der Bundesrepublik gegeben. Mal waren es äußere Einflüsse, die zu länger anhaltendem Minus-Wachstum führten, mal war es der Strukturwandel. Immer aber geriet die Politik unter Zugzwang.

Die letzt Krise von 2008 und 2009 ist immer noch ein Referenzpunkt der politischen Debatte. Mit milliardenschweren Konjunkturmaßnahmen und großzügigen Regelungen für Kurzarbeit gelang es damals, einen rasanten Anstieg der Arbeitslosigkeit zu verhindern. Anders als heute verfügte die Arbeitsagentur damals nicht über Rücklagen von 26 Milliarden Euro.

„Wir sind gut aufgestellt und behalten die Entwicklung aufmerksam im Blick. Mit dem Kurzarbeitergeld haben wir ein starkes Instrument, das sich bewährt hat“, sagte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Wenn es zu Lieferengpässen infolge des Coronavirus kommt, die zu Arbeitsausfällen führen, kommt für die Beschäftigten ein Anspruch auf Kurzarbeitergeld in Betracht.“ Auch wenn ein Betrieb auf behördliche Anordnung schließen müsse, könne Kurzarbeit greifen. Kommende Woche soll das Kabinett ein Gesetz auf den Weg bringen, um die Kurzarbeit erheblich auszuweiten.

Drei-Stufen-Plan der Politik

Auch im Bundeswirtschaftsministerium heißt es: kein Grund zur Panik. Etwa 50 Unternehmen rufen derzeit pro Tag an, um sich über Hilfsmöglichkeiten zu informieren – überwiegend Klein- und Mittelständler.

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Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat einen Drei-Stufen-Plan verkündet. In der derzeit laufenden Stufe eins können Unternehmen Bürgschaften und KfW-Kredite in Anspruch nehmen – so wie immer. Wenn sich die Lage zuspitzt, will der Minister die Mittel aufstocken. Auch das Stunden von Steuerzahlungen wäre in Phase zwei möglich. Erst in Phase drei, einer schweren Wirtschaftskrise, soll es ein klassisches Konjunkturprogramm geben.

Ein bisschen Hilfe wollen Union und SPD schon jetzt beschließen – allerdings ausdrücklich nicht als Reaktion auf Corona. Man könne eine Krise auch herbeireden, heißt es, außerdem müsse man das „Pulver trocken halten”.

Eine Arbeitsgruppe brütet derzeit darüber, wie 17 Milliarden Euro Etatüberschuss in für Investitionen und Entlastungen ausgeben werden könnten. Das Geld würde gerade einmal ausreichen, um die geplante Soli-Entlastung sechs Monate vorzuziehen und zu verhindern, dass die Investitionen des Bundes zurückgehen. Mehr scheint nicht drin zu sein.

Noch nicht jedenfalls.

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