Im Streit gegen die Omikron-Wand: Scholz gibt nicht nach
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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei der Pressekonferenz nach der Ministerpräsidentenkonferenz am Freitag: Die pandemische Notlage soll nicht wieder eingeführt werden.
© Quelle: John Macdougall/AFP Pool/dpa
Berlin.Olaf Scholz hat eine Botschaft für das Land. Es hört sich gar nicht so schwer an, wie er die sich auftürmende riesige Omikron-Welle brechen will, auf dass nicht auch noch im Januar 2023 eine Ministerpräsidentenkonferenz um die richtigen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie ringen muss. 2021 war es die Delta-Variante, die die Politik in Nöte brachte. Bund und Länder scheuten damals harte Lockdownmaßnahmen. Nun ist es Omikron, und die Beschlüsse reichen wieder nicht über Kontaktbeschränkungen hinaus.
Wie will der Bundeskanzler also den Menschen die Sorge nehmen, dass es in einem Jahr nicht die Mutation XY ist, die alle Hoffnung zunichte macht? „Kontaktbeschränkungen und Boostern“, lautet seine angesichts der erschreckenden Dynamik des derzeitigen Infektionsgeschehens recht harmlos klingende Antwort im Kanzleramt nach den Bund-Länder-Beratungen am Freitag. Deutschland sei das Land mit dem größten Fortschritt beim Boostern, betont er. Das Impfen sei entscheidend.
Niedrige Impfquote macht Expertenrat Sorgen
Nur mit dem Impfen gibt es eben ein Riesenproblem in Deutschland. Die Quote ist immer noch so niedrig, dass der Expertenrat der Bundesregierung einen Teufelskreis beschreibt, ohne es so offen zu nennen: „Auch Geimpfte werden in das Infektionsgeschehen wieder mit einbezogen.“
Den Fragen, ob es sicher ist, dass die Impfpflicht wirklich kommt, wie er es im vergangenen Jahr versprochen hat (bis Februar), antwortet Scholz nicht konkret. Das hört sich dann so an: „Es ist gut, wenn am Ende eine allgemeine Impfpflicht steht.“ Oder so: „Ich habe die ganze Zeit gesagt, dass ich für eine Impfpflicht bin, und ich bleibe dabei.“ Oder so: „Aber es muss schnell gehen, und das wird es auch, ich setze mich sehr dafür ein, dass es dazu auch kommt.“
Der Mann, der schon 2011 gesagt hat, wer bei ihm Führung bestelle, der bekomme sie auch, bleibt vage. Er betont, die Politik halte zusammen. Dass das gar nicht so stimmt, zeigt der Dissens in der Ministerpräsidentenkonferenz. Deren derzeitiger Vorsitzende, NRW-Regierungschef Hendrik Wüst (CDU), legt es darauf an und geht mit seinen Amtskolleginnen und -kollegen gar nicht einmütig in das Gespräch mit Scholz.
Corona-Gipfel: Wüst fordert Zeitplan für Impfpflicht
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst drängt auf einen Zeitplan für die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht.
© Quelle: Reuters
Die Unionsministerpräsidenten sowie der Grünen-Kollege aus Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, fordern, die im November mit der Mehrheit der Ampelparteien abgeschaffte pandemische Notlage wieder einzuführen, um wieder flächendeckende Lockdowns zur Corona-Bekämpfung möglich zu machen.
Scholz räumt diesen Punkt schnell ab. Gegen die Omikron-Welle – inzwischen auch Wand genannt – will er sich anders stemmen. Zum Beispiel mit strengen Regeln für Kontakte und die Gastronomie und Einschränkungen für Ungeimpfte.
Für Wüst ist die Abfuhr aber vielleicht gar nicht so entscheidend. Wichtig ist für ihn vor allem, diesen Punkt nach außen gemacht zu haben: Er ist im Team Vorausschau. Lieber auf Nummer sicher gehen, schnell handlungsfähig sein, wenn es so schlimm kommt, wie es selbst der Expertenrat der Bundesregierung befürchtet, und Gesundheitssystem und kritische Infrastruktur Probleme haben werden, den Betrieb aufrecht zu halten.
An ihm, dem neuen Regierungschef aus Nordrhein-Westfalen, soll es nicht liegen. Er will im Mai auch eine Landtagswahl gewinnen.
Weder Gesellschaft noch MPK gespalten
Scholz betont immer wieder, die Gesellschaft sei nicht gespalten. Daran darf gezweifelt werden. Aber Scholz und Wüst und auch Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey reagieren empfindlich, wenn man sagt, die MPK sei nachweislich gespalten und damit nicht unbedingt ein Vorbild für die Gesellschaft. Nein, Nein, Nein. Das stimme nicht, erklären sie unisono und beschreiben ihre Differenzen als ganz natürlich.
Warum er denn die pandemische Lage nicht wieder einführe, wird Scholz noch gefragt. Im Augenblick könnten alle Maßnahmen ergriffen werden, die zu treffen seien, sagt er. Und er versichert: „Ja, es wird immer schnell und entschlossen gehandelt werden und gehandelt werden können. Dass wir konsequent handeln können, haben wir ja gerade gezeigt.“
Aber er könne einen erheblichen Anstieg der Infektionen nicht ausschließen. Es sei eine Rechnung „mit unglaublichen vielen Variablen“. Deshalb: „Lasst euch impfen, lasst euch boostern“, bittet Scholz.
Scholz: Infektionszahlen werden steigen
Alle zur Verfügung stehenden Impfstoffe seien gut, um die Pandemie einzudämmen, sagte der SPD-Politiker.
© Quelle: Reuters
Die nächste Ministerpräsidentenkonferenz ist für den 24. Januar angesetzt. „Omikron wird uns noch lange beschäftigen. Deswegen gibt es keine Entwarnung“, betont der Bundeskanzler. Aber er versichert: „Wir sind sehr entscheidungsfroh.“ Das ist so ziemlich das einzige fröhliche Wort während der Erklärungen.
Weitere Beschlüsse im Überblick
- Geimpfte und Genesene dürfen „kurzfristig“ die Gastronomie nur mit einem Negativtest besuchen. Geboosterte sind von der 2G-plus-Regel ausgenommen. Allerdings fehlt dafür noch ein genaues Datum.
- Menschen mit einer Auffrischimpfung müssen nach einem Corona-Kontakt nicht mehr in Quarantäne. Das gilt auch für frisch Zweifachgeimpfte und Genesene. Für die restliche Bevölkerung kann die Isolation nach Erkrankung und Kontakt auf sieben Tage verkürzt werden, wenn ein negativer PCR- oder Antigentest vorliegt.
- Private Kontaktbeschränkungen werden nicht verschärft.
- Clubs und Diskotheken bleiben geschlossen.