Meisten Corona-Todesfälle weltweit: Rumäniens Gesundheitssystem kollabiert – Covid-Patienten werden ins Ausland gebracht
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Eine medizinische Mitarbeiterin richtet ihre Handschuhe auf der Corona-Intensivstation des Nationalen Instituts für Pneumologie Marius Nasta.
© Quelle: Vadim Ghirda/AP/dpa
Die Situation der Corona-Pandemie im EU-Mitgliedsland Rumänien spitzt sich weiter zu. Allein am Sonntag meldeten die Gesundheitsbehörden 11.546 neue Corona-Fälle aus den vergangenen 24 Stunden. An mehreren Tagen starben mehr als 300 Menschen täglich. Rumänien gehört damit zu den Ländern mit der dramatischsten Corona-Lage in der EU. Der Koordinator der rumänischen Impfkampagne, Valeriu Gheorghiţă, warnte zuletzt bereits, Rumänien befinde sich bereits im selben Szenario wie Italien im letzten Jahr.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schickt nun Heather Papowitz nach Rumänien, die als WHO-Direktorin für medizinische Krisen zuständig ist. Sie soll mindestens zwei Monate in Rumänien bleiben, so der staatliche Fernsehsender Tvr am Montag. Experten sprechen in rumänischen Medien bereits von einer möglichen rumänischen Version des Virus.
Intensivstationen in Rumänien längst am Limit
Nach Angaben des staatlichen TV-Senders müssen derzeit fast 19.000 Covid-Patienten im Krankenhaus behandelt werden. Die 1593 Intensivbetten sind alle belegt. Hinzu kommen mehr als 153.000 Menschen, die sich in häuslicher Isolation befinden. Ihr Zustand kann sich jederzeit verschlechtern, doch die Krankenhäuser sind schon seit dem Wochenende überfordert. Wie lokale Medien berichten, müssen Patienten oft tagelang in Krankenhauskorridoren auf freie Plätze in Intensivstationen warten und werden dort nur notdürftig versorgt. Die Situation auf den Intensivstationen ist inzwischen so kritisch, dass Rumänien Nachbarländer um Hilfe gebeten hat. Ungarn hat in der vergangenen Woche rund ein Dutzend Patienten von den Intensivstationen in Rumänien übernommen. Das Land hat nach Regierungsangaben angekündigt, bis zu 50 Patienten aus Rumänien aufzunehmen.
Radu Țincu, Chefarzt der Intensivstation am Floreasca-Krankenhaus in Bukarest, sagte rumänischen Medien: „Rumänien ist das einzige Land, in dem täglich über 300 Menschen sterben. Rumänien riskiert die Entstehung einer neuen Virusvariante und die europäischen Behörden müssen eingreifen.“ Dass sich in Rumänien eine neue Virusvariante entwickelt, schließen auch andere Experten nicht aus. In den vergangenen Tagen schickten mehreren EU-Staaten Beatmungsgeräte und Sauerstoff nach Rumänien. Allein die EU-Kommission kündigte eine Lieferung von 250 Sauerstoffkonzentratoren und mehreren Tausend Dosen eines Antikörpermedikaments an.
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Rumänien mit höchster Covid-Todesrate
Nicht so schlimm wie Rumänien, aber ebenfalls stark betroffen sind andere Länder in Osteuropa. Rumänien hat mit 16,6 Todesfällen pro eine Million Einwohner die höchste Covid-Sterblichkeit – nicht nur in Europa, sondern nach den neuesten Daten auch weltweit (Stand: 18.10.2021). Dann folgt in Europa Bulgarien mit 12,37 Todesfällen und Litauen mit 10,14.
Rumänien mit niedrigstem Corona-Impfstand in der EU
Nur rund 30 Prozent der Bevölkerung in Rumänien sind vollständig gegen das Coronavirus geimpft. In Europa sind nur in Bulgarien weniger Menschen geimpft. Die Gründe für die wenigen Impfungen sind vielfältig: Viele Rumänen sind misstrauisch gegenüber den Bitten der Behörden, sich impfen zu lassen. Besonders die ältere Generation, geprägt von Propaganda des früheren Diktators Nicolae Ceaușescu, ist skeptisch. Auch das Vertrauen in wissenschaftliche Impfdaten ist sehr gering, es gibt viele Falschinformationen in rumänischen Onlineforen. Dort wird behauptet, der Impfstoff sei unwirksam oder sogar gefährlich. Die Regierung macht aggressive Medienkampagnen der Impfgegner für die geringe Impfquote verantwortlich. Kritiker werfen der Regierung vor, zu wenig für das Impfen geworben zu haben.
Experten in Rumänien appellieren in diesen Tagen einmal mehr an die Bevölkerung, sich gegen Corona impfen zu lassen. Doch für den derzeitigen Notstand der Krankenhäuser kommt das zu spät. Andere Experten, darunter auch die der nationalen Gesundheitsbörde INSP, haben eine Quarantäne von mindestens zwei Wochen vorgeschlagen, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen.
Valeriu Gheorghiţă, Mediziner und Koordinator der rumänischen Impfkampagne, fügte hinzu, dass die Aufhebung der Corona-Maßnahmen die Impfmotivation gesenkt und so ebenfalls zur niedrigen Impfquote beigetragen habe. Er ruft zur Impfung auf und verweist auf die Situation in Großbritannien: Die vom Institute of Public Health veröffentlichten Daten würden zeigen, dass die Impfungen insgesamt 127.000 Covid-Todesfälle und 250.000 Krankenhausaufenthalte verhindert hätten.