„Mehr als betroffen“: Sachsens Politiker besorgt wegen Gewalt bei Corona-Protesten im Freistaat
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An einem Auto ist eine Fahne des Freistaates Sachsen und eine Schild mit der Aufschrift "2G bringt nüscht!" angebracht worden. (Archivbild)
© Quelle: Daniel Schäfer/dpa-Zentralbild/
Dresden. Die zunehmende Aggressivität bei Corona-Protesten hat in Sachsen parteiübergreifend Besorgnis ausgelöst. Der CDU-Fraktionschef im Sächsischen Landtag, Christian Hartmann, sah nach dem Gewaltexzess gegen einen 60 Jahre alten Polizisten in Annaberg-Buchholz eine rote Linie bei den Corona-Protesten überschritten. Der Staat müsse konsequent handeln, die Täter müssten sich vor Gericht verantworten, sagte er am Montag in Dresden.
Der Beamte war in der Nacht zum Sonntag bei der Kontrolle einer illegalen Party in einer Diskothek im Erzgebirgskreis verletzt worden. Etwa 25 Menschen hatten ihn eingekesselt und niedergeschlagen. Am Boden liegend wurde er mehrfach getreten.
Auch Vertreter anderer Fraktionen im Sächsischen Landtag zeigten sich besorgt. AfD-Fraktionschef Jörg Urban äußerte Verständnis für Corona-Proteste, aber Unverständnis gegenüber Gewalt. Wenn es ein schuldhaftes Verhalten gegeben habe, müsse es Konsequenzen geben. Die übergroße Menge der Demonstranten sei aber gewaltfrei.
Linken-Fraktionschef kritisiert Haltung der Landesregierung
Linke-Fraktionschef Rico Gebhardt sah einen neues Ausmaß von Gewalt erreicht. „Das macht mich mehr als betroffen.“ Er hoffe, dass die Polizei hier genauso intensiv ermittle wie im Fall der Morddrohungen gegen Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU). Gebhardt wies aber auch auf Versäumnisse der Regierung im Umgang mit den Demonstrationen hin. „Man hat ja wochenlang einen Eindruck vermittelt, dass das alles legitim und rechtens ist.“ Hier gebe es noch genügend nachzuarbeiten.
Dresden: Razzia nach Mordplänen gegen Kretschmer
Nach Drohungen gegen Sachsens Ministerpräsidenten Michael Kretschmer im Kommunikationsdienst Telegram durchsucht die Polizei in Dresden mehrere Objekte.
© Quelle: dpa
Sachsens Polizeipräsident Horst Kretzschmar rechnete am Montag mit einer weiteren Zunahme der Proteste gegen die Corona-Maßnahmen im Land. Die Diskussion über eine Impfpflicht sei zusätzliches Wasser auf die Mühlen der Corona-Leugner, sagte er der „Leipziger Volkszeitung“ (Montag). „Da wird es deutlich mehr Gegner geben, als wir jetzt schon auf der Straße sehen.“ Sollte es infolge der Ausbreitung der Coronavirus-Variante Omikron zu einem kompletten Lockdown kommen, werde das für viel Wut sorgen.
Polizeipräsident und Innenminister sind sich uneins
Kretzschmar stellte klar, dass für ihn die Einhaltung der Corona-Regeln Priorität habe. „Ab dem 19. November, als die neuen harten Corona-Maßnahmen beschlossen wurden, war klar, dass der Gesundheitsschutz über dem Versammlungsrecht stehen muss.“ Die Polizei habe ihre Strategie angepasst und unterbinde nun die Proteste konsequent, betonte Kretzschmar. Innenminister Roland Wöller (CDU) hatte wiederholt gesagt, dass zunächst das Versammlungsrecht sowie Ordnung und Sicherheit zu gewährleisten seien und erst an dritter Stelle die Einhaltung der Corona-Auflagen.
SPD-Innenpolitiker Albrecht Pallas äußerte sein Befremden darüber, dass die Sicherheitsbehörden immer wieder von Demonstrationen überrascht würden. Es sei unverständlich, warum sie den öffentlichen Kanal des Messerdienstes Telegram nicht so im Blick behalten, dass sie rechtzeitig von Aktivitäten erfahren. Bei Telegram mobilisieren etwa die rechtsextremen „Freien Sachsen“ regelmäßig für Protest. Zudem griff er den Vize- Landtagspräsidenten André Wendt von der AfD an. Der AfD-Kreisverband Dresden, dessen Vorsitzender Wendt ist, habe am Sonntag zu einem Protest im Stadtteil Laubegast aufgerufen. Wendt müsse sich die Frage stellen, ob er noch für das überparteiliche Amt geeignet sei.
AfD-Politiker: „Es ist wichtig, den Menschen zuzuhören“
Wendt bestritt auf Nachfrage, dass die AfD zu der Versammlung aufgerufen habe. Er sei aber am Sonntag in seinem Wahlkreis vor Ort gewesen, weil Menschen aus der Pflegebranche ihn angesprochen hätten und ihm ihre Sorgen und Nöte am Rande der Demonstration mitteilen wollten. Er wolle auch in seiner Eigenschaft als Vizepräsident des Landtages Ansprechpartner für die Bürger sein: „Ich bin nur meiner Pflicht nachgekommen. Es ist wichtig, den Menschen zuzuhören.“
Wendt sei sowohl gegenüber dem Parlament als auch der Öffentlichkeit „in der Pflicht, zu erklären, inwiefern er es mit dem Amt als Landtagsvizepräsident für vereinbar hält, sich an massenhaftem Rechtsbruch Seit an Seit mit bekannten Rechtsextremen zu beteiligen“, betonte der Innenexperte der Grünen, Valentin Lippmann. „Dass Herr Wendt beim unzulässigen Protestgeschehen in Dresden beteiligt war, ist nur ein erneuter Beleg dafür und ein weiterer Schaden für das Ansehen des Sächsischen Landtages.“
RND/dpa