Corona-Pandemie: Minister Müller fordert Schuldenerlass für arme Länder
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Nigeria, Lagos: Drei Frauen werden mit dem Kanu durch die schwimmenden Slum von Makoko gefahren. In Afrika hat die Abriegelung der einzelnen Länder begonnen. Home Office, social distancing, Hygiene: Was in vielen Teilen der Welt im Kampf gegen die Corona-Krise propagiert wird, wird in Afrika zum Kampf gegen Windmühlen. Im Alltag ist für viele Afrikaner der Zugang zu fließendem Wasser nach wie vor ein mühseliges Unterfangen - ein regelmäßiges Händewaschen wird da illusorisch.
© Quelle: Sunday Alamba/AP/dpa
Berlin. Bundesentwicklungsminister Gerd Müller hat die wohlhabenden Staaten der Welt zu einem Schuldenschnitt für Entwicklungsländer im Kampf gegen die Corona-Pandemie aufgerufen. „Es ist gut, dass die Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer Verantwortung übernehmen und alle erforderlichen Schritte unternehmen will, um die betroffenen Länder zu unterstützen“, sagte der CSU-Politiker dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) mit Blick auf den jüngsten G20-Beschluss, fünf Billionen Dollar (gut 4,5 Billionen Euro) in die Weltwirtschaft zu investieren.
„Zu einem solchen internationalen Stabilisierungspaket sollte auch ein Schuldenerlass für die ärmsten Länder gehören, damit sie handlungsfähig bleiben. Alle großen Geber, insbesondere der G20, sollten den Aufruf der Weltbank und des IWF unterstützen und auf die Schuldenrückzahlung der ärmsten Länder verzichten“, forderte Müller.
Das Virus trifft den globalen Süden mehrfach hart
Der Minister warnte vor besonders gravierenden Folgen der Pandemie in Entwicklungsländern. „Neben den humanitären Folgen wird die Corona-Krise auch dramatische wirtschaftliche Auswirkungen haben“, sagte er. So könnten viele globale Lieferketten kaum noch aufrechterhalten werden.
Nötig sei daher ein umfassendes Stabilisierungspaket, um die ärmsten Staaten schnell und wirksam zu unterstützen. „Alle international zur Verfügung stehenden Instrumente der UN, der Weltgesundheitsorganisation, der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds müssen aufeinander abgestimmt werden“, forderte Müller.
Es sei jetzt an den G7 und den G20, ein entsprechendes Finanzpaket voranzubringen. „Auch Deutschland wird seine entwicklungspolitischen Maßnahmen in diesen Bereichen gezielt verstärken“, kündigte der CSU-Politiker an.
Derweil greift die Corona-Pandemie auf dem Globus immer weiter um sich. Nach China gelten Europa und die USA als Epizentren –aber auch der globale Süden bleibt keineswegs verschont. Ein Überblick:
Afrika: Nach Angaben der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen sind auf dem afrikanischen Kontinent derzeit 43 von 54 Staaten von der Covid-19-Pandemie betroffen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) zählte am Freitag rund 2240 bestätigte Erkrankungen und 39 Todesfälle. Die Sorge vor einer unkontrollierten Ausbreitung des Virus in einer Weltregion mit überwiegend defizitärem Gesundheitssystem ist groß.
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Matshidiso Moeti, Regionaldirektorin der WHO für Afrika, sieht zurzeit aber noch die Chance, das Virus einzuhegen: In jedem zweiten vom Virus betroffenen afrikanischen Staat sei das Virus von außen importiert worden – eine lokale Weitergabe sei noch nicht feststellbar, sagte Moeti am Donnerstag. Die Isolation der Betroffenen und ihrer Kontaktpersonen sei jetzt nötig. Das Zeitfenster zur Eindämmung der Pandemie in Afrika werde jedoch von Tag zu Tag kleiner.
Den Näherinnen in Bangladesch droht Armut
Südostasien: Die Fallzahlen zur Ausbreitung des Coronavirus bewegen sich noch auf vergleichsweise niedrigem Niveau, nehmen aber auch dort stetig zu. Abseits von China listen Thailand (1136) und Indonesien (1046) die höchsten Erkrankungsraten auf. In Südostasien, dessen Industrie besonders eng verknüpft ist mit den Lieferketten amerikanischer und europäischer Konzerne, dürften sich die Folgen der jetzt eingefrorenen Handelsbeziehungen besonders dramatisch zeigen. So haben Textilfirmen bei mehr als 1000 Fabriken in Bangladesch Aufträge im Wert von rund 1,4 Milliarden Euro ausgesetzt oder storniert. Damit droht vielen Arbeiterinnen die Armut.
Von Iran aus zu den Nachbarn
Nah- und Mittelost: Iran zählt mit 32.332 Infektionen und 2378 Verstorbenen zu den Epizentren der Pandemie. Angesichts des großen iranischen Einflusses in der Region befürchten Gesundheitsexperten ein Ausgreifen des Virus auf ohnehin instabile Nachbarstaaten wie Irak (458 Fälle/40 Tote) und Afghanistan (95 Infektionen). Die Bundeswehr hat deswegen die Ausbildung der irakischen Armee ausgesetzt.
Südamerika: Mit einer Verzögerung traf das Virus Ende Februar in Südamerika ein – seither verbreitet es sich auch dort rasant. Brasilien ist am stärksten betroffen; dort waren bis Freitag 3300 Fälle und 77 Tode dokumentiert. Der Gesundheitsminister des Landes sagte vor wenigen Tagen voraus, dass bis Ende April das Gesundheitssystem Brasiliens kollabieren werde. Präsident Jair Bolsonaro steht in der Kritik, nachdem er das Virus als „Fantasie“ abgetan hatte und lange untätig blieb. Menschenrechtsorganisation befürchten, dass populistische Regierungen Südamerikas unter dem Vorwand der Virusbekämpfung Bürgerrechte drastisch abbauen werden – über die Dauer der Pandemie hinaus.