Corona-Messlatte, Impf-Auskünfte, Hilfsfond nach Flut - das beschloss der Bundestag in seiner letzten Sitzung
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Letzte Sitzung des Deutschen Bundestags in dieser Legislatur vor der Bundestagswahl 2021.
© Quelle: Kay Nietfeld/dpa
Berlin. Beschäftigte in Kitas, Schulen und Pflegeheimen müssen ihrem Arbeitgeber künftig Auskunft darüber geben, ob sie gegen Corona geimpft sind. Der Bundestag beschloss am Dienstag in Berlin vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie eine Reihe von Änderungen am Infektionsschutzgesetz. Die Auskunftspflicht über den Impfstatus soll ermöglichen, ungeimpfte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Bereichen einzusetzen, in denen es weniger Personenkontakte gibt. Sie gilt solange die sogenannte epidemische Lage andauert. Zuletzt wurde sie vom Bundestag bis zum 24. November verlängert.
Arbeitgeber hatten eine Auskunftspflicht auch für andere Branchen und Unternehmen gefordert. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) lehnte dies ab. In Deutschland sind nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums aktuell rund 61 Prozent der Bevölkerung vollständig, etwa 66 Prozent mindestens einmal gegen Covid-19 geimpft. Zum Erreichen der sogenannten Herdenimmunität, bei der auch die Menschen geschützt sind, die nicht geimpft werden können, reicht dies noch nicht aus.
Die neuen Corona-Indikatoren
Mit den Änderungen am Infektionsschutzgesetz werden zudem die Indikatoren zur Beurteilung der Corona-Lage verändert. Maßgeblich ist künftig die Zahl der Krankenhauseinweisungen von Covid-19-Patienten pro 100.000 Einwohnern binnen sieben Tagen, die sogenannte Hospitalisierungsrate. Weitere Indikatoren, an denen die Bundesländer ihre Corona-Maßnahmen ausrichten, sind die Zahl der Neuinfektionen, die verfügbaren Intensivbetten und die Zahl der Impfungen. Genaue Werte legt das Infektionsschutzgesetz dabei nicht fest. Darüber entscheiden die Länder.
Zugestimmt hat der Bundestag mit der vorgelegten Regelung auch einer neuen Corona-Regelung für Einreisende. Sie müssen künftig immer einen Impf-, Genesenen- oder Testnachweis vorlegen können.
Die Änderungen am Infektionsschutzgesetz hatte die große Koalition an das Gesetz zur Fluthilfe gekoppelt. Die Opposition verlangte für die zweite Lesung des Gesetzespakts eine namentliche Abstimmung nur über die Punkte, die das Infektionsschutzgesetz betreffen. Dabei stimmten 346 Abgeordnete für die Neuregelungen, 279 dagegen, einer enthielt sich. In der Schlussabstimmung wurde das gesamte Paket mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD, Grünen, FDP und Linken angenommen.
Die Neuregelungen sollen auch Klarheit für die nächste Zeit schaffen, in der eine Regierungsbildung geklärt werden dürfte. Der Bundesrat muss in einer Sondersitzung am Freitag ebenfalls noch zustimmen.
Hilfsfonds nach Unwetterkatastrophe
Der Bundestag hat am Dienstag zudem den milliardenschweren Hilfsfonds für die Opfer der Hochwasserkatastrophe Mitte Juli im Westen Deutschlands beschlossen. Für den Wiederaufbau sollen in den nächsten Jahren rund 30 Milliarden Euro ausgezahlt werden. Am Freitag soll der Bundesrat die Neuregelungen in einer Sondersitzung billigen.
Unwetter mit ungewöhnlich starken Regenfällen hatten in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen eine Hochwasserkatastrophe ausgelöst. Ganze Landstriche wurden von den Wassermassen regelrecht weggerissen oder verwüstet. Bislang wurden rund 190 Tote gezählt, mehrere Menschen gelten noch immer als vermisst.
Beim Wiederaufbau braucht es einen langen Atem.
Angela Merkel
Bundeskanzlerin
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte den von der Hochwasserkatastrophe betroffenen Regionen langfristige Unterstützung zu. Beim Wiederaufbau brauche es „einen langen Atem“, sagte Merkel in der wohl letzten Plenarsitzung vor der Bundestagswahl. Die betroffenen Menschen würden nicht vergessen.
16 Milliarden Euro aus dem Wiederaufbaufonds sollen noch in diesem Jahr fließen. Aufbauhilfen werden geleistet, soweit die Schäden nicht durch Versicherungen abgedeckt sind. Die Aufbauhilfe wird zusätzlich zu den schon im Juli beschlossenen Millionen-Soforthilfen gewährt, die bei der Überbrückung von akuten Notlagen direkt nach der Starkregen- und Flutkatastrophe helfen sollten.
Zwei Milliarden Euro trägt der Bund allein
Zwei Milliarden Euro für die Wiederherstellung der Bundes-Infrastruktur wie Autobahnen und Brücken trägt der Bund allein. Die restlichen 28 Milliarden werden hälftig zwischen Ländern und Bund geteilt. Dabei müssen die Länder ihren Anteil aber nicht sofort einzahlen. Erst einmal streckt der Bund das Geld vor, die Länder stottern ihre Hälfte dann über einen Zeitraum von 30 Jahren beim Bund ab.
Unions-Fraktionsvize Andreas Jung sagte, Geld könne den Schmerz der Angehörigen nicht lindern. Es werde nun aber das Versprechen eingelöst, dass man die Menschen nicht alleine lasse. Jung sagte außerdem: „Wir müssen schneller werden beim Klimaschutz“. Extremwetterereignisse häuften sich. Der Grünen-Politiker Sven-Christian Kindler sagte: „Wir haben keine Zeit zu verlieren, wir müssen jetzt handeln.“ Man brauche Mut zu Veränderungen.
Konkret wurde ein Gesetz zur Errichtung eines Sondervermögens „Aufbauhilfe 2021″ beschlossen. In der Begründung heißt es, die Starkregen- und Hochwasserkatastrophe habe in einigen Regionen Schäden ungeahnten Ausmaßes und außergewöhnliche Notsituationen verursacht. „Viele Bürgerinnen und Bürger, Betriebe und andere Einrichtungen stehen nun buchstäblich vor dem Nichts und sind dringend auf solidarische Hilfe angewiesen. Die Beseitigung der Schäden und der Wiederaufbau seien eine „nationale Aufgabe“.
Um eine Pleitewelle zu verhindern, soll außerdem bis Ende Januar 2022 die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags für Firmen ausgesetzt werden, die wegen der Flut in finanzielle Not geraten sind - solange die betroffenen Unternehmen „ernsthafte Finanzierungs- oder Sanierungsverhandlungen“ führen und dadurch begründete Aussichten auf Sanierung bestehen.
Jahrelange Aufbauarbeiten – Merkel besucht Flutgebiete
Die Bundeskanzlerin hat sich weiter über den Wiederaufbau nach dem Juli-Hochwasser informiert.
© Quelle: Reuters
Unwetter mit ungewöhnlich starken Regenfällen hatten Mitte Juli in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen eine Hochwasserkatastrophe ausgelöst. Ganze Landstriche wurden von den Wassermassen regelrecht weggerissen oder verwüstet. Bislang wurden rund 190 Tote gezählt, mehrere Menschen gelten noch immer als vermisst.
Quarantäne in Schulen
Bereits am Montagabend haben sich die Gesundheitsminister der Länder mehrheitlich für einfachere Quarantäne-Regeln bei Coronafällen in Schulen ausgesprochen. Grundsätzlich solle bei einem Fall nicht mehr für die gesamte Klasse Quarantäne angeordnet werden, heißt in einem Beschluss nach Beratungen mit dem Bund am Montag. Symptomfreie Kinder, die als enge Kontaktpersonen in Quarantäne sind, sollen diese frühestens nach fünf Tagen mit einem negativen Test beenden können. Der Vorsitzende der Länder-Ressortchefs, Klaus Holetschek (CSU) aus Bayern, sagte, dies solle als „Leitplanken“ für die Gesundheitsämter dienen. Der Beschluss wurde bei Enthaltung zweier Länder angenommen.
Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Das wird die Akzeptanz der Regeln erhöhen. Richtig ist der Ansatz, dass die Dauer und die Zahl der Betroffenen der Quarantäne maßvoll eingeschränkt werden.“ Das werde dazu beitragen, dass der Präsenzunterricht für möglichst viele Kinder und Jugendliche aufrechterhalten werde. „Wichtig ist aber auch, dass die Gesundheitsämter immer auf den Einzelfall schauen werden.“
RND/dpa