Corona-Krise: Merkel muss auf gemeinsame Regeln pochen

Wie einheitlich muss die Reaktion der Bundesländer auf die Probleme in der Corona-Pandemie sein? Welche Rolle kommt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zu?

Wie einheitlich muss die Reaktion der Bundesländer auf die Probleme in der Corona-Pandemie sein? Welche Rolle kommt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zu?

Berlin. Jeder Bahnfahrer hat das in den vergangenen Monaten erlebt: Alle im Waggon halten sich an die Maskenpflicht – außer der einen Person, die konsequent die Maske als Kinnschutz benutzt. Wenn überhaupt.

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In der Ökonomie nennt man eine solche Konstellation ein Trittbrettfahrerproblem. Im Prinzip handelt der Maskenverweigerer nicht anders als ein Schwarzfahrer: Diejenigen, die sich an die Regeln halten, stellen sicher, dass die Bahn fahren kann. Der Regelbrecher profitiert – durch Dreistigkeit.

Ein solches Trittbrettfahrerproblem gibt es im Kampf gegen Corona nicht nur unter den Bürgern, sondern auch zwischen Politikern. Von einem gewissen Maß an Gemeinsamkeit zwischen den Ländern können eigentlich alle profitieren. Doch die Krise liefert auch jedem Ministerpräsidenten Möglichkeiten, sich auf Kosten der anderen zu profilieren.

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Das galt zu Beginn, als der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) alles daransetzte, bei den Einschränkungen immer als derjenige dazustehen, der einen Schritt schneller war als die anderen. Es gilt aber auch jetzt, wenn Ministerpräsidenten aus Ländern mit niedrigen Infektionszahlen betonen, Handlungsbedarf gebe es nur bei den anderen.

Die Notwendigkeit von Leitplanken

Grundsätzlich ist es zwar richtig, dass auf unterschiedliche Situationen in den Ländern auch jeweils passend reagiert werden sollte. Für die Einschränkungen in Corona-Zeiten muss der Maßstab gelten, dass sie wirkungsvoll, aber auch verhältnismäßig sein sollen. Gleichzeitig gilt: Es braucht auch gemeinsame Leitplanken, um bundesweit Akzeptanz zu sichern und Verwirrung auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Davon profitieren alle.

Was bedeutet das praktisch? Sehr drastische Maßnahmen wie eine generelle Maskenpflicht im Schulunterricht sollten tatsächlich nur dort verhängt werden, wo sie wirklich notwendig sind. Kein Schüler in Nordrhein-Westfalen hat etwas davon, wenn auch die Jungen und Mädchen in Mecklenburg-Vorpommern im Unterricht unter der Maske schwitzen. Auch eine generelle Maskenpflicht am Arbeitsplatz ist unsinnig – schon weil die räumlichen Bedingungen von Betrieb zu Betrieb komplett unterschiedlich sind.

Bei weniger starken Freiheitseingriffen ist es dagegen verhältnismäßig und klug, sich im Sinn einer gewissen Verbindlichkeit auf gemeinsame Regeln zu verständigen – auch wenn die Situation nicht überall hundertprozentig die gleiche ist. Große Familienfeste feiert man ohnehin nicht jeden Tag. Hier in ganz Deutschland denselben, einigermaßen strengen Standard anzulegen, ist jedem zumutbar. Wer soll es denn verstehen, wenn dort, wo Bundesländer aneinandergrenzen, innerhalb von wenigen Kilometern ganz unterschiedliche Regeln gelten? So geht Akzeptanz für das Notwendige verloren.

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Zu Beginn der Krise war es populär, wenn die Politik sich mit großer Entschiedenheit zu Einschränkungen bereitfand. Dabei ist, auch zum Zweck eines gemeinsamen Agierens, in einigen Bundesländern mehr getan worden, als dort zwingend nötig gewesen wäre. Das hat geholfen, im kollektiven Bewusstsein zu verankern: Diese Krise ist ernst, sie betrifft alle.

Nicht die Zeit für Egoismus und Eitelkeiten

Als die Infektionszahlen sanken, war es richtig, dass die Länder wieder stärker für sich – je nach Situation – entschieden haben. Jetzt befindet sich Deutschland angesichts steigender Zahlen jedoch an einem kritischen Punkt. Deshalb muss die Kanzlerin beim Treffen mit den Ministerpräsidenten auf mehr Gemeinsamkeit und Verbindlichkeit pochen. Es ist jetzt nicht die Zeit für den Egoismus und die Eitelkeiten einiger Ministerpräsidenten.

Eines darf die Politik in der Corona-Krise nie vergessen: Regeln werden besonders oft umgangen, wenn Menschen das Gefühl haben, sie gälten nicht für alle gleichermaßen. Wer zum Beispiel die Steuerbehörden um ein paar Euro prellt, rechtfertigt das meist vor sich selbst damit, dass andere sich in viel stärkerem Maß ihrer Pflichten für die Gemeinschaft entziehen.

Wer weiß, dass andere falsche Daten beim Restaurantbesuch angeben, denkt sich vielleicht: “Warum soll ich der einzige Dumme sein?” Wer sieht, wie sich andere beim Zugfahren um die Maskenpflicht drücken, will sich das Stück Stoff am liebsten selbst vom Gesicht reißen. Regeln ergeben nur dann Sinn, wenn sie durchgesetzt werden.

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