Corona-Krise: Orbán will in Ungarn per Dekret regieren

Viktor Orbán, Ministerpräsident von Ungarn, hält seine Rede im Parlamentsgebäude über den aktuellen Stand des Coronavirus-Ausbruchs während einer Plenarsitzung.

Viktor Orbán, Ministerpräsident von Ungarn, hält seine Rede im Parlamentsgebäude über den aktuellen Stand des Coronavirus-Ausbruchs während einer Plenarsitzung.

Brüssel. Der ungarische Regierungschef Viktor Orbán will sich in der Coronavirus-Krise weitreichende Kompetenzen geben lassen. Die Regierung in Budapest arbeitet an einem Notverordnungsgesetz, das das Regieren per Dekret für möglicherweise unbegrenzte Zeit ermöglichen würde. Orbán-Kritiker schlagen Alarm. Sie fürchten, dass sich der Regierungschef damit quasi diktatorische Vollmachten verschaffen will.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

+++Immer aktuell: Hier geht’s zum Corona-Liveblog+++

Vor Kurzem wurde auf der Webseite des ungarischen Parlaments ein Gesetzentwurf veröffentlicht, wonach der am 11. März verhängte Notstand künftig auch ohne Zustimmung der Abgeordneten verlängert werden soll. Bislang muss das Parlament alle 15 Tage über die Verhängung von Einschränkungen entscheiden.

Strafrecht soll verschärft werden

Doch demnächst, so der Entwurf aus dem Justizministerium, könnte für diesen Fall eine “erzwungene parlamentarische Pause” gelten. Die Regierung könnte dann per Dekret “die Anwendung einzelner Gesetze suspendieren, von gesetzlichen Bestimmungen abweichen und sonstige außerordentliche Maßnahmen treffen”.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige
Ein näherer Blick auf das Coronavirus

Die Corona-Krise hält Deutschland, Europa und die Welt in Atem und legt das öffentliche Leben weitgehend lahm. Hier ein näherer Blick auf den Übeltäter.

Damit nicht genug. Orbán plant auch, das Strafrecht zu verschärfen. So sollen Verstöße gegen Quarantänebestimmungen mit einer Haftstrafe von bis acht Jahren geahndet werden. Bis zu fünf Jahre Gefängnis drohen wegen der Verbreitung von “Falschnachrichten” in der Coronavirus-Krise.

Schon nächste Woche könnte das Gesetz das ungarische Parlament passieren. Orbán braucht dazu eine Zweidrittelmehrheit, die er mit den Abgeordneten seiner Fidesz-Partei erreichen dürfte. Das Parlament würde sich gewissermaßen selbst entmachten.

Orbán-Gegner schlagen Alarm

Ungarische Bürgerrechtler schlugen jetzt Alarm. Es sei nicht akzeptabel, dass die Regierung womöglich auf unbegrenzte Zeit per Dekret handeln könne, hieß es in einer Stellungnahme, die vom ungarischen Helsinki-Komitee und Amnesty International verfasst wurde.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

“Ich bin zutiefst besorgt darüber, dass Orbán die aktuelle Coronavirus-Krise als Entschuldigung nutzen wird, um sich mehr Macht zu verschaffen”, sagte die liberale ungarische Europaabgeordnete Katalin Cseh im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).

Sie sehe zwar ein, dass eine Regierung in Krisenzeiten mehr Befugnisse bekommen müsse, sagte Cseh: “Doch das darf auf keinen Fall ohne Kontrolle des Parlaments geschehen und auch nicht zeitlich unbegrenzt sein. Das ist völlig überzogen.”

Abgeordnete: EU-Kommission muss eingreifen

Gerade der Paragraf zu den “Falschnachrichten” zeige das Problem: “Angesichts des Drucks, den die Regierung ohnehin schon auf ungarische Medien ausübt, kann das leicht als ein Mittel missbraucht werden, Regierungskritiker zum Schweigen zu bringen.”

Die Europaabgeordnete forderte die EU-Kommission auf, auf die Orbán-Regierung einzuwirken. “Die EU-Kommission sollte sich einschalten und zumindest den Dialog mit der ungarischen Regierung suchen, um sicherzustellen, dass die Maßnahmen gegen das Coronavirus mit europäischem Recht übereinstimmen”, sagte Cseh.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Ein Sprecher der EU-Kommission wollte den ungarischen Gesetzentwurf nicht direkt kommentieren. Grundsätzlich gelte jedoch, dass die nationalen Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus im Einklang mit dem europäischen Recht sein müssten: “Alle Notmaßnahmen sollen zeitlich befristet sein.” Auch seien freie Medien unabdingbar in Demokratien.

Orbán steht seit Jahren in Brüssel in der Kritik. Die EU-Kommission hat ein sogenanntes Rechtsstaatsverfahren gegen Ungarn eingeleitet. Orbán wird vorgeworfen, gegen EU-Grundwerte zu verstoßen.

Kritik auch in Polen

Auch in anderen Staaten regt sich im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus Kritik an Maßnahmen der Regierungen. Die Präsidentschaftswahl in Polen ist für den 10. Mai geplant. Zwar ist der Wahlkampf offiziell eingestellt. Doch die Opposition fürchtet, dass sich Amtsinhaber Andrzej Duda einen Vorteil verschaffen kann, weil er massiv vom Staatsfernsehen unterstützt werde. Eine Verschiebung der Wahl lehnt die regierende PiS-Partei bislang ab.

In Großbritannien gab es Streit um die Laufzeit des Gesetzes, mit dem die Regierung von Premierminister Boris Johnson auf die Coronavirus-Krise reagieren will. Zunächst war davon die Rede, die Restriktionen sollten für zwei Jahre gelten. Nun soll das Unterhaus alle sechs Monate über das Gesetz abstimmen.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige
Großbritannien verschärft Regeln im Kampf gegen Coronavirus
24.03.2020, Gro��britannien, London: Ein Mann geht in der Londoner U-Bahn-Station ��Oxford Street�� einen Durchgang entlang, einen Tag, nachdem Premierminister Johnson Ausgangsbeschr��nkungen erlassen hatte. Foto: Kirsty O'connor/PA Wire/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Die Regierung in Großbritannien hat weitere Einschränkungen des öffentlichen Lebens angeordnet.

In Israel schließlich hat der amtierende Regierungschef Benjamin Netanjahu vorgeschlagen, für die nächsten drei Jahre eine Notstandsregierung zu bilden. Damit könnte Netanjahu möglicherweise einem Korruptionsprozess entgehen. Unklar war allerdings, ob die Opposition dem Plan zustimmen wird.

Mehr aus Politik

 
 
 
 
 
Anzeige
Anzeige
Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Outbrain UK Ltd, der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.

 

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unseren Datenschutzhinweisen.

Verwandte Themen

Top Themen

Deutschland
 
Sonstiges

Letzte Meldungen

 
 
 
 
 
 
 
 
 

Spiele entdecken