Wer führt Deutschland durch die Corona-Krise?
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Krisenmanager: Der Arzt im Kanzleramt Helge Braun (v. l.), der Behörden-Experte Prof. Dr. Lothar H. Wieler, die Krisenchefin Angela Merkel, der Kommunikator Christian Drosten, die Finanzkrisenchefin Christine Lagarde und der Vorprescher Markus Söder.
© Quelle: imago/photothek/IPON/Xinhua/Sven SImon/Rainer Unkel/Montage RND
Berlin. Alle achten auf die Kanzlerin. Der gesamte Regierungsapparat hat seine Vorsichtsmaßnahmen hochgefahren. Jedem in der Regierung ist bewusst, was für ein fatales Symbol es wäre, wenn ausgerechnet Angela Merkel sich anstecken und mitten in der Krise an Covid-19 erkranken würde.
Entsprechend vorsichtig agieren die Menschen in Merkels Umfeld. Sowohl im Bundespresseamt als auch im Kanzleramt wird nun großer Wert auf Mindestabstände gelegt. Bei Besprechungsräumen gilt nur eine Regel: Je größer, desto besser. Daran orientieren sich die Mitarbeiter der Kanzlerin auch, wenn sie außerhalb der Regierungsgebäude unterwegs sind. Besprechungsrunden in zu kleinen Räumen sagen sie ab.
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Ein leerer Platz an jeder Seite: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in der wöchentlichen Sitzung des Bundeskabinetts.
© Quelle: Michael Kappeler/dpa-pool/dpa
Die Republik, so hat man den Eindruck, wird zurzeit vor allem von Krisenstäben aus gesteuert. Im Auswärtigen Amt gibt es ohnehin permanent einen. Der ist im Augenblick vor allem damit beschäftigt, Heimflüge für Zehnttausende im Ausland gestrandete Deutsche zu organisieren. Die Social-Media-Kanäle des Ministeriums quellen über vor lauter Anfragen heimkehrwilliger Bundesbürger. Das Auswärtige Amt hat sich dieser Tage zu Deutschlands meistbeschäftigtem Reiseveranstalter gewandelt.
Das Bundeskabinett selbst ist inzwischen eine Art Krisenstab geworden. Corona-Kabinett heißt diese gesonderte Krisenrunde, die mittlerweile zweimal in der Woche im Kanzleramt zusammensitzt.
Fiebermessen, Abstand halten, telefonieren
Kein Treffen ohne vorheriges Fiebermessen: Wer kränkelt, bleibt zu Hause. Darauf haben sich Merkel und die Minister verständigt. An diesem Donnerstag trafen sie sich erneut, diesmal im “Internationalen Konferenzsaal” im ersten Stock der Regierungszentrale. Und zwar, weil der größer ist und man dort besser Abstand halten kann. Bald will man auf Treffen verzichten – und sich telefonisch zusammenschalten.
Den Vorsitz dieser Runde hat die Kanzlerin, Kanzleramtschef Helge Braun koordiniert. “Das Ziel ist es, in den Besprechungen Entscheidungen zu den politischen Fragen im Zusammenhang mit dem Coronavirus vorzubereiten”, heißt es in Regierungskreisen.
Sag mir, wie viel du brauchst.
Olaf Scholz
Bundesfinanzminister (SPD)
Auf Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) kommt es dabei besonders an. Auch der Verkehrsminister, der sich um die Logistikketten kümmert, die weiterhin wiederaufgefüllte Regale in den Supermärkten garantieren sollen, ist neben anderen Kabinettsmitgliedern mit dabei. Und natürlich der Finanzminister: Olaf Scholz (SPD), so ist aus den Spitzen anderer Ministerien zu hören, erweist sich in diesen Tagen als ausgesprochen großzügig.
“Ja, klar” soll Scholz gesagt haben, als Außenminister Heiko Maas (SPD) ihn zu Wochenbeginn um Geld bat, damit das Auswärtige Amt bei der Rückholung der Urlauber in Vorleistung gehen kann. “Sag mir, wie viel du brauchst”, so Scholz. Maas nannte die Summe von 50 Millionen Euro – und erhielt sie. In Scholz Haushaltsplänen dürften bald Milliardenlöcher klaffen.
Als die Infektionsketten abrissen
Im Krisenkabinett dürfen natürlich auch Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Peter Altmaier (CDU) nicht fehlen. Denn es geht ja um den abruptesten Einbruch, den Deutschlands Wirtschaft seit dem Zweiten Weltkrieg erlebt hat.
Rückblende, 26. Februar, Aschermittwoch: Corona in Deutschland, das sind nun nicht länger Infektionsketten, die nachzuverfolgen sind. Sie sind just nicht mehr nachvollziehbar. Die Bundesregierung reagiert und setzt einen Krisenstab ein, geführt vom Gesundheitsministerium und vom Innenressort, das unter anderem für den Katastrophenschutz zuständig ist.
Vertreten sind in dem Gremium keine TV-bekannten Spitzenpolitiker. Hier führen Staatssekretäre Regie – Verwaltungsexperten, deren Gesichter in breiter Öffentlichkeit niemand kennt.
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Frank Hartmann, Krisenbeaftragter des Auswärtigen Amtes, leitet eine Sitzung des Krisenstabes der Bundesregierung.
© Quelle: imago images/photothek
Ende Februar trifft sich die Runde in einer Dependance des Gesundheitsministeriums am Hauptstadtboulevard “Unter den Linden”, drinnen ist die Luft trocken, von zwei Metern Abstand kann bei den Regierungsbeamten keine Rede sein. Nicht einmal 50 bestätigte Infektionen gibt es zu diesem Zeitpunkt in Deutschland.
Einige Stunden später verabschiedet die Runde Leitlinien, die Veranstaltern und Behörden helfen sollen, wenn es darum geht, an Großveranstaltungen festzuhalten oder sie abzusagen. Durchregieren sieht anders aus.
Die Virologen führen das Land beratend
So ist es mit diesem Berliner Krisenstab: Viel Macht im eigentlichen Sinne hat er nicht. Er koordiniert. Er sorgt dafür, dass dringend benötigte Medizinprodukte bestellt werden. Ansonsten spricht er Empfehlungen aus. Die Behörden vor Ort sollen entscheiden.
Fahrt nimmt das Ganze erst auf, wenn die Politik sich einschaltet. Zum Beispiel am vorvergangenen Sonntag, als Gesundheitsminister Spahn erklärt, Veranstaltungen mit über 100 Teilnehmern sollten abgesagt werden.
Wie steht es nun um die Ausbreitung der Epidemie? “Alles, was ich Ihnen dazu sage”, räumt Angela Merkel in ihrer TV-Ansprache am Mittwochabend freimütig ein, komme “aus den ständigen Beratungen der Bundesregierung mit den Experten des Robert-Koch-Instituts und anderen Wissenschaftlern und Virologen”.
Die Ansprache der Bundeskanzlerin in voller Länge
“Es ist ernst. Nehmen Sie es auch ernst”, sagte Angela Merkel in ihrer Fernsehansprache zum Coronavirus.
© Quelle: ARD
In der letzten großen Finanzkrise hat die Kanzlerin immer gesagt, es müsse auf Sicht gefahren werden. Beim Kurs, den sie nun in der Corona-Krise fährt, ist es die Sicht der Wissenschaft, von der sich die gelernte Physikerin Merkel leiten lässt.
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