Großbritannien und Corona: die Angst vor dem Winter
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Menschen gehen an der Themse in London spazieren. Wie wird der kommende Winter angesichts der Pandemie?
© Quelle: Han Yan/XinHua/dpa
London. Aktuell ist in Londons Straßen von der Pandemie nur wenig zu spüren. Am King‘s Cross, dem zentralen Bahnhof im Herzen der Stadt, drängen sich die Menschen eng aneinander, kaum einer trägt eine Maske. Und auch beim Einkauf in einem der vielen Supermärkte in der Umgebung gibt es keinerlei Einschränkungen. Doch die Tage werden kürzer und die Temperaturen in der Metropole sinken stetig. Damit wird langsam klar: Der nächste Winter ist nicht mehr allzu fern.
Dass dies so ist, weiß selbstverständlich auch die Regierung unter der Führung von Boris Johnson. Und so stellte am Dienstag Gesundheitsminister Sajid Javid im Unterhaus den „Plan für den Winter“ im Kampf gegen Corona vor, um eine drohende Überforderung des Gesundheitssystems NHS in der kalten Jahreszeit zu verhindern. Die Strategie: Ein weiterer Lockdown soll so lange es geht vermieden werden, stattdessen setzt man vor allem auf weitere Impfungen und Tests zur Verfolgung der Krankheit – zumindest vorerst.
Wie diese Impfstrategie im Detail aussehen soll, gab die britische Impfkommission JVCI am Dienstag bekannt. Im Zentrum stehen vor allem „Booster Jabs“, also einmalige Auffrischungsimpfungen für Menschen über 50, hieß es. Dabei setzt man jetzt jedoch nicht mehr, wie in der Vergangenheit in Großbritannien üblich, ausschließlich auf Astrazeneca, sondern stattdessen auf die mRNA-Impfstoffe von Pfizer und Moderna.
Der Vorsitzende der Kommission, Wei Shen Lim, erklärte diese Entscheidung folgendermaßen: „Diese Impfstoffe sind empfehlenswerter, da sie insbesondere als Auffrischungsimpfung einen besseren Schutz gewährleisten.“ Außerdem rät man in Großbritannien seit dieser Woche, auch Kinder im Alter zwischen zwölf und 15 Jahren impfen zu lassen. Ein Schritt, den man, ähnlich wie in Deutschland, lange herauszögerte.
Herauszögern will die britische Regierung auch weitere Schritte, die das öffentliche Leben einschränken. Nur wenn die Auffrischungsimpfungen und weitere Tests nicht greifen, sollen weitere Maßnahmen erfolgen, wie zum Beispiel eine Maskenpflicht an öffentlichen Plätzen. Regeln wie der Covid-Pass, ein Nachweis der Impfung also, der einem beispielsweise den Eintritt in einen Club ermöglichen könnte, seien jedoch auch möglich, erklärte der Gesundheitsminister.
Auffällig daran: Wann und unter welchen Umständen diese Maßnahmen erfolgen sollen, dazu machte man am Dienstag ausdrücklich keine Angaben. Viele Kommentatoren sehen darin eine Lehre aus dem letzten Jahr, als die Regierung allzu oft falsche Versprechungen machte.
Denn die Sorge vor einem erneuten schweren Winter ist groß, wie auch Javid während seiner Rede im Unterhaus betonte. Diese Befürchtung teilt auch Adrain Boyle, Berater im Bereich Intensivmedizin an der Uniklinik von Cambridge: „Impfauffrischungen sind gut, denn dann müssen die Menschen nicht so lange im Krankenhaus bleiben“, erklärte er der BBC.
Sie würden das Problem jedoch nicht lösen. „Die Krankenhäuser sind jetzt schon so ausgelastet wie normalerweise erst im Januar oder Februar.“ Um diese Situation zu verbessern, seien grundlegende Veränderungen nötig. „Wir haben so wenig Intensivbetten wie kein anderes Land in Europa“, betonte der Experte.
Wie ein schlimmer Winter mit der Pandemie aussehen kann, wissen die Briten. Im Januar dieses Jahres stiegen die Zahlen insbesondere in der Metropole London, aber auch in anderen Regionen des Landes sprunghaft an. Die vorläufige Trendwende auf der Insel brachten damals nur ein strenger Lockdown und eine schnelle Impfkampagne.